Dr. Fred Sinowatz
Neben Theodor Kery hat Fred Sinowatz die burgenländische Politik in der Zweiten Republik entscheidend geprägt. Als Minister, Vizekanzler neben Bruno Kreisky und als Bundeskanzler war Sinowatz auch österreichweit von großer Bedeutung.
Sein Vater Ferdinand Sinowatz entstammte einer Kleinbauernfamilie, die Vorfahren waren Müllner. Sein Vater lernte das Schlosserhandwerk. War Lokomativführer im Neufelder Braunkohlebergwerk und betrieb nach dem Zweiten Weltkrieg ein kleines Transportunternehmen. Die Familie wohnte in der Fabrikskolonie und später in einem Einfamilienhaus. Das Milieu, in dem Fred Sinowatz aufwuchs, war stark von der Sozialdemokratie geprägt. Sein Onkel Josef Csech war Bürgermeister von Neufeld. Nach der Pflichtschule besuchte er die Gymnasien in Wr. Neustadt und Baden, wo er 1948 maturierte. Anschließend studierte er Geschichte, Deutsch und Leibesübungen bzw. Zeitungswissenschaften an der Universität Wien. 1953 schloss er sein Studium mit einer Dissertation bei Alfons Lhotsky über die Reformation und katholische Gegenreformation in den Herrschaften Eisenstadt und Forchtenstein ab. Diese Arbeit wertete erstmals die Klosterratsakten aus und war für die Forschung im Burgenland wichtig. Sinowatz heiratete die Lehrerin Hermine Semler aus Ebenfurth, mit der er zwei Kinder hatte.1959 bezog die Familie ein Haus in Neufeld.
Sinowatz wurde Sekretär des Landesrates Albin Dostal und Mitarbeiter in der Parteizeitung BF (Burgenländische Freiheit), in der Dostal nach seiner Rückkehr aus der Emigration Chefredakteur war. Er und seine Frau wohnten in dieser Zeit bei den Schwiegereltern in Ebenfurth. Ab 1957 war er Gemeinderat in Neufeld, 1958 Obmann der Ortspartei. 1956 wurde Sinowatz Beamter des fachwissenschaftlichen Dienstes im Landesarchiv und in der Landesbibliothek. Als Dostal 1956 aus der Landesregierung ausschied verlor Sinowatz seinen Sekretärposten und arbeitete im Landesarchiv im Leinner-Haus in Eisenstadt.
1961, nach dem Tod des AK-Präsidenten Szenkuröck, zog Sinowatz in den Landtag als Abgeordneter ein. Damals war er schon geschäftsführender Landesparteisekretär, 1962 wurde er Landesparteisekretär.1960 organsierte Sinowatz den Wahlkampf gegen eine verjüngte ÖVP. Das Ziel, den Landeshauptmann zu stellen, konnte unter Wessely nicht erreicht werden. Zuvor hatte dieser den Rücktritt Bögls aus der Landesregierung erzwungen. Heftige innerparteiliche Konflikte waren die Folge. Schließlich wurde Wessely im Landesparteivorstand das Misstrauen ausgesprochen und er musste zurücktreten. Bögl wurde Landesparteiobmann. Wastl blieb aber Landeshauptmannstellvertreter.
Ab 1961 entwickelte Sinowatz das Konzept, die SPÖ zur „Burgenlandpartei“ zu machen. Er gestaltete die Landesausstellung 40 Jahre Burgenland. Als Abgeordneter war er von seiner Beamtendienststelle freigestellt. Ab 1963 erarbeitete er gemeinsam mit Dr.Helmut Vogl das programmatische Konzept „Für ein schöneres Burgenland“. Es wurde am Landesparteitag in Pinkafeld vorgelegt. In der Landtagswahl von 1964 war Bögl Spitzenkandidat. Am 22. Mai 1964 wurde die SPÖ mit 48,2 % der Stimmen die stärkste Partei. Sie erhielt 16, die ÖVP 15 und die FPÖ ein Mandat. Bögl wurde mit 17 von 32 Stimmen, also auch mit der Hilfe Rezars von der FPÖ, zum Landeshauptmann gewählt. Sinowatz galt als „Architekt des Sieges“. Er wurde am 17. April 1964 zum Landtagspräsidenten gewählt. Bald aber gab es Unzufriedenheit mit Bögl in der Partei. Einer der schärfsten Kritiker war Theodor Kery. In der Nationalratswahl von 1966 musste die SPÖ einen Rückschlag einstecken. Das beschleunigte den personellen Ablöseprozess. Bögl und Landesrat Billes schieden schließlich aus der Regierung aus. Kery wurde Landeshauptmann, Sinowatz und Vogl wurden die sozialistischen Landesräüte. Der Landesparteivorstand genehmigte den Wechsel ohne Gegenstimme.
