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Viele der Missstände, die in Europa zur Reformation führten, waren auch in Ungarn gegeben. Der Klerus entsprach nicht mehr den Erwartungen, den neuen religiösen Leitbildern der Zeit, die weg von den der formalen Kirchlichkeit und hin zur vertieften, persönlich engagierter und autonomer Gläubigkeit, vielfach in der Gemeinschaft Gleichgesinnter, ging. Diese Leitbilder wurden zwar erst von den Reformationskirchen präzise ausformuliert, waren aber schon zuvor vorhanden. Das aufblühende religiöse Leben etwa in frommen Bruderschaften, die rege Anteilnahme der Laien stellte natürlich die herkömmlichen Organisationsstrukturen der "Amtskirche" in Frage, diese geriet immer mehr ins Hintertreffen: fromme Stiftungen und Klostergründungen gingen zurück, der Klerus war zunehmender Kritik ausgesetzt, selbst die im Spätmittelalter noch so beliebten Bettelorden verloren zum Teil ihren Einfluss, wurden aber zugleich zu heftigen innerkirchlichen Kritikern. Ungarische Franziskaner etwa waren die ersten Anhänger der Lehre Luthers, auch in Ödenburg war es ein Franziskanermönch, der zuerst im lutherischen Sinne predigte. Die alten Orden gerieten überhaupt ins Abseits und leisteten keine Beiträge zur neuen religiösen Aktivierung der Menschen.Auch in Westungarn - Burgenland waren die Zustände in der alten Kirche nicht gerade erfreulich. Die Bischöfe belasteten die Pfarrer mit hohen Abgaben, sodass sie kaum von ihren Einnahmen leben konnten. Kein Wunder, dass diese Pfarrer, wie sich der Raaber Bischof in einem Brief bitter beklagte, "unwissend und verkommen" waren, in einer Zeit, in der Bürger und Bauern an Selbstbewusstsein gewannen. Diese Zustände und die Türkenkriege, die zur Flucht vieler Priester beitrugen, hatten einen katastrophalen Priestermangel zur Folge. Selbstverständlich kann man auch in Westungarn den religiösen Umbruch nicht losgelöst von den sozial- und geistesgeschichtlichen Hintergründen sehen. Das Spätmittelalter und die frühe Neuzeiten hatten für die Bürger der Städte und auch die Bauern der Dörfer einen "Emanzipationsschub" gebracht. Die Bürger waren wohlhabend, strebten nach Bildung und Mitsprache. Man darf nicht vergessen, dass schon im 16.Jh. die ersten höheren Schulen entstanden, dass die Verwaltung und das Rechtswesen in diesen Jahrhunderten auch in den Städten Westungarns zur Schriftlichkeit überging, dass Bürgersöhne nicht nur auf Handelsreisen die "Welt" kennen lernten, sondern auch bereits an den europäischen Universitäten, in Italien, Frankreich, im Reich studierten. Die Handwerker, die in dieser Zeit in den größeren Städten ihre ersten Zechen bildeten, begannen zu neuen, gemeinschaftlichen und genossenschaftlichen Formen der Religionsausübung zu streben und stellten die alten, geistlichen wie weltlichen Autoritäten in Frage. Geistliche und geistige, wirtschaftliche und soziale Emanzipation ergänzten und verstärkten einander auf diese Weise in den Städten. Die Bauern der Dörfer, zumindest die wohlhabende Oberschicht, hatte am Rande durchaus Anteil an dieser Entwicklung. Ihr sozialer Aufstieg führte sie in großer Zahl in die Stadt. Nicht nur der Bürger, auch der Bauer begann, den Geistlichen, der als Herr auftrat, viel forderte und wenig gab, kritisch zu sehen. Wie selbstverständlich übernahmen die Bauern wenig später, auch in den Dörfern Westungarns, die vielen religiösen Stiftungen, verwalteten sie selbst, wandelten sie in soziale Stiftungen um, sprachen sie in Angelegenheiten der Lehre mit, gründeten sie Schulen und nahmen - geradezu revolutionär - das Recht auf die freie Wahl ihrer Pfarrer in Anspruch. Der Boden war also auch in Westungarn für die neuen Lehren der Reformatoren bereitet.

Die Lehren Luthers finden in kürzester Zeit, wenige Jahre nach dem Thesenanschlag, auch in Ungarn Verbreitung. Besonders in den deutschen Städten West- und Oberungarns sowie Siebenbürgens, in denen ja auch die Sprachbarriere wegfiel, wurden sie, von Kaufleuten und Studenten vermittelt, so rasch aufgenommen, dass man ein hohes Maß an Bereitschaft und Aufgeschlossenheit annehmen kann. Zwar gab es auch am ungarischen Hof Ludwigs II. und dessen habsburgischen Gemahlin Maria lutherische Einflüsse, doch waren diese weniger maßgebend.

