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Überblick: Das Königreich Ungarn

Über die Gesamtbevölkerung Ungarns gibt es von der Volkszählung von 1787 bis 1851 keine exakten Daten. Nach offiziellen Angaben stieg die Bevölkerung aller Länder der ungarischen Krone von 9,5 auf 13,2 Millionen Menschen. Im europäischen Vergleich war dies nur ein bescheidener Anstieg. Nach den Untersuchungen von Andras Fáy 1837 bis 1846 lag die Geburtenrate bei 40, die Sterberate bei 31 Promille. Säuglings- und Kleinkindersterblichkeit waren sehr hoch, weniger als die Hälfte der Kinder errichte das 10. Lebensjahr. In den 1840er Jahren lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei 38 Jahren. Die Bevölkerungsdichte war in der ersten Jahrhunderthälfte noch immer niedrig, bei 43 Personen pro Quadratkilometer, in den westlichen Komitaten aber deutlich höher, bei 55 - 57: Der Verstädterungsgrad war gemessen an mitteleuropäischen Verhältnissen noch gering. Den Bevölkerungsanteil der Nationalitäten kann man nur schätzen. Nach Fenyes waren 38 % Magyaren, 9,8 % (1,27 Millionen) Deutsche. Seuchen und Hungersnöte machten noch immer schwer zu schaffen. 1831 etwa gab es 250 000 Choleratote. Hungersnöte gab es 1792, 1794 und 1815 - 1817, immer wieder begleitet von Epidemien (Typhus, Pocken, Scharlach).

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg dann die Bevölkerungszahl rasch an. 1910 hatten die Länder der ungarischen Krone 20,9 Millionen Einwohner. Zwischen 1850 und 1910 stieg die Gesamtbevölkerung (ohne Kroatien) von 11,6 auf 18,3 Millionen Einwohner, die der Ungarischsprachigen von 4,8 auf 9,9 Millionen (von 41 auf 55 %). Das Duchschnittsalter stieg langsam. Zu Beginn der 1880er Jahre ging die Sterberate zurück, die Kindersterblichkeit blieb aber noch immer hoch. Manche Epidemien wurden eingedämmt, die Tuberkulose aber wurde zu einer weit verbreiteten Volkskrankheit (jeder 8. Todesfall). Das Gesundheitswesen wurde ausgebaut, die Zahl der Ärzte und Krankenhäuser nahm zu, die ärztliche Versorgung wurde staatlich reguliert und institutionalisiert. Aber sowohl im Gesundheitswesen wie auch im Ernährungsniveau gab es noch immer ein Gefälle zwischen Stadt und Land. Eine Folge der beginnenden Industrialisierung war eine beträchtliche Binnenwanderung, vor allem aber die Auswanderung nahm ein riesiges Ausmaß an. Etwa 2,2 Millionen Menschen verließen Ungarn, davon 85 % in Richtung Amerika. Von der Auswanderung waren die nationalen Minderheiten, etwa die Deutschen, stärker betroffen als die Magyaren. Nur ein Drittel der Emigranten waren Magyaren. 1910 lebte bereits jeder Vierte Bewohner Ungarns in einer Stadt, Budapest hatte 1913 1,1 Millionen Einwohner. Mit der starken Zuwanderung war die Magyarisierung der Städte verbunden. Ende des 18. Jahrhunderts waren von den 50 000 Einwohnern Budapests nur ein Fünftel Magyaren, zu Beginn des 20. Jahrhunderts 86 %. Insgesamt nahm der Anteil der Magyaren an der Gesamtbevölkerung des Königreiches zu. 1910 bekannten sich 54,6 % zur ungarischen Nationalität. Die größten Assimilationsverluste hatten die Deutschen und die Juden zu verzeichnen. Nach Lászlo Katus werden die Assimilationsverluste der Juden auf 700 000, der Deutschen auf 500 000, der Slowaken auf 400.000 und der Rumänen, Serben und Kroaten auf 150.000. Peter Hanák schätzt den "Assimilationsgewinn" mit bis zu 3 Millionen wesentlich höher ein.