Ausdruck und Symbol der neuen, von Sinowatz propagierten Burgenland – Ideologie wurden die von ihm geplanten „burgenlandtreffen“ ab 1966. Es gelang weitgehend, ein neues Landesbewusstsein mit der SPÖ zu verbinden. Sinowatz als Kulurlandesrat war bestrebt, der SPÖ ein neues Image zu verpassen. Er rief viele Künstler und Schriftsteller ins Land und förderte diese entsprechend. Er verfügte über eine beträchtliche Machtfülle, da er trotz der Regierungsfunktion auch Klubobmann und Landesparteisekretär blieb. Der Erfolg stellte sich in der Landtagswahl von 1968 ein. Die SPÖ erreichte die absolute Mehrheit an Stimmen und Mandaten. Im Landtag stand es nun 17 : 15. In der Partei leitete Sinowatz eine Reform des Landesparteisekretariat mit der Errichtung zahlreicher Referate ein.
1971 begann die bundespolitische Karriere des Dr. Fred Sinowatz. Er wurde in das Kabinett Kreisky II. als Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport berufen. Seine Funktion als Landesrat übernahm Dr. Gerald Mader. Sinowatz blieb im Burgenland auch weiterhin Landesparteisekretär mit Karl Stix als Geschäftsführer. In der Ära Sinwowatz fanden tiefgreifende Reformen im Bildungswesen statt. Die gemeinsame Schule der 10 bis 14 Jährigen konnte aber nur bedingt durch Gleichschaltung der Lehrpläne erreicht werden. Das Schulunterrichtsgesetz vom 1974 war ein wichtiger Meilenstein in der Reform, begleitet von einem großen Schulentwicklungsprogramm und einer beträchtlichen Erhöhung des Bildungsbudgets. Gratisschulbuch, freie Schulfahrt und ein ausgebautes berufsbildendes Schulwesen sollten Ungleichheiten beseitigen, 1970 bis 1988 wurden 343 Bundesschulen errichtet, der Lehrermangel wurde abgebaut.
Nach dem Konflikt Kreiskys mit seinem vorgesehenen Nachfolger, dem Finanzminister Hannes Androsch, schied dieser aus der Regierung aus. Kreisky schlug Sinowatz als Vizekanzler vor. Nach dem Verlust der absoluten SPÖ-Mehrheit 1983 erklärte Kreisky seinen Rücktritt und erklärte Sinowatz zum designierten Nachfolger. Sonowitz beugte sich eher widerwillig dieser Entscheidung. Es wurde eine kleine Koalition mit der FPÖ gebildet und am 1.Mai 1983 ein Arbeitsübereinkommen unterzeichnet. 1983 wurde Sinowatz auch Parteivorsitzender. Er holte Franz Vranitzky als Finanzminister in die Regierung, sehr zum Unmwillen Kreiskys.
Die Kleine Koalition untr Sinowatz und Vizekanzler Steger von der FPÖ wurde gelastet, zunächst durch die Frischenschlager – Reder- Affäre. Dann erfolgte ein Konjunktureinbruch und die verstaatlichte Industrie, allen voran die VÖST, geriet in eine schwere Krise. Das Budgedefizit war hoch, die Arbeitslosenquote stieg auf 4,8 %. Im Dezember 1984 entbrannte ein heftiger Konflikt um den geplanten Bau des Donaukraftwerkes Hainburg, mit Gendarmerieeinsatz gegen die Aubesetzer. Um den Konflikt nicht weiter eskalieren zu lassen verordnete Sonowatz eine „Nachdenkpause“, was letztlich ein Ende des Projektes bedeutete. Das wurde von der Wirtschaft und der Gewerkschaft mit Unverständnis zur Kenntnis genommen. Ein weiterer Konflikt mit der enstehenden Umweltbewegung entstand rund um die geplante Aufhebung des Atomsperrgesetzes, um Zwentendorf friedlich nutzen zu können. Beide Kraftwerksdebatten haben der Regierung geschadet, Es zeichnete sich der Wertewandel unnd der Aufstieg zunächst außerparlamentarischer Grüngruppierungen ab. Parallel dazu geriet auch der Koalitionspartner FPÖ mit dem Aufstieg Jörg Haiders in Turbulenzen.
