Julius Deutsch
Seine Eltern waren jüdische Wirtsleute in Lackenbach. Sie übersiedelten in den 1890er Jahren nach Wien. Julius Deutsch verbrachte seine Ferien immer wieder bei seinen Verwandten in Lackenbach. Nach der Volksschule besuchte er die Bürgerschule und war anschließend Lehrling in einer Buchbinderei. Er war Vertreter einer Fabrik für die Erzeugung von Schmuckfedern und besuchte Abendkurse der Wiener Kaufmannschaft. Mit 15 Jahren wurde er politisch im Verein jugendlicher Arbeiter tätig und war Mitbegründer der gleichnamigen sozialdemokratischen Zeitschrift. Von Viktor Adler gefördert holte er die Matura nach und inskribierte 1905 an der Universität Zürich. Er studierte auch in Paris und in Berlin, wo er führende Sozialdemokraten kennen lernte. Er veröffentlichte einige Arbeiten zur Kinderarbeit und 1910 "Das moderne Proletariat". 1908 promovierte er in Türich und kehrte anschließend nach Wien zurück.
Im Ersten Weltkrieg war Deutsch als Reserveoffizier an verschiedenen Fronten eingesetzt und erhielt Tapferkeitsauszeichnungen. Er wurde in das Kriegsministerium in Wien versetzt, zur Beratungsstelle für die Probleme der Kriegsindustrie als Vertrauensmann der Gewerkschaften. Dort baute er ein Netz von Vertrauensleuten auf, schon im Hinblick auf den bevorstehenden Zusammenbruch der Monarchie.
Nach der Ausrufung der Republik wurde Deutsch auf Vorschlag der Sozialdemokratischen Partei zunächst Unterstaatssekretär und später Staatssekretär für das Heerwesen. Die Abrüstung der alten Armee ging problemlos vor sich. Es blieben aber zehntausende Offiziere und Unteroffiziere und einige hundert Generäle, die der Republik ablehnend gegenüberstanden. Ziel von Deutsch war es, eine neue republikanische Armee, eine "Volkswehr" aufzustellen. Nach den Februarwahlen 1919 wurde Deutsch Staatssekretär (Minister) für das Heerwesen.
In dieser Funktion ist seine Rolle, die er im Verhältnis zur ungarischen Räteregierung spielte, für die burgenländische Geschichte besonders interessant. Einer ungarischen Delegation versprach Deutsch volle Unterstützung. Im Hinblick auf die lebensnotwendigen Lebensmittellieferungen der Entente konnte diese Unterstützung aber nicht offen gewährt werden. In Wien hatte sich aber Ende 1918 eine "Rote Garde" unter kommunistischer Führung gebildet. Die Rote Garde wurde in die Neue Volkswehr als Volkswehrbataillon Nr. 41 übernommen. Dieses wollte in Ungarn eingreifen. Dies wurde jedoch von Deutsch abgelehnt. Sie zogen jedoch unter Führung des Leo Rothziegel voll bewaffnet als "Freiwillige" nach Ungarn - insgesamt wohl 1200 Mann. Sie bildeten ein "Österreichisches Bataillon". Rothziegel nfiel an der Spitze dieser Formation im Kampf gegen die Rumänen. Waffen und Kriegsmaterial waren für die Ungarn in Österreich auf legalem Weg nicht zu bekommen. So wurde ein riesiger Waffenschmuggel aufgebaut, mit stillschweigender Duldung von Deutsch.
