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Johann Reinhard Bünker

 

 

Die Familie Bünker stammt aus der Schweiz. 1844 wurde sein Vater, ein Färbermeister, von einem Fabrikanten in eine Rotfärberei in das Kärntner Seebach geholt. Die Familie war evangelisch und stellte bis in die Gegenwart bedeutende Persönlichkeiten, etwa den Dichter und Pfarrer Otto Bünker (1916 - 2001), den Dichter Bernhard C.Bünker (1948 – 2010) und den Theologen Michael Bünker, der Bischof der evangelischen Kirche in Österreich war.

Johann Reinhard Bünker war das vierte von fünf Kindern des Jakob und der Elisabeth Bünker. In Unterhaus ober Seeboden wurde er evangelisch getauft. Er besuchte die evangelische Volksschulen in Unterhaus und in Spital an der Drau. 1876 bis 1881 besuchte er die evangelische Lehrerbildungsanstalt in Oberschützen, wo er das Lehrerdiplom erwarb. Er war als Erzieher - 1884 bis 1891 bei der Ödenburger Familie Lenk - und ab 1890 als Lehrer in Ödenburg tätig. 1891 absolvierte er einen Handfertigungskurs für den Werkunterricht in Leipzig. 1891 heiratete er die aus Saarbrücken stammende Schweizer Staatsbürgerin Josefine Möhle. Sein Sohn Waldemar ergriff die Offizierslafbahn und war im Ersten Weltkrieg Oberleutnant der Artillerie. Er starb relativ jung. Ab 1892 war er Zeichenlehrer am k.u.k Offizierstöchter–Erziehungs–Insitut in Ödenburg. Er war im Allgemeinen Lehrerverein Ödenburgs und in der Kirchenverwaltung tätig.

Schon 1901 wurde er Oberkustos des Museums der Stadt und des Komitates Ödenburg. Bis 1914 leitete er das Museum. „Ohne akademische Studien gemacht zu haben, ist er durch Forscherdrang, eisernen Fleiß und Wahrheitsliebe ein echter Mann der Wissenschaft geworden“. Er erhielt große Anerkennung und Würdigung seiner Arbeiten. Er wurde Ehrenmitglied der anthropologischen Gesellschaft und war Ausschussmitglied der ungarischen ethographischen Gesellschaft. Er wurde zum ersten volkskundlichen Erforscher des „Heanzenlandes“, also Deutschwestungarns und galt bald als einer der bedeutendsten Volkskundler des süostdeutschen Raumes. Seine Forschungen erstreckten sich auch auf Kärnten und Slowenien. Wichtig waren seine Bauernhausforschungen. Für das heutige Burgenland sind vor allem seine Sammlungen der Volksdichtung von überragender Bedeutung.

Seine literarischen und wissenschaftlichen Arbeiten sind überaus umfangreich. Er publizierte in der Oberwarter Sonntagszeitung, in der Zeitschrift Volksschule, in der deutschen Lehrerzeitung, in der Ödenburger Rundschau und in der Ödenburger Zeitung, im Pester Lloyd, in den Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien und in den Ethnologischen Mitteilungen aus Ungarn. 1893 schrieb er ein Buch über die „Entwicklungsgeschichte des Handfertigungsunterrichts, dessen gegenwärtiger Zustand und seine Ziele“.

Von großer Bedeutung für die burgenländische Volkskunde war Bünkers Bauernhausforschung. Die Texte zu diesen Forschungen in den Mitteilungen der Österreichischen Anthropologischen Gesellschaft wurden mit genauen Zeichnungen illustriert, die zum Teil von ihm selbst angefertigt wurden.

In seiner ersten Arbeit von 1894 / 1895 Typen von Bauernhäusern im Gebiet von Ödenburg in Ungarn“ beschäftigt er sich mit Bauernhäusern der Deutschen in Westungarn (Heanzen) aus der Gegend von Ödenburg., in Wandord, Agendorf, Loipersbach , Klingenbach, Mörbisch, Wolfs, Kohlenhof und Harkau. Wie in späteren Arbeiten beginnt er mit der Darstellung von Feldern, Fluren und Liegenschaften. Dabei geht er über die rein deskriptive Schilderung der Bausubstanz weit hinaus. Er berücksichtigt die sozialen Strukturen (Bauern, Hoffstattler mit wenig Grund, die Kleinhäusler oder Söldner und die Neuhäusler).

