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Verschwand mit dem "Hunnensturm" und mit der Eroberung des westungarisch - burgenländischen Raumes alles, was die Römer hier an zivilsatorischer Leistung geschaffen hatten? Im Alpen- und Donauraum ist die alte Frage längst beantwortet. Mit dem Beginn der Völkerwanderung brach über die blühenden Provinzen Raetien und Noricum keineswegs "die Katastrophe" herein. Selbst an der Donau hielten sich noch lange romanische Bevölkerungsgruppen, wie wir aus der Vita des Heiligen Severin wissen. Und auch nachdem Odoaker deren Abzug befohlen hatte, werden nicht alle gefolgt sein. Vermehrt gilt dies von den städtischen Stützpunkten am Alpenrand, besonders für die Umgebung von Salzburg, in der ja Romanen bis weit in die Karolingerzeit ihre Sonderstellung behaupten konnten und für die Christianisierung Bayerns von großer Bedeutung waren, aber auch für die inneralpinen Talschaften Vorarlbergs und Tirols, in denen sich die Romanität teilweise ja bis in das Hochmittelalter hielt. Weniger eindeutig war dieses Problem früher für Ostösterreich, für das Burgenland, für Ungarn zubeantworten. Hier hat man nicht selten schlicht und einfach die totale Zerstörung angenommen. Wilden germanischen Barbaren und noch wilderen Hunnen, Awaren, sprach man die Fähigkeit ab, das römische Kulturerbe fortzusetzen.

 Man darf bei allen Zerstörungen, die die vielen und oft langjährigen Grenzkriege zwischen Römern und germanisch - sarmatischen Barbaren von jenseits der Donau von 166/67 (erster Einfall der Markomannen und Quaden, aber auch schon Langobarden) bis 374, als Quaden und Sarmaten zwei Legionen vernichteten und Südpannonien verwüsteten, ja nicht vergessen, daß es auch lange und friedliche Perioden des Nebeneinanders gab, in denen Handelsbeziehungen bestanden. Die Römer unterhielten vorgeschobene "Posten" im Germanenland, Germanen wurden aber auch immer wieder im Reichsgebiet aufgenommen. Hier muß man vor allem auf die zweite Hälfte des ersten und auf das zweite Jahrhundert verweisen. Aus dieser Zeit sind ja im nördlichen Burgenland, rund um das Leithagebirge und am Neusiedlersee, zahlreiche germanische Funde nachzuweisen, ebenso wie Inschriftensteine mit germanischen Namen. Man denkt hier vor allem an eine Ansiedlung der Quaden des Vannius, die dann im Verlauf des 2.und 3.Jahrhunderts romanisiert wurden. Auch nach 253, nach einem verheerenden Einfall, wurden Markomannen unter Attalus aufgenommen und in Pannonien angesiedelt, gegen Ende des 4.Jahrhunderts wurden erneut Markomannen unter der christlichen Fürstin Fritigil als Föderaten im Wiener Becken angesiedelt. Im 4. Jahrhundert bestand die römische Grenzverteidigung größtenteils aus Germanen. Sowohl die Ausgrabungen am Oberleiserberg wie auch die Vita Sancti Severini beweisen, daß selbst die germanische Oberschicht jenseits der Donau den römischen Lebebensstil, die Wohnweise übernahm. Absolut fremd waren einander Römer, romanisierte Provinzialbevölkerung und "Barbaren" längst nicht mehr. Dazu kam, daß die römische Welt in der Spätantike Strukturveränderungen durchmachte, die der Welt der Germanen entgegenkamen. Die bäuerliche Bevölkerung konzentrierte sich auf den Latifundien, wo ihnen die mächtigen Gutsbesitzer Schutz bieten konnten. Sie traten in ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis,das der germanischen Gefolgschaft nicht unähnlich war; in wirtschaftlicher Hinsicht gab es eine Tendenz zur Selbstversorgung, auch wenn man den Rückgang des Handels und Geldumlaufes nicht überschätzen soll.

 Noch im 5. Jh. gab es in Pannonien Importe aus Italien. Der Zusammenbruch der römischen Verwaltung brachte sicherlich Probleme mit sich, vielfach aber blieben lokale und regionale Autoritäten, nicht selten kirchliche Würdenträger (wie das Beispiel Severins sehr anschaulich zeigt), bestehen. In den archälogischen Funden, in den Landhäusern ebenso wie in den Städten, finden sich oft Gegenstände der römischen Zivilisation in Verbindung mit solchen germanischer Herkunft, in engem Miteinander.

Heute ist die Frage nach der Kontinuität auch bei uns eindeutig zu beantworten. Vor allem die ungarische Forschung hat in den 80er Jahren dieser Frage große Aufmerksamkeit zugewandt und eine riesige Fülle von Beweisen erbracht, daß auch in Pannonien das römische Erbe in einem beachtlichen Maß fortlebte, und zwar nicht nur über den Hunnensturm hinweg, sondern bis in die Magyarenzeit. Römische Kulturelemente und wohl auch Bevölkerungsteile, zu denen solche germanischer, awarischer und slawischer Herkunft kamen, haben überlebt, das Land ist niemals "verwüstet, menschenleer, dem Urwald überlassen" gewesen. Die Gräberfelder aus dem späten 4. und aus dem 5.Jahrhundert, etwa die von Csákvár, von Intercisa, von Szabadbattyán, sprechen eine deutliche Sprache: Zwar kommt das Fundmaterial, das für die römische Provinz im 4.Jh.charakteristisch ist, weiterhin vor, daneben tauchen aber neue Grabbeigaben auf, Schmuckstücke, Glasgefäße, Keramik, die Parallelen in Südrußland und an der unteren Donau haben.