Nach dem Regierungswechsel verlor Deutsch seinen Ministerposten. Er wurde Zivilkommissar im Heeresministerium. Deutsch sah seine Aufgabe nun darin, gegen die rechtsgerichteten Frontkämpfer und Heimwehren eine bewaffnete sozialdemokratische Gegenorganisation aufzubauen. Er wurde Obmann des Schutzbundes und übernahm dessen militärische Führung. Die Schutzbundmänner wurden militärisch ausgebildet und mit Waffen versorgt. Der Schutzbund hatte etwa 80 000 aktive Mitglieder. Am 31.März verfügte die Regierung Dollfuß die Auflösung des Schutzbundes. Im Feber 1934 kam es schließlich zu schweren Kämpfen mit der Staatsmacht und den Heimwehren. Nach dem Scheitern des Widerstandes konnte Deutsch wie viele andere führende Sozialdemokraten nach Preßburg fliehen. Von enttäuschten Parteimitgliedern, vor allem aber vom politischen Gegner wurde ihm das Versagen in der militärischen Leitung und die Flucht als Feigheit vorgeworfen, vermischt mit antisemitischen Beschuldigungen. Seine Zugehörigkeit zum Judentum, die für ihn bedeutungslos war, trug ihm immer wieder antisemitische Angriffe ein.
Im Tschechischen Exil wirkte er zusammen mit Otto Bauer im Auslandsbüro österreichischer Sozialisten. Sie gaben wöchentlich die Arbeiterzeitung und die Monatsschrift "Der Kampf" heraus, die nach Österreich geschmuggelt wurden.
Als im Sommer 1936 der spanische Bürgerkrieg ausbrach meldete sich Deutsch freiwillig. Er wollte ein "eisernes Korps" aufstellen, eine straff organisierte Elitetruppe. Er wurde dem republikanischen Generalstab zugeteilt. Er wurde mit der Organisation der Küstenverteidigung von der französischen Grenze bis Malaga beauftragt. In Castellon bei Valencia wurde ein großes Ausbildungslager errichtet. Auch dort litten die Republikaner unter dem Fehlen von Waffen. Er wurde zum General befördert und wurde zum Vorsitzenden des Zentralkomitees der ausländischen Soldaten. im Jänner 1938 wurde er in das inzwischen mit der Regierung nach Barcelona übersiedelte Kriegsministerium kommandiert. Deutsch war hier Berater des Unterstaatssekretärs. Im Auftrag der republikanischen Regierung unternahm Deutsch 1938 mehrere Reisen nach Paris, London, Brüssel und Schweden, wo er ergebnislos Verhandlungen über Waffenlieferungen führte. Zum Kampfeinsatz im Bürgerkrieg kam er nicht.
Nach der Niederlage der spanischen Republikaner lebte Deutsch bis Juni 1940 in Frankreich. Auf der Flucht vor den Deutschen gelangte er über London und Kuba nach New York, wo er am "Austrian Labour Commitee" teilnahm. Er agitierte gegen die Habsburg - freundliche Politik der Amerikaner und war Vorsitzender der Organisation "Associated Austrian Relief". Er wurde Beamter des "Office of War Formation".
Der Sohn des Julius Deutsch, Gustav, ging im Mai 1934 auf Einladung zusammen mit anderen Schutzbündlern in die Sowjetunion. Er arbeitete als Eisenbahningenieur in Woronesch. 1938 wurde er zusammen mit seiner Frau verhaftet und in ein Konzentrationslager gesteckt. Dort verstarb er angeblich 1943.
Im Februar 1946 kehrte Julius Deutsch nach Österreich zurück. Er wurde Mitglied des Parteivorstandes und war an den Vorarbeiten zur Aufstellung eines neuen Heeres beteiligt. Er stieß auf den Widerstand vieler Parteifunktionäre und bekam kein Nationalratsmandat. Er leitete die "Konzentration", einen Zusammenschluss der der SPÖ gehörenden Verlage, Druckereien, Zeitungen und Buchhandlungen. Ab 1949 wurde er in der Partei immer wieder heftig angegriffen. Er legte seine Funktionen zurück. Er wurde Konsulent bei der Österreichischen Länderbank. Im "Steyrermühlprozess" geriet Deutsch in einen heftigen Konflikt mit Adolf Schärf und Oskar Helmer. Es wurde sogar ein Parteiausschluss beschlossen, dann aber nicht durchgeführt.
Daten* 1884 in Lackenbach
SPÖ -Politiker,
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