Die ältesten Zeugnisse vom Auftreten lutherischer Prediger stammen aus den deutschen Bergstädten Oberungarns, aus Leutschau und Kremnitz, und aus Ödenburg. Die scharfe Ablehnung, die die Stände zunächst erkennen ließen und die zu ersten Verfolgungsmaßnahmen führte, war eher politisch motiviert und richtete sich gegen den deutschen Einfluss am Hof. Es wurden scharfe Landtagsbeschlüsse gegen die Lutheraner gefasst, der Tod durch das Feuer für sie beschlossen. Die ersten evangelischen Pfarrer Ofens wurden jahrelang eingekerkert, gelegentlich kam es auch zu Verbrennungen. So wurde etwa in Neusiedl bei Güssing ein Buchhändler gefasst, der angeblich zusammen mit seinen lutherischen Schriften dem Feuer übergeben wurde - eine Nachricht, die man allerdings auch anders interpretieren kann. Bald aber ließ die Intensität dieser Verfolgungen nach. Die Forderungen der aufständischen Bergarbeiter in Oberungarn 1525/26 ließen bereits deutlich den Einfluss der Reformation erkennen. Nach der verheerenden Niederlage bei Mohacs dürfte sich die Gesamtsituation geändert haben. Es fehlte nicht nur die Zentralgewalt, die Erzbischöfe und Bischöfe, es scheint, als ob man die Schuld für die Niederlage auch im Verfall der alten Kirche gesucht hätte und in der neuen, reformatorischen Gläubigkeit wieder Hoffnung in dieser Bedrohungssituation gefunden wurde. Nach Mohacs findet jedenfalls die reformatorische Lehre in wenigen Jahren über ganz Ungarn Verbreitung. In der Schlacht von Mohacs war auch der Raaber Bischof gefallen, sein Amt blieb jahrelang unbesetzt. Viele Priester waren während des Türkenzuges 1529 ums Leben gekommen oder geflohen bzw. kehrten in die zerstörten und verarmten Dörfer nicht mehr zurück. Auch viele Klöster hörten zu bestehen auf. So flohen etwa die Eisenstädter Franziskaner. Als sie nach längerer Zeit zurückkehren wollten, war es zu spät: Die Stadt verweigerte ihnen die Aufnahme.

Ende des 16.Jahrhunderts ist die "alte Kirche" in allen Teilen Ungarns nahezu verschwunden. Schon sehr früh finden sich auch Studenten deutsch - ungarischer Herkunft in Wittenberg, und zwar im Jahre 1520. Bis 1530 stieg ihre Zahl auf acht an. 1529/30 befand sich unter ihnen auch der Neusiedler Andreas Dax, der von der Habsburgerkönigin Maria unterstützt wurde. Diese Studenten waren keineswegs nur Söhne von Adeligen auf ihrer üblichen Kavalierstour, die mit Studium nicht viel zu tun hatte, sondern Bürgersöhne, die durch die geistige Autorität Wittenbergs angelockt wurden. Ihren Unterhalt sicherten später, als ein Studium an ungarischen und österreichischen Universitäten für Evangelische nicht mehr möglich war, Studienstiftungen der Bürger.

Bücher reformatorischen Inhalts, die um 1520 gedruckt wurden, gelangten nach Westungarn und landeten später in die Franziskanerbibliothek in Güssing, die heute über eine der vollständigsten Büchersammlungen aus der Reformationszeit verfügt. Der frühe Einfluss der lutherischen Lehren in unserem Raum ist nicht auf das Wirken einzelner Persönlichkeiten zurückzuführen. Es waren anscheinend viel mehr Kaufleute, die die Flugblätter und Bücher nach Westungarn brachten. Das Interesse an diesen Schriften, die Bereitschaft, dem Vorbild derjenigen Städte zu folgen, die bereits religiöse Reformen durchführten, war aber auch in den Städten unseres Raumes groß. Das zeigen insbesondere die Vorfälle des Jahres 1524 in Ödenburg. Ein Franziskanermönch hatte dort schon 1521 im lutherischen Sinn gepredigt . König Ludwig II. ordnete daraufhin eine Untersuchung durch das Stadtgericht an. Es kam zu keiner Verurteilung, ja die Stadt stellte sich anscheinend auf die Seite des Mönches. Der katholische Stadtpfarrer Peck berichtete, dass die Ödenburger lutherische Bücher massenweise kauften und sie dann gemeinsam, in kleinen Gruppen, in den Schenkhäusern besprachen. Es kam zwar zur Verbrennung lutherischer Bücher, die Einflüsse der Reformideen dürften aber in den maßgeblichen Bürgerkreisen weitergewirkt haben, denn um die Mitte des 16. Jahrhunderts waren bereits einige Ratsherren und Prediger der Stadt evangelisch. 1557 wurde eine evangelische Schule geschaffen und 1565 mit Simon Gerengel, dem "Reformator Ödenburgs", die Abgrenzung zur alten Kirche vollzogen. Ab etwa 1530 begannen auch viele adelige Grundherrn, sich der Reformation anzuschließen und auf die dementsprechende Besetzung der Pfarrstellen Einfluss zu nehmen. 