Westungarn

Es ist schwierig, verlässliche Zahlen für die Bevölkerung auf dem Gebiet des heutigen Burgenlandes zu errechnen, da die offizielle Statistik sich ja auf die Komitate und Bezirke bezieht. Nur die einzelnen Dörfer können herangezogen werden. Neben den Volkszählungen stehen noch einige verlässliche statistische Werke zur für das frühe 19. Jahrhundert zur Verfügung, so etwa die Statistik des Königreiches Ungarn von Alexius von Fenyes, die Mitte des Jahrhunderts erschien. Eine gut brauchbare und verlässliche Quelle ist die Arbeit des evangelischen Pfarrers A.Grailich über das Komitat Wieselburg aus dem Jahre 1818. Er ermittelte eine Einwohnerzahl von 57.829. Der Anteil der Deutschen lag bei drei Fünftel, die Magyaren stellten ein schwaches und die Kroaten ein starkes Fünftel. Die Zahl der Juden sei von 1780 bis 1818 von 1037 auf 2397 gestiegen.

Fényes gibt für 1837 /39 folgende Zahlen an

Im Wieselburger Komitat lebten 58 361 Personen

  • 67,67 % Deutsche
  • 16,13 % Kroaten
  • 13,03 % Magyaren
  • 3,17 % Juden
Im Ödenburger Komitat lebten 188. 684 Personen
  • 41,57 % Deutsche
  • 12,2 % Kroaten
  • 43,26 % Magyaren
  • 3,16 % Juden

 

Im Eisenburger Komitat lebten 259.007 Einwohner

  • 36,66 % Deutsche

  • 6,31 % Kroaten

  • 43,9 % Magyaren

  • 11,41 % Windische (Slowenen)

  • 1,72 % Juden

Die Einwohner der königlichen Freistädte Ödenburg, Eisenstadt und Rust waren mit wenigen Ausnahmen Deutsche.

Geht man von der Komitatsebene hinunter auf die Bezirksebene zeigt sich nach Fényes ein genaueres Bild.

Im Oberödenburger Bezirk lebten 64 690 Personen. Von den 19 Marktflecken waren:

  • 15 deutsch
  • 3 kroatisch
  • 1 deutsch-kroatisch
Von den 56 Dörfern:
  • 40 deutsch
  • 12 kroatisch
  • 2 deutsch-kroatisch
  • 2 kroatisch-deutsch
Anders im Unterödenburger Bezirk mit 42.002 Einwohnern. Von den 10 Marktflecken waren
  • 5 magyarisch
  • 4 deutsch
  • 1 kroatisch-magyarisch
Von den 67 Dörfern
  • 31 magyarisch
  • 18 deutsch
  • 13 kroatisch
  • 2 magyarisch-deutsch
  • 1 deutsch- kroatisch
  • 1 kroatisch- magyarisch
  • 1 magyarisch - kroatisch.

Im Eisenburger Komitat lebten im Bezirk Güns 56.502 Menschen:

  • 67,71 % Deutsche
  • 11,53 % Kroaten
  • 17,91 % Magyaren
  • 2,85 % Juden

Von den 10 Marktflecken waren

  • 7 deutsch
  • 1 magyarisch
  • 1 kroatisch - deutsch
  • 1 deutsch - kroatisch.

Von den 112 Dörfern waren

  • 65 deutsch
  • 25 magyarisch
  • 18 kroatisch
  • 1 magyarisch - deutsch
  • 1 deutsch - magyarisch
  • 1 deutsch - kroatisch
  • 1 kroatisch - deutsch

Der Bezirk Güssing hatte 52.949 Einwohner

  • 73,09 % Deutsche
  • 13,35 % Kroaten
  • 9,4 % Magyaren
  • 3,06 % Windische
  • 1 % Juden

Von den 6 Marktflecken waren

  • 5 deutsch
  • 1 deutsch - kroatisch

Von den 99 Dörfern waren

  • 52 deutsch
  • 19 kroatisch
  • 14 magyarisch
  • 6 windisch
  • 5 deutsch - kroatisch
  • 2 kroatisch-deutsch
  • 1 magyarisch-deutsch

Der Windische Bezirk hatte 43.305 Einwohner

  • 64,48 % Windische
  • 15,51 % Deutsche
  • 19,77 % Magyaren
  • 0,24 % Juden

Von 6 Marktflecken waren

  • 5 windisch
  • 1 deutsch.