Am 9. Juni 1986, nach der Wahl Waldheims zum Bundespräsidenten, entschloss sich Sinowatz gegen den Rat Kreiskys zum Rücktritt, ein Schritt, zu dem er sich anscheinend schon vor der Wahl entschlossen hatte. Auf seinen Wunsch wurde Franz Vranitzky Bundeskanzler. In den Meinungsumfragen befand sich die SPÖ in einem Tief. In den Medien wurde Sinowatz zunehmend aggressiv angegriffen. Es wurde ihm Farblosigkeit, Unsicherheit, Überforderung und Führungsschwäche vorgeworfen. Diese Angriffe trafen Sinowatz schwer, so etwa das unfaire und verkürzte Zitat aus einer Rede, in der er darauf hinwies, dass „alles sehr kompliziert sei“. Er wollte damit ledigleich die Komplexität und Vielschichtigkeit der Politik zum Ausdruck bringen. Das Verhältnis zur Presse verschlechterte sich durch eine weitere Fehlinterpretation einer Sinowatz – Rede, in der er die Verantwortung gegenüber den Menschen betonte. Die Journalisten machten aus seiner Loyalität gegenüber der Partei und deren Anliegenden so nie getätigten Ausspruch „ohne die Partei bin ich nichts“.
Die Wahl Waldheims gegen den SPÖ- Kandidaten Steyrer wurde als Ablehnung der Kleinen Koalition interpretiert. Besonders die Auseinandersetzung in den Medien um „Waldheims braune Vergangenheit“ war der letzte Schritt im Rückzugsprozess von Sinowatz. Am 16. Juni 1986 leitete Sinowatz seine letzte Ministerratssitzung. Er blieb aber noch zwei Jahre Parteivorsitzender. Auf einem Sonderparteitag im Mai 1988 kam es zum Wechsel in der Parteiführung. Vranitzky kündigte am 15. September die Auflösung der Kleinen Koalition mit den Freiheitlichen.
Die Waldheim – Affäre hatte für Sinowatz ein Nachspiel. Er wurde zu Unrecht als Initiator der Kampagne dargestellt. Angeblich hatte er schon im Sommer 1985 im Landesparteivorstand des Burgenlandes die Kampagne angekündigt. Die frühere Klubobfrau der Sozialisten, Ottilie Matysek, gab diese Auskunft an den Journalisten Alfred Worm. Matysek war von der Partei enttäuscht und zu einer scharfen Kritikerin geworden. Im Burgenland trat Landesrat Mader zurück und es gab heftige Angriffe auf Landeshauptmann Kery. Sinowatz verklagte Worm, das Gericht sprach diesen jedoch frei. Sinowatz und andere Mitglieder des Landesparteivorstandes wurden wegen falscher Zeugenaussage angklagt und verurteilt. Diese Ereignisse und ein anderer Prozess um den „Norikum- Skandal“ setzten Sinowatz schwer zu. Zwar wurden Sinowatz, Gratz und Blecha vom Verdacht, die verbotenen Waffenlieferungen des Norikum Konzerns an Kriegführende ermöglicht zu haben, freigesprochen. Sinowatz aber war auch gesundheitlich schwer angeschlagen. 1995 starb zudem seine Frau. 1988 legte er mit dem Parteivorsitz auch sein Abgeordnetenmandat zurück. Sein Zuckerkrankheit machte ihm zu schaffen. Im August 2008 starb Sinowatz nach einer Herzoperation in Wien. In Neufeld erhielt er ein Ehrengrab.
Daten* 05.02.1929 in Neufeld
Landtagspräsident, Landesrat, Unterrichtsminister, Bundeskanzler
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