Bis etwa 1550 und in vielen Gemeinden auch noch später waren die Grenzen zwischen "noch katholisch", "schon evangelisch" oder auch "wieder katholisch" fließend und vermutlich für die Gläubigen auch nicht von der Bedeutung, wie wir heute anzunehmen geneigt sind. Die Konfessionalisierung setzte erst um 1550 ein. Maßgebend war dabei im nördlichen Teil des heutigen Burgenlandes das Luthertum. In der Zeit nach 1570 wirkten hier zahlreiche Flacianer, also besonders konfessionsbewusste Lutheraner. Zur Abgrenzungen trugen auch die beiden Katechismen bei, der des Johann Hauser und der des Simon Gerengel.  Gerengel schuf in Ödenburg eine eine evangelische Kirchenordnung und einen Katechismus.  Die Stadt begann, auch in ihren Dörfern evangelische Prediger anzustellen und setzte 1576 mit Caspar Dragonus auch einen kroatischen Prediger ein. Zwei Jahrzehnte reichten, um die reformatorischen Überzeugungen derartig zu verfestigen, dass sie die Zeit des Verbots und der Verfolgung von 1584 bis 1606, in der es keine evangelischen Prediger in der Stadt gab, zu überstehen. 1599 etwa beklagte sich der katholische Stadtpfarrer Villanus über diese "Hartnäckigkeit" der Ödenburger Bürger. Es war also keineswegs nur der Wille der Obrigkeit , der über die konfessionelle Zugehörigkeit entschied. Eine ähnliche Entwicklung nahmen auch die Städte Güns und Pressburg.

Außerhalb der Städte, in den Herrschaften und Dörfern, hat aber neben dem Wirken des jeweiligen Pfarrers und den Einflüssen, die von den religiösen Zentren ausgingen, die konfessionelle Zugehörigkeit des Grundherren oder Pfandherren eine wichtige Rolle gespielt. Grund- und Pfandherren aber begannen in der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts, sich verstärkt  den evangelischen Richtungen zuzuwenden - in einer Zeit, in der neben den Städten auch nahezu der gesamte Adel Österreichs, der Steiermark und Ungarns evangelisch war, nicht weiter verwunderlich. Vereinzelt nutzten die Grundherrn den Niedergang der alten Kirche auch, um sich deren Rechte und Besitzungen anzueignen. So hoben die Fürst in Eisenstadt den Kirchenzehent, der dem Raaber Bischof zustand, ein.

Die Grund- und Pfandherren waren mit wenigen Ausnahmen evangelisch: Die Herren von Puchheim in Kittsee, Maria von Habsburg und ihre Burghauptleute Ulrich Eitzinger und Erasmus Braun in der Herrschaft Ungarisch Altenburg. Selbst in der Stiftsherrschaft Heiligenkreuz und in Weiden, das dem Raaber Domkapitel unterstand, fand die neue Lehre Eingang, ein Beweis dafür, dass es keineswegs nur die Grundherren waren. In der Herrschaft Eisenstadt waren die Pfandherren Ernst v. Fürst (1527-31) und besonders Moritz von Fürst (1531-47) Förderer des Protestantismus. Es folgte Hans von Weißpriach (1547-71), einer der eifrigsten Unterstützer der neuen Lehre, der den Pfarrer Georg Eckel (Egger) nach Eisenstadt berief. Auch Seyfried von Kollonitsch (1572-1599) unterstützte - so weit es noch möglich war - in der beginnenden Gegenreformation die Evangelischen. Auch in der Herrschaft Forchtenstein war Hans v. Weißpriach tätig, ebenso in Kobersdorf. Die Herrschaft Hornstein war hingegen immer "katholisch", was aber nicht verhinderte, dass etwa die Gemeinde Pöttelsdorf evangelisch wurde. Landsee-Lackenbach kam 1533 an Nikolaus Olah, den Fürstprimas von Ungarn, doch selbst die Schwester dieses katholischen Kirchenfürsten war Lutheranerin. Lockenhaus, Deutschreutz und Nikitsch waren Nadasdy - Herrschaften. Thomas Nadasdy war einer der eifrigsten Anhänger der Reformation, in seiner Residenz Sárvár wirkten zwei der bedeutendsten Persönlichkeiten des ungarischen Protestantismus, Matthias Biro und Johann Sylvester. 1541 erschien Sylvesters Übersetzung des Neuen Testaments in ungarischer Sprache. Er verfasste außerdem die erste Grammatik der ungarischen Sprache. Von 1544 bis 1551, dem Erscheinen der Jesuiten, wirkte er an der Wiener Universität. Nadasdy versuchte 1591 in der Synode von Tschapring (Csepreg), die Spaltung in Lutheraner und Kalvinisten zu überwinden. In Deutschkreutz, das für einige Zeit ein bedeutendes Zentrum des Protestantismus war, wirkte ab 1598 der evangelische Buchdrucker Hans Manlius (Mannel). Die Herrschaft Bernstein gehörte den Königsberg, einer der führenden evangelischen Familien Österreichs. In der Herrschaft Bernstein wirkten besonders profilierte Pfarrerpersönlichkeiten wie etwa Jonas Frank in Bernstein selbst, Jeremias Dissinger in Pinkafeld, Alexius Puckler in Oberschützen, Michael Kern in Mariasdorf.