1895 folgte die umfangreiche Arbeit „Die Bauernhäuser in der Heanzerei“, in der er die Forschungsergebnisse einer Reise zu Oster 1894 verarbeitete. 1897 beschreibt er Häuser in der östlichen Mittelsteiermark und Stams im Oberinntale in Tirol . 1899 folgten Bauernhäuser der Siebenbürger Sachsen, 1900 die Typen von Dorffluren an der Grenze von Niederösterreich, Ungarn und Steiermark, 1902 Bauernhäuser vom Millstätter See (Seeboden, Treffling, Tangern, Radl). Weitere Publikationen folgtrn über die Hafneröfen in Stoob(1903), das Székler - Haus(1904), die slowenischen Fluren und Bauernhäuser im Gailtal(1905), die polnischen Häuser und Fluren aus der Gegend von Zakopane und Neumarkt in Galizien. (1907), die Dorffluren und Bauernhäuser im Lungau (1909) und der Gegend von Köflach in der Steiermark (1909). 1908 schrieb er über westungarische Vorhallenhäuser. 1911 über Osttirol. Seine letzten Veröffentlichungen von 1913 beschäftigen sich mit Dorffluren und Bauernhäuser der Gegend von Murau und 1914 mit der Gegend von Lienz, kurz vor seinem Tod mit den Bauernhäusern in der Gottschee. Die Bauernhausforschung betrieb er also bis kurz vor seinem Tod. 1906 erschien in Dresden das großangelegte Werk „Das Bauernhaus in Österreich – Ungarn und in seinen Grenzgebieten“.

Ein weiteres für das Burgenland äußerst wichtiges Forschungsgebiet von Bünker war die Dokumentation von Brauchtum und Volksdichtung. Ab 1893 begann Bünker mit seinen Aufzeichnungen, anfangs mit Kleindichtung wie Kinderreime und Sprichwörter aus dem Munde der von ihm unterrichteten Schüler in Ödenburg.

1909 veröffentlichte Bünker 106 volkstümliche Liedtexte in heanzischer Mundart aus den Orten Bernstein, Harkau, Kemeten, Ödenburg und Weppersdorf. 1906 erschienen 113 Schwänke, Sagen und Märchen in heanzischer Mundart. Die phonetisch genaue Wiedergabe mit Interpunktionen und Lautzeichen der Ui-Mundart war aber für mit dem Dialekt nicht vertraute Leser schwer lesbar. Überlieferer der Geschichten war der 1831 geborene Ödenburger Tobias Kern, ein Straßenkehrer und Analphabet, der seine Erzählungen auch 10 Jahre später nahezu wortgleich wiedergeben konnte. Er kannte die Geschichten von seinem Großvater und alten Ödenburgern bzw. aus Niederösterreich, wo er in jüngeren Jahren in Arbeit stand. Zehn Erzählungen Kerns erschienen aufgrund ihres erotischen Inhalts nicht im Sammelband, sondern im nur für Volksforscher erscheinenden Anthropophyteia, Jahrbücher für folklorische Erhebungen und Forschungen. 15 von Kern überlieferte Kindermärchen, „Was mir der alte Mann erzählte, wurden von Bünker in die Schriftsprache übertragen und 1929 mit einem Nachwort von Max Mell veröffentlicht. Bünker erlebte sein Erscheinen nicht mehr.

Bünker verbrachte viele Sommer in Trebesing im Liesertal bei seinem Bruder, dem evangelischen Pfarrer und Senior Karl Bünker. Dort zeichnete er die Erzählungen des Fassbinders und Almhirten Johann Wirnsberger auf. Insbesondere in Kärnten, aber auch der Obersteiermark hat Bünker 20 Volksschauspiele aufgezeichnet.

1901 wurde Bünker zum Oberkustos des 1901 eröffneten Stadtmuseums Ödenburg ernannt. Das Museum ging aus dem alten Stadt- und Komitats-Museum hervor. Unter Bünkers Leitung wuchs der Museumsbestand an und es wurde eine selbständige volkskundliche Abteilung eingerichtet. Er publizierte verschiedene Beiträge zu Museums- und Ausstellungswissenschaftlichen Themen, etwa über das Ödenburger Museum als Gesamtes, über Sammlungen wie die volkskundlichen Zimmer, Meisterstücke des Schlossergewerbes, Wiener Spätrenaissance Luster, Tischkreuze oder archäologische Funde. 1897 beschäftigte er sich mit einem ethnographischen Dorf, das im Zuge der Millenniums-Landesausstellung des Ethnografischen Museums Budapest gezeigt wurde. Weitere Arbeiten betreffen den alten evangelischen Friedhof von Ödenburg mit seinen Grabmälern, die evangelischen Kirche mit ihren Goldschmiedearbeiten, Fresken der Heiligen Geist Kirche, ein Rastkreuz und dem und den Hexenglauben im alten Ödenburg.