Von den 167 Dörfern waren

  • 114 windisch
  • 71 deutsch
  • 35 magyarisch
  • 1 windisch - deutsch.

1867 veröffentlichte Fenyes neue Daten auf der Grundlage der Volkszählung von 1859 und der Schematismen der Konfessionen.

Für das Komitat Wieselburg ermittelte er 72 145 Einwohner, davon

  • 52.016 Deutsche (72,10 %)
  • 10.536 Kroaten (13,30 %)
  • 9.593 Magyaren (14,60 %)

Das Komitat Wieselburg war damit das einzige in ganz Ungarn mit einer deutschen Mehrheit. Die Magyaren entfielen größtenteils auf den Bezirk Altenburg, wärend es in den Bezirken Neusiedl und Ragendorf kaum Magyaren gab. Aber selbst im Bezirk Altenburg erreichten die Magyaren nur 36,22 %. Im gesamten Ödenburger Komitat mit 219.397 Einwohnern hatten die Magyaren mit 47,48 % die relative Mehrheit, wobei der Oberödenburger Bezirk mit 77,76 % noch immer eine deutsche Mehrheit hatte, mit nur 0,96 % Magyaren und 21,28 % Kroaten. Im Unterödenburger Bezirk hingegen betrug der Anteil der Magyaren 60,20 %, im Rabnitzer und in den beiden Raabauer Bezirken 100 %. Im Komitat Eisenburg mit 299.661 Einwohnern betrug der Anteil der Deutschen 34,61 %, davon im Bezirk Güns 68,37 % und im Bezirk Güssing 65,47 %, im Windischen Bezirk 15,26 % und im Bezirk Körmend 17,43 %.

Insgesamt war also von 1837 bis 1857 auf Komitatsebene eine leichte, aber deutliche Verschiebung zugunsten der magyarischen Volksgruppe zu beobachten, auf Bezirksebene aber eine Verschiebung zugunsten der jeweiligen Mehrheitssprache, in Wieselburg etwa zugunsten des Deutschen. Der Anteil der Kroaten sank von 16,13 auf 14,60 %. Interessant ist die Entwicklung im Komitat Ödenburg, wo der Anteil der Magyaren von 43,26 auf 47,48 % stieg, im Oberödenburger Bezirk aber der Anteil der Deutschen von 71,79 auf 77,76 % stieg. In Ödenburg betrug der Anteil der Deutschen noch 92,59, in Eisenstadt 96,77 und in Güns 87,96 %.

1921 fielen 324 Orte mit 294.848 Personen an Österreich. Nach der ungarischen Volkszählung von 1920 lebten dort 75,12 % Deutsche, 15,17 % Kroaten und 8,43 % Magyaren. Die Entwicklung von 1900 bis 1920 zeigte eine deutliche Auswirkung der Magyarisierung. Die Zahl der Magyaren stieg um 4 442 Personen, die der Kroaten um 448. Die Zahl der Deutschen nahm um 2 898 ab. (nach Csoknyai). 1900 waren im später burgenländischen Gebiet 18,3 %, 1920 aber schon 26,8 % des Ungarischen mächtig.