Die Konfessionsbildung, die Abgrenzung zwischen Lutheranern und Kalvinisten, fand in Westungarn verhältnismäßig spät statt. Zunächst unterstanden alle evangelischen Gemeinden in Transdanubien dem in Güssing als Hofprediger wirkenden Stephan Beythe als Superintendent. 1582 erschien der eindeutig "reformiert", also kalvinistisch ausgerichtete Katechismus des Stephan Beythe. 1591 fanden die ergebnislosen Einigungsgespräche in Tschapring statt. Damit setzte sich die konfessionelle Aufspaltung des Kirchendistrikts fort. 1595 beschloss eine Synode in Meszlen unter Beteiligung des Grafen Nadasdy eine Bekenntnisformel (Konkordie) die eindeutig lutherisch war. Sie wurde von 660 Predigern unterschrieben. Von ihnen stammten etwa 50 vom Gebiet des heutigen Burgenlandes. Damit war die Trennung vollzogen, auch wenn Beythe weiterhin nominell gemeinsamer Superintendent blieb. Erst nach seinem Tod kam es zur Wahl getrennter Superintendenten. Im Herrschaftsbereich der Batthyany im Südburgenland regte sich ebenfalls Widerstand gegen den Kalvinismus, der 1621 auf der Synode zu Körmend unter der Führung Wolfgang Langs, Prediger in Rechnitz, zum Ausdruck kam. Lang war ab 1624 Senior.

Von den evangelischen Predigern wiesen 1522 - 1610  nicht alle  (nur 18 %) Universitätsstudien auf, vor allem die aus dem Reich stammenden Prediger und die Glaubensflüchtlinge aus Innerösterreich.Aber auch die westungarischen Gymnasien  (Tschapring, Deutschkreutz, Güssing ...) sowie die Stiftsschule in Graz vermittelten eine entsprechend solide Ausbildung.Beliebteste Studienorte waren Wittenberg und Tübingen, weniger Wien und die italienischen Universitäten. Aus Ödenburg etwa sind 77 Studenten bekannt, die zwischen 1676 bis 1800 die Universität Wittenberg besuchten. Die ersten, Michael Wirth, Jacob Ratt, Johann Schreiner und Karl Rosenkrantz waren Studenten Philipp Melanchthons. Die meisten Geistlichen stammten im 16. Jahrhundert aus Westungarn (210 von 300), 44 aus dem Deutschen Reich, 17 aus den österreichischen Erbländern. 45 % von ihnen waren Deutsche, 40 % Ungarn und 10 % Slawen. Ein Teil der Pfarrer wurde in Wittenberg ordiniert, die meisten aber auf den einheimischen Synoden.