Leopold Schmidt, der Direktor des Volkskundemuseums in Wien, schrieb 1959 über Bünker:

„Das überquellend reiche sammlerische Lebenswerk Bünkers steht also auch heute noch mitten im Leben der Forschung. Die Nachwirkung der Arbeit dieser schlichten, ganz auf ihren Tätigkeitsbereich eingestellten Persönlichkeit dauert fort und fort an. Was durch die Reisenden und Topographen des frühenn 19. Jahrhunderts angebahnt wurde, diese geistige Entdeckung des Burgenlandes, ist durch Bünker um die Jahrhundertwende entscheidend fortgeführt und im Sinne der Volkskunde seiner Zeit ausgebaut worden. Nach den Ansätzen, den Frühformen einer burgenländischen Volkskunde bei Karl Julius Schröer und M.A. Becker bedeutetBünker eine steile Höherführung. Erst das mittlere 20. Jahrhundert hat sammlerische Leistungen erstellt, die den seinen ebenbürtig sind.“

(zitiert bei Bünker, Otto: Johann Reinhard Bünker – Sein Leben für die Volkskunde, Eisenstadt 1982).

 

Werke (Auswahl)

  • Schwänke, Sagen und Märchen in heanzischer Mundart. Mit Unterstützung der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien. Leipzig: Deutsche Verlagsactiengesellschaft, 1906 Zehn Erzählungen mit erotischem Inhalt wurden nicht im Sammelband mit 113 Geschichten aufgenommen, sondern in "Anthropophyteia, Jahrbücher für folklorischie Erhebungen und Forschungen" publiziert.
  • Was mir der alte Mann erzählte. Märchen aus dem Burgenland. M. Gladbach 1929, 119 Seiten, Nachwort von Max Mell.
  • Das Bauernhaus der Gegend von Köflach in Steiermark. Mit 47 Textabbildungen. In: Wörter und Sachen. 1. Band (1909), S. 121–163 Michigan-USA*
  • Die volkskundlichen Zimmer des Ödenburger Museums. In: Anzeiger der ethnographischen Abteilung des ungarischen Nationalmuseums, Jahrgang IV (1903), S. 78–80
  • Die Grabmäler im alten evangelischen Friedhofe in Sopron. In: Ödenburger Zeitung, 6. Mai 1906
  • Der Hexenglaube im alten Ödenburg. In: Ödenburger Zeitung, Juni 1898
  • Typen von Bauernhäusern aus der Gegend von Oedenburg in Ungarn. Mit 14 Text-Illustrationen. In: Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien. 24. Band (1894), S. 115–130
  • Das Bauernhaus in der Heanzerei (Westungarn). Mit 102 Text-Illustrationen. In: Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien. 25. Band (1895), S. 89–154
  • Das Bauernhaus in der östlichen Mittelsteiermark und in benachbarten Gebieten. Mit 56 Text-Illustrationen. In: Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien. 27. Band (1897), S. 113–191
  • Das siebenbürgisch-sächsische Bauernhaus. Mit 52 Text-Illustrationen. In: Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien. 29. Band (1899), S. 191–231
  • Typen von Dorffluren an der dreifachen Grenze von Niederösterreich, Ungarn und Steiermark. Mit 7 Kartenbildern im Texte. In: Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien. 30. Band (1900), S. 109–148
  • Das Bauernhaus am Millstätter See in Kärnten. Mit 122 Abbildungen. In: Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien. 32. Band (1902), S. 12–103 , 239–273
  • Die Hafneröfen in Stoob. Mit 10 Abbildungen. In: Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien. 33. Band (1903), S. 329–335
  • Der Haschendorfer Bronzefund. Mit 2 Tafeln und 3 Textabbildungen. In: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien. 44. Band (1914), S. 316–326
  • Heanzische Schwänke, Sagen und Märchen. In: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde. 7. Jahrgang (1897), S. 307–315, 396–403
  • Heanzische Schwänke, Sagen und Märchen. In: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde. 8. Jahrgang (1898), S. 82–90, 188–196, 291–300, 415–428
  • Eine heanzische Bauernhochzeit. In: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde. 10. Jahrgang (1900), S. 288–306, 365–382
  • Die hl. drei Könige. Ein Volksspiel aus der Ödenburger Gegend. In: Zeitschrift für österreichische Volkskunde. 1. Jahrgang (1895), S. 81–83
  • Heañzische Kinderreime. Zeitschrift für Österreichische Volkskunde. Supplement-Heft I zum VI. Jahrgang 1900, S. 1–25Heanzische Volkslieder. In: Zeitschrift für österreichische Volkskunde. 15. Jahrgang (1909), S. 127–138

Daten

* 25.04.1863 in Seebach bei Seeboden in Kärnten
† 13.11.1914 in Ödenburg

 

Volkskundler, Lehrer, Museumsdirektor

 

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Quellen