Als die Langobarden nach Italien abzogen, waren ihr Königshaus und der Adel überwiegend arianische Christen. Sie führten in Italien einen erbitterten Kampf gegen die katholische Kirche. Diese Auseinandersetzungen waren wohl größtenteils politisch motiviert, denn die katholischen Großgrundbesitzer und die katholische Kirche waren die entschiedensten Gegner der Langobarden und die stärkste Stütze Ostroms. Die Langobarden beschlagnahmten Kirchen und Bischofssitze, brannten Klöster nieder und plünderten die Kirchenschätze. Viele der "Greueltaten", die ihnen später die Legenden zuschrieben, sind aber wenig glaubwürdig.Tatsache ist aber, daß die Langobarden unter den Germanenvölkern am längsten am Arianismus festhielten.
Der eigenen Geschichtsschreibung nach wurden sie nach 488, noch in Rugilanda, zum Christentum bekehrt. Auch der Einfluß der zum Teil christlichen Heruler könnte sich ausgewirkt haben. Zur vorherrschenden Glaubensrichtung dürfte der Arianismus erst verhältnismäßig spät, unter Alboin, geworden sein. In einem Brief ermahnte der Bischof von Trier König Alboins Gemahlin Chlodoswintha, Tochter des Frankenkönigs Chlothar I., sie möge Alboin zur Abkehr von der arianischen Irrlehre bewegen. Alle diese Bemühngen hatten wenig Erfolg. Doch sind in der langobardischen Oberschicht schon früh auch Katholiken zu finden, was für die Vermutung spricht, daß die religiöse Zugehörigkeit des eigenen Volkes nicht sehr wichtig war, die Gegnerschaft zur katholischen Kirche in erster Linie eine politische war. Mit Theodelinda erhielten die Langobarden auch eine katholische Königin. "Immer wieder bricht aber hinter dem politisch gefärbten Christentum der herrschenden Schicht mit elementarer Wucht der althergebrachte heidnische Götterglaube des langobardischen Volkes hervor". Dies meint István Bóna und er verweist mit Recht darauf, daß selbst der langobardische Benediktiner-mönch von Monte Cassino, Paulus Diaconus, noch verdächtig gut in der germanischen Götterwelt um Wotan und Freia und in der einschlägigen Mythologie bewandert ist. Noch in Italien gab es an der Wende vom 6. zum 7. Jh., also zwei Jahrhunderte nach der angeblichen Christianisierung, heidnische Heiligtümer und Priester, heilige Bäume, kultische Reiterspiele und Fleischopfer, die Donar dargebracht wurden....
Bóna ist auch der Ansicht,daß man in den pannonischen Gräbern mit ihren Grabbeigaben heidnische Bestattungen sehen muß. Für das Heidentum der Langobarden sprechen auch die Runeninschriften auf manchen Fibeln, die Eigennamen und magische Glückwunschworte enthalten (Namensmagie,Zauberformeln). Als Ausnahme betrachtet Bóna die Gräber der Hegykö - Gruppe im Nord- und Mittelburgenland, da dort gelegentlich auf Fundstücken eingravierte Kreuze auftauchen und außerdem Gefäßbeigaben meist fehlen.
Die Gräber - Spiegel der gesellschaftlichen Strukturen
"König Rotharis Edikt nennt das langobardische Volk zusammenfassend exercitus, d.h.Heer. . . Die Grundzelle der langobardischen Gesellschaftsstruktur war die fara, ursprünglich die Bezeichnung für Geschlechter oder Sippen, einer Gemeinschaft von Blutsverwandten . . . Einer Interpretation der Fara als einer auf Wanderschaft befindlichen, ihren Standort verlegenden bewaffneten Einheit begegnet man... später... wiederholt... Ihren Namen erhielt die Fara entweder von einem Familienoberhaupt oder einem gemeinsamen Ahnherrn: Fara Aldemari, Fara Authereni, Fara Winifred (die Fara des Paulus Diaconus), dessen Name dann auf den Familien- und Sippenverband von Adeligen oder Freien übertragen wurde. Jede Fara hatte ein bestimmtes Siedlungsgebiet und eigenen Grundbesitz ... Daraus ergab sich die dritte und späteste Bedeutung des Wortes Fara als Bezeichnung des Familienbesitzes, eines Dorfes der Eingewanderten.