Die übrigen südburgenländischen Herrschaften (Güssing, Rechnitz, Schlaining) gehörten den Batthyany, die zwar erst 1569 offen protestantisch wurden, aber auch schon früher evangelische Prediger anstellten. Balthasar Batthyany vereinigte nach dem Tod seines Großonkels Franz 1566 und seines Vaters Christoph 1570 die Herrschaften seiner Familie und bemühte sich, überall evangelische Pfarrer einzusetzen. In den deutschsprachigen Pfarren wurden Geistliche aus den österreichischen Ländern, aber auch aus anderen Gebieten des römisch - deutschen Reiches angestellt. Sie kamen oft über Vermittlung Ödenburgs oder Wiens in die Batthyany - Herrschaften. Es gab genügend hervorragende Pfarrer, da damals viele Flacianer, Anhänger des in Magdeburg wirkenden Matthias Vlassich (Flacius Illyricus) - aus Sachsen und Thüringen verdrängt - nach Österreich und Ungarn kamen. Am Hof der Batthyany in Güssing wirkten ungarische Pfarrer, in die kroatischen Gemeinden wurden zum Teil Ungarn, zum Teil auch Südslawen berufen. An der Spitze der kirchlichen Organisation in den Batthyany - Herrschaften stand der Hofprediger Stefan Beythe, der 1585 zum Superintendenten eingesetzt wurde. Auch Synoden wurden abgehalten. In den letzten Lebensjahren Balthasar Bátthyanys gab es bereits Spannungen zwischen den deutschen lutherischen Pfarrern und den ungarischen, die mehr der reformierten Richtung zuneigten. Das 1591 von Paul Nádasdy nach Tschapring (Csepreg) einberufene Religionsgespräch brachte keine Einigung. 1595 legte Beythe sein Amt nieder, ein Nachfolger wurde aber bis zu seinem Tod 1612 nicht eingesetzt. Die Spannungen bestanden weiter, den offenen Bruch verhinderten jedoch Franz II. Bathyány und seine Frau Eva Poppel. Den evangelischen Batthyany - Herrschaften kam als Zufluchtsstätte für die bedrängten Evangelischen der Steiermark und Kärntens enorme Bedeutung zu. 1598 begann Erzherzog Ferdinand, der spätere Kaiser Ferdinand II., in Innerösterreich mit der Vertreibung der evangelischen Pfarrer und Lehrer. Sie und evangelische Adelige, vermutlich auch Bauern, fanden in Westungarn Zuflucht und mussten untergebracht werden. Es folgte die Vertreibung aus den böhmischen Ländern nach der Schlacht am Weißen Berg und ab 1627 auch aus Ober- und Niederösterreich. Die "Exulanten" fanden Zuflucht in Rechnitz, Stadtschlaining, Deutschkaltenbrunn, Pinkafeld, Jormannsdorf, Pilgersdorf, Lockenhaus, Kittsee, Ödenburg ...Steirische Adelige unterhielten jenseits der Grenze evangelische Pfarrer, zu denen sie "ausliefen". Eine besonders eifrige Förderin der evangelischen Religion war Eva Poppel, die nach dem Tod von Franz Batthyány bis zur Großjährigkeit ihres Sohnes Adam die Herrschaften verwaltete. 1630 trat Adam Batthyány zum Katholizismus über, zunächst ohne Folgen. Erst 1634 erließ er unter dem Einfluss der Jesuiten eine Anordnung über die Vertreibung der evangelischen Pfarrer und Lehrer. Sehr konsequent wurde diese aber nicht durchgeführt, Bis zu ihrem Tod 1640 hatte Eva Poppel noch großen Einfluss und auch die evangelischen deutschen Adeligen blieben, Sie hatten zum Teil Batthyány Geld geborgt, bekamen Dörfer verpfändet und standen zum Teil auch in seinem Dienst. Sie behielten ihre evangelischen Pfarrer. 1644 erwarb Adam Batthyány die Herrschaft Bernstein von den Königsberg mit einer überwiegend evangelischen Bevölkerung. Nach außen hin gab sich Adam Batthyány sehr katholisch, im vertrauten Kreis gab er zu, dass er sich um die Religionsangelegenheiten nicht kümmere. So wurde die Rekatholisierung der Batthyány - Herrschaften nie abgeschlossen.

Die Herrschaft Neuhaus am Klausenbach war unter der Herrschaft der Poppel- Lobkowitz ebenfalls evangelisch. Auch die Inhaber der Herrschaft Eberau, die Zrinyi, haben durch Aufhebung des Klosters ihre evangelische Einstellung bekundet.  In den Herrschaften der Batthyány fand der Kalvinismus Eingang. Die Frauen der Familie waren lutherisch, die Männer reformiert. Zunächst wurde versucht, die Standpunkte zu überbrücken, auch noch nach dem Religionsgespräch von Tschapring 1591. Nach dem Tod des Stephan Beythe wurde die Organisation reformierter Pfarren gefördert. Die Bevölkerung allerdings blieb lutherisch, abgesehen von Oberwart. Eine wichtige Rolle spielte dabei der Rechnitzer Pfarrer Wolfgang Lang (1623-34). Die Grundherrn haben ihre Patronats- und Kirchenvogteirechte benützt, um Pfarrer nach ihren Vorstellungen einzusetzen. Das Pfarrnetz wurde dabei nicht verändert. In einigen Fällen bestimmten auch die Gemeinden bei der Anstellung von Pfarrern und bei der Verwendung des Kirchenvermögens und der Stiftungen mit. Zu einer übergreifenden evangelischen Kirchenorganisation kam es zunächst nur im Bereich der Batthyány - Herrschaften, die ein Seniorat bildeten. Erst später setzte sich eine flächendeckende Senioratsgliederung durch. In den Senioraten fanden Predigersynoden statt. Nach 1650 kam es zur Visitation der evangelischen Institutionen durch den zuständigen Superintendenten.