Aussagekräftig in Bezug auf die Auswirkungen der Magyarisierung ist ein Vergleich der Volkszählungen von 1880 und 1910. Im Komitat Wieselburg sank der Anteil der Deutschen von 70,82 auf 55,04 %, der der Magyaren stieg von 16,74 auf 34,93 %. Selbst in den Bezirken Neusiedl und Ragendorf ging der Anteil der Deutschen zurück. Als Grund wird auch die starke Auswanderung angeführt. Geringer, aber do0ch deutlich, waren die Verluste der Deutschen im Ödenburger Komitat in den Bezirken Mattersburg (von 88,82 auf 85,99) und Eisenstadt (von 65,87 auf 60,75 %), in der Stadt Eisenstadt von 85,00 auf 67,49 %. Im Bezirk Oberpullendorf war der Rückgang der Deutschen markant, von 57,19 auf 51,39 %, im Bezirk Güns von 59,70 auf 52,56, in St. Gotthard von 60,45 auf 52,53. Geringer war der Rückgang im Bezirk Güssing von 74,85 auf 73,32 und Oberwart von 84,32 auf 80,33.

Neben der Magyarisierung werden als Ursachen dieser Entwicklung auch die stärkere Auswanderung der Deutschen und der vermehrte Zuzug von Magyaren in die administrativen Zentren geltend gemacht. Dafür wären Wieselburg - Ungarisch Altenburg gute Beispiele. Beide Städte waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehrheitlich deutschsprachig. 1910 betrug der Anteil der Deutschen nur mehr 41,02 und 34,84 %. Das früher deutschsprachige St. Gotthard war 1910 zu 73,48 % magyarisch. Die ungarischsprachige Bevölkerung der Städte Raab und Ödenburg stieg nach Farago weniger infolge der Assimilierung der Deutschen als vielmehr durch Zuwanderung von Ungarischsprachigen bzw. aus ungarischer Umgebung kommender Juden. Insgesamt veranschlagt Faragó die Verschiebungen durch den Magyarisierungsdruck als eher gering. Weder in den deutschen Dörfern noch in den Kleinstädten hätte er Erfolg gehabt, wohl aber in den Großstädten, und zwar in der Industriearbeiterschaft einerseits und in den "oberen Gesellschaftsschichten und bei Staatsbediensteten".

Der Zuwachs durch die natürliche Bevölkerungsbeweung war in den westungarischen Komitaten erheblich geringer als in Gesamtungarn. Mischehen kamen eher selten vor. In der Familienstruktur gab es erhebliche Unterschiede. Die Geburtenrate der Magyaren war höher als die der Deutschen und Kroaten. Magyaren heirateten früher und hatten mehr Kinder. Die Geburtenrate der Deutschen war etwas niedriger als der Landesdurchschnitt, ihre Auswanderung hingegen doppelt so stark. Farago gibt die Wanderungsverluste von Westungarn (Komitate Raab, Wieselburg, Ödenburg, Eisenburg) mit 129.000 Personen an, davon 72 000 Deutsche, 40 000 Magyaren und 15 000 Kroaten.

Die regionale Mobilität, die Binnenwanderung nahmen stark zu. Die Zuwanderung in die Städte Raab und Steinamanger war stark, in Ödenburg und Güns geringer. Relativ stark war auch die Abwanderung aus Westungarn in Richtung Österreich. Nach den Zahlen, die Faragó bringt, war sie größer als die Amerikawanderung. Aus dem Komitat Ödenburg ging die Abwanderung vor allem nach Wien, Niederösterreich und Budapest, aus dem Komitat Wieselburg nach Niederösterreich und Preßburg. Diese Komponente der burgenländischen Bevölkerungsgeschichte ist noch viel zu wenig erforscht.

 

 

Grafik / Karte

 

 

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Quellen

  • Deák, Ernö: Änderungen in der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung im heutigen Burgenland. In: Internationales Kulturhistorisches Symposion Mogersdorf 1998, Band 27

  • Faragó, Tamás: Ethnische Struktur und demographische Veränderungen in Westtransdanubien um die Jahrhundertwende. : Internationales Kulturhistorisches Symposion Mogersdorf 1998, Band 27. Mit detailierten Statistiken zur Bevölkerungsstruktur und zu den Wanderungsbewegungen!

  • Csoknyai, Peter: Die sprachliche Entwicklung der burgenländischen Bevölkerung zwischen 1900 und 1971. Die Volksgruppen in Österreich Integratio XI - XII, Wien 1979

 
 

 

 


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