379/80 kommt die ostgotisch - alanisch - hunnische Gruppe über die Donau, die als Föderaten in Pannonien aufgenommen werden. Sie müssen mit der einheimischen Bevölkerung und zwischen ihr gelebt haben, sie wurden größtenteils in ihren Friedhöfen bestattet, ohne daß sich anscheinend Form und Ritus der Bestattung ändern. Nichts deutet auf ein Ende der bisherigen Lebensformen hin. Die neuen Grabbeigaben können dabei von den Zuwanderern stammen, aber auch von der einheimischen Bevölkerung könnte Tracht und Mode teilweise übernommen worden sein. Wie die Ausgrabungen gezeigt haben, bestanden die Städte weiter, in ihnen arbeiteten Werkstätten, die neben den traditionellen Erzeugnissen und Gebrauchsgegenständen auch solche Produkte, etwa Schmuck, erzeugten, die dem neuen "Geschmack" entsprachen.

Erst um 427 verlegten die Hunnen ihren Hauptsitz in das Karpatenbecken unhd bekamen die Provinz Pannonien übertragen. Die folgende Periode hebt sich im Fundmaterial durchaus ab, aber von einer Zerstörung Pannoniens und von einer Vernichtung der Vorbevölkerung kann auch jetzt nicht die Rede sein. Die hochentwickelte italische Stadtkultur, die sich vor allem entlang der Hauptverkehrsstraße zur Donau (Bernsteinstraße) in Savaria (Steinamanger- Szombathely) und Scarabantia (Ödenburg-Sopron) entwickelt hatte, verschwand nicht von heute auf morgen. Straßen und Raststationen, Villen, Kirchen und Städte bestanden weiter, wenn auch zum Teil in reduzierter Form. In die verlassenen Militärbauten Carnuntums wurden Wohnhäuser eingebaut, Münzfunde beweisen, daß der Ort als Handelsstützpunkt sowohl von Byzanz wie auch von Italien aus erreichbar blieb. Neue Kirchen wurden errichtet. Die germanischen Föderaten benützten die Städte mit ihren Bequemlichkeiten und ihrer guten Infrastruktur ebenso als Stützpunkte wie die Hunnen, deren Besatzungen in den ehemaligen Römerstädten stationiert waren.

 Das Christentum scheint besonders zur Kontinuität des Lebens in Pannonien beigetragen zu haben. Das frühe Christentum hat auch in Pannonien zahlreiche archäologische Funde hinterlassen. Im 4. Jh. scheint sich die neue Religion mit Unterstützung der römischen Oberschicht rasch ausgebreitet zu haben. Gottesdienste und Zusammenkünfte fanden zunächst in weltlichen Gebäuden statt, bald aber wurden auch Kirchen errichtet, etwa auf den Landgütern einfache Saalkirchen. Zahlreiche frühchristliche Kirchen sind inzwischen archäologisch nachgewiesen. Eine frühchristliche Kirche gab es in Savaria (Steinamanger - Szombathely) unter der heutigen Martinskirche, vielleicht auch unter der Franziskanerkirche.

Großartig sind die frühchristlichen Hinterlassenschaften in Fünfkirchen - Pecs. Das 4. Jahrhundert scheint überhaupt eine Blütezeit des Christentums in Pannonien gewesen zu sein. Die ungarische Forscherin Edit B. Thomas ist der Meinung, daß es sich dabei um die arianische Form des Christentums handelte - Arius hielt sich persönlich in dieser Zeit in Südpannonien im Exil auf. Dies wäre auch der Grund gewesen, warum die Germanen, die, soweit sie damals schon Christen waren, ja ebenfalls der arianischen Richtung angehörten, die pannonischen Kirchen nicht gestört, ja im Gegenteil, sogar gefördert hätten. Diese Meinung blieb allerdings nicht unwidersprochen.

Die ungarische Forschung vertritt auch die Meinung, daß neben den Limesorten und den Städten am Plattensee der Westen Pannoniens, also besonders das heutige Burgenland, das Gebiet zwischen Savaria, Scarabantia und der Kaiservilla von Parndorf - Bruckneudorf, römisches Leben besonders gut und besonders lang bewahrt hätten. Sie verweist auf das rege spätantike Leben, auf die Tatsache, daß sich in diesem Raum immer wieder Mitglieder des Kaiserhofes aufhielten, und auf entsprechende archäologische Funde wie z.B. den in Schützen am Gebirge gefundenen Honoriuskopf oder auf die Altarplatte von Donnerskirchen. Sehr viel spricht für die Richtigkeit dieser Meinung. Es sollen im exemplarisch an Hand von Scarabantia - Ödenburg die Kontinuität städtischen Lebens aufgezeigt werden.


 

 

 

 

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Quellen

 Mitscha-Märheim, H.: Ein spätantiker Fund aus St. Georgen im Burgenland. Burgenländische Heimatblätter 14. Jahrgang, Heft 2, Eisenstadt 1952
 

 

 

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