...Den Kern (der langobardischen Gesellschaft) bildete die Gesamtheit der freien wehrhaften Männer,der "Heermänner" = arimanni (hari-manni), welche die Streitmacht bildeten... Eine andere langobardische Bezeichnung für diese frei geborenen lautete baro, aus dem der spätere Adelstitel Baron stammt. Der Wohnsitz des Baro hieß baronica oder arimannia, seine Gattin war eine 'Freifrau'= frea, eine 'würdig geborene'=wirdibora, ihrer beider Sohn ein 'vollberechtigt geborener' = fulboran.
Der Gemeinschaft der Freien untergeordnet, in der Praxis aber Mitglieder der Faras waren die Halbfreien ( haldii oder haldiones). Die Frau des Halbfreien war die haldia. Diese Gesellschaftsschicht läßt sich bereits in den Urnenfeldern der Elbgegend nachweisen, reicht aber weit in die germanische Urzeit zurück. Die Halbfreien gingen aus Kriegsgefangenen, im Krieg Unterworfenen oder aus jenen hervor, die ihre Freiheit freiwillig verkauft oder verspielt hatten...Nach Hinterlegung eines gewissen Lösegeldes (launegild) oder auch bei Übernahme einer solchen Verpflichtung konnte ein Unfreier von seinem Herrn auf der Volksversammlung (gairethinx) freigesprochen werden, in Zeiten drohender Gefahr erklärte ihn gegebenenfalls die Volksversammlung selbst für frei per sagittam (durch den Pfeil), womit er verpflichtet war, als Bogenschütze Kriegsdienst zu leisten... In wirtschaftlicher und rechtlicher Sicht blieb er auch weiterhin in einem Abhängigkeitverhältnis...
Rechtlos war der Knecht (skalk),und er sowie seine Kinder blieben es auch,sofern er oder diese nicht auf die vorgenannte Art und Weise befreit bzw. in den Stand der Halbfreien aufgenommen wurden... dem Wesen nach rekrutierten sie sich aus einem Teil der römischen Kolonen und der mittellosen Stadtbevölkerung...
Theoretisch lag alle Macht in den Händen der Volksversammlung des thing, genauer: der gaire-thinx, d.h. der 'Versammlung der Lanzenträger'. Wie groß das Gebiet und wie hoch die Bevölkerungszahl war, auf die sich ein pannonisches Thing erstreckte, entzieht sich unserer Kenntnis, aber gerade der Umstand der über ein zu großes geographisches Gebiet verstreuten Bevölkerung bewirkte es, daß dieses oberste Organ unweigerlich zum Absterben verurteilt war. Die Volksversammlung entschied über Krieg und Frieden, über Sklavenbefreiung und Versklavung von Freien und hielt in Fällen schwerer Verbrechen Gericht. Über die Einhaltung des Gewohnheitsrechtes wachte die ursprünglich der Volksversammlung beigeordnete Körperschaft der sculdahis, der Schultheißen...
Die tatsächliche Macht war schon in Panonien in die Hände zweier anderer Gesellschaftsklassen übergegangen. Die eine war der Adel, dessen Mitglieder, die adalingi, vermutlich die Familienoberhäupter der großen, reichen Faras, Herren über ausgedehnte Ländereien waren. Aus ihren Reihen gingen die militärischen Führer, die 'Herzöge' (duces) hervor. Die langobardischen Truppenverbände standen während des italischen Feldzuges unter der Leitung von dreißig solchen zweifellos aus den pannonischen Faras stammenden Herzögen...