In der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts waren also tatsächlich nahezu alle westungarisch - burgenländische Herrschaften in der Hand evangelischer Grundherren. Der Norden des Landes wurde weit früher erfasst (1550- 1582), dort begann aber auch die Gegenreformation viel früher einzusetzen. Der Süden folgte dieser Entwicklungstendenz mit einer Verzögerung von etwa einem halben Jahrhundert (1580 -1640).Im Verlauf des 17.Jahrhunderts wurden dann alle Grundherren katholisch.

Von den bekannten evangelischen Pfarrern stammten 14 aus Westungarn, 13 aus Kroatien und Krain, 17 aus Österreich und 8 aus den böhmischen Ländern. 46 Pfarrer kamen aus den übrigen deutschen Territorien des Reiches, davon 19 aus Thüringen. Von 120 weiteren Pfarrern ist der Geburtsort nicht feststellbar, sie trugen aber überwiegend deutsche Familiennamen. Auch die aus Westungarn stammenden Pfarrer hatten zumeist an den deutschen Universitäten studiert.

Eine nicht ausreichend geklärte Frage ist die nach der Existenz von evangelischen Schulen. Schulmeister werden häufig erwähnt und übernahmen in der Gegenreformation nicht selten die Funktion des vertriebenen Pfarrers. Ob diese Dorfschulen kontinuierlich bestanden ist oft nicht festzustellen bzw. beweisbar.  Höhere Schulen gab es in den Städten (Gymnasien in Ödenburg, Pressburg) und in Güssing.

Die rechtliche Situation der Evangelischen blieb lange ungeklärt, vor allem in den an die niederösterreichische Kammer verpfändeten Herrschaften. Das spielte zunächst keine Rolle, da seit 1608 die ungarischen Stände ein ius reformandi hatten und die niederösterreichischen Stände seit 1609 ein entsprechendes Privileg inne hatten. Auch öffentliche Ämter konnten von den Protestanten ausgeübt werden. Im Landtagsbeschluss von 1647, Artikel VI, wurden Orte aufgezählt, in denen den Evangelischen ihre Kirchen zurückgegeben werden sollten (Nickelsdorf, Dt. Jahrndorf, Zurndorf, Hannersdorf, Kitzladen, Riedlingsdorf, Neusiedl, Kukmirn, Wolfau).

Einen tiefen Einschnitt in der Rechtsposition brachten dann die Maßnahmen Leopolds I. nach der so genannten Magnatenverschwörung von 1671. Es folgte das "Trauerjahrzehnt" der Evangelischen. Der Landtag von 1681 sicherte den Evangelischen ihr Recht auf ihr Bekenntnis zu, solange es der Grundherr duldete. Die Errichtung von Kirchen wurde aber nur an wenigen Orten erlaubt: die kalvinistische Kirche in Oberwart und die lutherischen Kirchen in Nemeskér und Vadosfalva im Ödenburger Komitat sowie von Nemes Csó und Dömölk im Eisenburger Komitat.

Zusammenfassend kann man sagen, dass im Norden des heutigen Burgenlandes bis etwa 1600, im Süden bis 1630 ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung evangelisch war.

Schon früh gab es Versuche, auch die neu angesiedelten Kroaten für den evangelischen Glauben zu gewinnen, allerdings ohne große Erfolge. Ob die Privilegien der Kroaten und hier wiederum das  (nicht beweisbare) Recht auf freie Pfarrerwahl oder vielmehr doch die Sprachbarriere entscheidend waren ist nicht zu klären. Durch Verbindung zu Hans Ungnad von Sonneck und dessen Uracher Druckerei, wo protestantische Schriften in die südslawischen Sprachen übersetzt wurden, versuchte man, entsprechende Bücher zur Verfügung zu stellen. Besonders groß waren die Bemühungen in der Stadtherrschaft Ödenburg und in der Herrschaft Eisenstadt, wo der Kroate Stephan Consul als Prediger tätig war. Die beiden kroatischen Gesangbücher des Gregor Mekinic wurden in Deutschkreutz gedruckt. Am ehesten hatten diese Bemühungen noch Erfolg, wo Deutsche und Kroaten zusammenlebten. 1663 etwa wünschten die Hannersdorfer noch evangelische Gottesdienste in kroatischer Sprache.