Die vom Volk, den Geschlechtern und Sippenoberhäuptern ausgeübte Macht verkörperte sich schon zur Römerzeit in der Peson eines gelegentlich gewählten Kuning... In Marwedel nahe der Elbe kamen dicht nebeneinander die Gräber zweier im 2.Jh. mitsamt ihren Pferden bestatteter Fürsten zum Vorschein... Seit Anfang des 5. Jahrhunderts stand immer ein König an der Spitze der Langobarden, wenn sie sich auf der Heerfahrt befanden... Es war stets der sehnlichste Wunsch der vornehmen Geschlechter, in den Besitz der Königswürde und -gewalt zu gelangen...
Das Grab des in Pannonien begrabenen Königs Audoin ist leider bisher noch unbekannt, doch läßt sich aus dem in Zuran bei Brünn erschlossenen Hügelgrab eines langobardischen Königs bereits auf einen hohen Stand der königlichen Gewalt und des mit ihr einhergehenden Reichtums schließen. Die nächste Stufe der Rangleiter vertritt das Hügelgrab von Veszkény, dessen erhaltene Beigaben, das auf zwei Pferde hindeutende prächtige Pferdegeschirr, wahrscheinlich einem dux gehört haben. Alleinstehende Gräber von Angehörigen des langobardischen Adels kennen wir aus Mosonszentjános, während in Szentendre in 4-5 m tief unter der Oberfläche errichteten Steinkammern mit Steinpackung ein Adaling und eine Adalinga inmitten ihrer Fara, offenbar in einem Ehrengrab ruhten, in dem sie mit ihren Pferden bestattet worden waren. Die Gräberfelder des Volkes stehen offenbar mit einzelnen Faras in Zusammenhang, doch wurden die zu Lebzeiten eigene Gehöfte (sala) bewohnenden Freien häufig nicht in diesen Gräberfeldern beigesetzt...
Die Gesamtheit aller pannonischen Langobardengräber bietet einen zuverlässigen Querschnitt, da sich in ihr die Zufälligkeiten... gleichmäßiger verteilen. Dabei bietet sich uns ein überaschendes Bild. An der Spitze der Gräberfeldpopulation stehen die 21 mit Schwert, Lanze und eisenbeschlagenem Schild ausgerüsteten Krieger, unter deren Mitgliedern sich gewisse Wohlstandsunterschiede wahrnehmen lassen. So dürften jene, denen kostbare, damaszierte Schwerter, mit Silberknöpfen geschmückte Schildbuckel und ein Schlachtroß ins Grab gelegt wurden, möglicherweise Fara - Häupter gewesen sein.
Klar scheidet sich von ihnen die durch 19 Tote repräsentierte Schicht der mit Pfeil, Köcher und offenbar auch mit Bogen beigesetzten aldiones, d.h. der halbfreien Bogenschützen.
Dem Rang nach höher auf der gesellschaftlichen Stufenleiter standen die 20 nur mit einer Lanze bestatteten faramanni, mittellose oder junge Freie. Schwieriger läßt sich die Stellung der übrigen Krieger bestimmen... Die Waffen mancher von ihnen, vor allem die Schwerter, fielen wahrscheinlich Grabräubern zum Opfer....
Fassen wir das Ergebnis zusammen: 1 dux,3-4 Adelige, zwei von ihnen separat bestattete Mitglieder der 'Hofaristokratie' (mit Pferden und vergoldeten Prunkwaffen), 46 freie Krieger, 20 unbemittelte oder junge Freie, 19 Halbfreie. Fürwahr eine militärisch organisierte, gut bewaffnete Gesellschaft, in der die arimanni den Schwerpunkt bildeten. Ein gleiches Bild ergibt die Untersuchung der Frauengräber. So entspricht beispielsweise die Zahl der mit vier Fibeln beigesetzten Frauen im großen ganzen jener der Vollbewaffneten, und die Gesamtzahl der Fibelträgerinnen jener der Arimanni..."