Im 17.Jh. wurde Westungarn - Burgenland während der schweren Verfolgungen in Österreich, in der Steiermark und in Kärnten zur Zeit Ferdinands II. zu einer Zufluchtstätte für viele verfolgte Evangelische. Die meisten Glaubensflüchtlinge, hunderte adelige Familien und hunderttausende Bürger und Bauern, emigrierten in die evangelischen Gebiete des Reiches. Eine Reihe von österreichischen Adeligen erwarb Häuser in Ödenburg, Pressburg, Güns oder Freihöfe im heutigen Nordburgenland.

In Ungarn hatte der Adel noch persönliche Religionsfreiheit. Evangelische Adelsfamilien wurden etwa in Kittsee, Lockenhaus, Pilgersdorf, Schlaining, Pinkafeld, Jormannsdorf, Deutsch Kaltenbrunn.... ansässig und trugen viel zum Überleben des Protestantismus im Südburgenland bei. Im Nordburgenland wurden diese evangelischen Adelsfamilien in den 1620er Jahren von den Esterhazy enteignet und vertrieben. Im Südburgenland konnten sie sich halten. Dorthin emigrierten ab etwa 1600 auch zahlreiche Glaubensflüchtlinge aus der Steiermark und aus Kärnten.

Ein besonderer Aspekt der westungarisch- burgenländischen Religionsgeschichte ist die Ansiedlung wiedertäuferischer "Habaner", auch "böhmische Brüder" oder "brüderische Handwerksleut" genannt. Diese in ganz Europa schwer verfolgten Wiedertäufer hatten zunächst in Mähren Zuflucht gefunden und dort blühende Gemeinwesen geschaffen. 1620 wurden sie aus Mähren vertrieben und zum Teil von ungarischen Magnaten wie den Esterhazy, Nadasdy und Batthyany aufgenommen. Die Wiedertäufer lebten in gemeinschaftlich geführten "Haushaben" (davon die Bezeichnung Habaner) oder "Bruderhöfen". Solche Bruderhöfe gab es in Mattersburg, Kobersdorf und Güssing. Sie waren außerordentlich tüchtige Handwerker, Zimmerleute, Müller, Hafner. Das war auch der Grund, warum sie aufgenommen wurden. "Brüderisches Geschirr" von hoher Qualität gab es im 17. und 18.Jh. in vielen Haushalten. Es scheint, dass das Töpferhandwerk etwa in Stoob und Oberpetersdorf stark von den Habanern geprägt wurde.

Evangelische Pfarrer

In 70 der damals bestehenden etwa 95 Pfarren gab es wenigstens einmal, zumeist aber auch durch einige Zeit hindurch evangelische Geistliche. Die Verhältnisse waren aber nach Regionen unterschiedlich. Im Gebiet des heutigen Nordburgenland wurden bereits 1582 - 85 viele evangelische Prediger "abgeschafft" - 15 Pfarren hatten keinen evangelischen Pfarrer, in 12 Pfarren sind bis 1600 solche nachweisbar. Im nördlichen Teil des Komitates Ödenburg waren 18 von 33 Pfarren mit Lutheranern besetzt. Es gab aber auch in Orten, die keine Pfarren waren, lutherische Prediger. Im südlichen Teil des Komitates waren 16 von 22 Pfarren evangelisch. Größer war der Anteil der evangelischen Pfarrer im heute burgenländischen Teil des Komitates Eisenburg: In 23 von 26 Pfarren und an weiteren 15 Orten.

Nach: Gustav Reingrabner, Reformation und gegenreformation im westungarisch-burgenländischen Raum (Bgld. Heimatblätter  2006, Heft 1)

Angegeben sind jeweils die erste und die letzte Nennung eines Predigers

  • Andau 1659 (Filiale)
  • Apetlon 1570-1659
  • Bad Tatzmannsdorf 1644 - 1663
  • (Baumgarten i. B.) 1575
  • Bernstein 1580-1627
  • Bocksdorf 1590-1651
  • Breitenbrunn 1570-1582
  • Burg 1574-1661
  • Deutsch Jahrndorf 1647-1659
  • Deutsch Kaltenbrunn 1586-1665
  • Deutschkreutz 1584-1643
  • Donnerskirchen 1570-1582
  • Draßmarkt 1579-1610
  • Drumling 1628-ca. 1663
  • Dürnbach 1618-1629
  • Eisenstadt 1556-1582
  • Forchtenau  1580-1582
  • Gerersdorf    1616-1623
  • Goberling    vor 1634
  • Gols  1579-1663
  • Großhöflein   1548-1582
  • Großpetersdorf   1571 -1644
  • Güssing   1576-1634
  • Hannersdorf 1616-1661
  • Heiligenbrunn  1618-1628
  • Heiligenkreuz 1596-1646
  • Illmitz  1580-1660
  • Inzenhof  (?)
  • Jois  1574-1582
  • Jormannsdorf  1576-1624
  • Kalkgruben  1661 (Filiale)
  • Kemeten  1580-1660
  • Kittsee  1580-1660
  • Kitzladen  1608-1660
  • Kleinhöflein  1551 -1583
  • Kobersdorf  1589-1661
  • Königsdorf  1653-1671
  • Kukmirn  1613-1667
  • Lackenbach  1594-(?)
  • Landsee  1601-1610
  • Lockenhaus 1596-1661
  • Loipersbach  1550-1673
  • Lutzmannsburg  1579-1674
  • Mariasdorf  1580-1581
  • Markt Neuhodis  1619-1625
  • Markt St. Martin  vor 1637
  • März  vor 1637
  • Mattersburg  um 1580
  • Mitterpullendorf  1586-1603
  • Mogersdorf
  • Mörbisch  1579-1674
  • Neckenmarkt 1584-1620
  • Neuhaus a. Klb. 1608-1661
  • Neumarkt a.d.R. 1614-1628
  • Neusiedl a. S. 1564-1624
  • Nickelsdorf 1659-1663 (Filiale)
  • Oberpetersdorf 1616-1672
  • Oberschützen  1565-1627
  • Oberwart (H.B.)  1618 - heute
  • Oggau  1570-1582
  • Pamhagen  1565-1660
  • Pilgersdorf 1596-1661
  • Pinkafeld   1576-1632
  • Piringsdorf 1652-1661
  • Pötteisdorf 1666
  • Purbach  1570-1582
  • Rattersdorf  1639-1659
  • Rechnitz  ? 1569, jedenfalls 1573 - 1661
    (deutsche und kroatisch-ungarische Pfarre)
  • Ritzing  1595-1600
  • Rosendorf  vor 1634
  • Rust a. S.  1571 -1674
  • Schachendorf  1618-1619
  • Schandorf   1574/75-1658
  • Schattendorf  1641 -1661
  • Schützen a. G.  1569-1588
  • St. Georgen   1551 -1582
  • St. Margarethen  1587
  • St. Martin a. d. R.  1593-1661
  • St. Michael i. B.  1616-1673
  • Sieggraben   1583-1597
  • Stadtschlaining  1570-1634 (-1642)
  • Stegersbach   1593 (1616)-1629
  • Steinberg  1591 -1660
  • Stoob  1617-1671
  • Strem  1629
  • Sziget  1651 -ca. 1700
  • Tadten   1596-1663
  • Unterpullendorf   vor 1637
  • Unterrabnitz   1569 - (?)
  • Unterschützen   vor 1634
  • Wallern   1652-1660 (Filiale)
  • Walbersdorf 1637-1662
  • Weppersdorf 1564 -1657
  • Zahling 1586 - 1650
  • Zurndorf 1640 - 1663
  • Wolfau 1604 -1698 

 

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Quellen

  • Die neueste zusammenfassende Darstellung von Reingrabner,Gustav in : Ein Christenherz auf Rosen geht ...500 Jahre Reformation im Burgenland. Ausstellungskatalog Eisenstadt Landesmuseum. 2017

  •  

    Rittsteuer Josef, Kirche im Grenzraum.Eisenstadt 1968

    Reingrabner Gustav: Das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich. Eisenstadt 1979

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    Evangelisch im Burgenland. 200 Jahre Toleranzpatent. Ausstellungskatalog. Oberschützen 1981

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    Reingrabner, Gustav:Faktoren der Konfessionsbildung im westungarischen Raum In: Reformation und Gegenreformation im pannonischen Raum. 13. und 14. Schlininger Gespräche.1993 und 1994. Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland 102

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    Fiedler, Karl:Pfarrer, Lehrer und Förderer der evangelischen Kirche im Burgenland.Eisenstadt 1959

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    Prickler, Harald:: Neue Namen zur burgenländischen Kirchengeschichte des 16. Jahrhunderts. Burgenländische Heimatblätter Nr 23, 28, 34 und 59.

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    Müller, Mathias: Geschichte des evangelischen Gymnasiums in Ödenburg. Ödenburg 1857.

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    Ecclesia semper Reformanda. Die protestantische Kirche im pannonischen Raum seit der Reformation. Teil I und II. Schlaininger Gespräche 2016 und 2017. Tagungsbände

                 

 

 
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