Die Unterwerfung des evangelischen Ödenburg 1674
Kardinal Leopold Kollonitsch, der Präsident der ungarischen Kammer, war fest entschlossen, die Stadt zu unterwerfen. Die Beteiligung Stefan Wittnyedys an der "Wesselenyischen Verschwörung" war ein willkommener Vorwand. 1670 scheiterte ein erster Versuch. Eine Söldnertruppe unter Oberst Zeus wurde nicht in die Stadt eingelassen. 1672 kam Kollonitsch zusammen mit Bischof Szechenyi und Obergespan Esterházy in die Stadt. Sie verlangten, dass die Hälfte der Ratsherrn von den Katholiken gewählt werden sollte. Die Stadt, noch immer zu zwei Drittel evangelisch, weigerte sich. Es wurde ihr nun vorgeworfen, sie hätte seit 1609 gegen die Gesetze verstoßen, die die Wahl des Rates aus beiden Konfessionen vorschrieben. Für den Gesetzesverstoß über 63 Jahre hätte die Stadt 126 000 Gulden zu bezahlen. Ödenburg bekam schließlich eine Strafe von 34 000 Goldgulden auferlegt. Da die Stadt diese Summe nicht aufbringen konnte musste sie die beiden Dörfer Klingenbach und Loipersbach an den Fiskus verpfänden. Das Pfandrecht erwarb der Raaber Bischof Széchenyi und gab die beiden Dörfer zunächst an die Ödenburger, dann an die Günser Jesuiten weiter. Erst 1695 konnte die Stadt ihre Dörfer mit Hilfe einer Anleihe von 36 000 Gulden rücklösen. 1673 setzte Kollonitsch durch, dass die Hälfte des Stadtrates mit Katholiken besetzt wurde. Es war keineswegs leicht, geeignete katholische Kandidaten zu finden. Ein Stadtrat etwa, dessen Einsetzung man erzwungen hatte, ´konnte weder lesen noch schreiben-
1674 wurde der evangelische Stadtrat vor das außerordentliche Gericht in Preßburg zitiert, ebenso alle Prediger, Lehrer und Studenten sowie alle Bürger. Die Stadt versuchte, dem Verhängnis zu entkommen und schickte die Räte Georg Grad und Johann Metzger nach Preßburg, Andreas Preining und Johann Serpilius nach Wien. Alle Eingaben und Bitten waren vergeblich, die Stadt musste die schriftlich gefassten Bedingungen annehmen. Alle Kirchen, Benefizien, Pfarrhäuser und Schulen mussten von den Evangelischen abgetreten werden, die Pfarrer, Lehrer und Schüler mussten innerhalb von 15 Tagen die Stadt verlassen. Auch die sechs evangelischen Stadtdörfer verloren ihre Pfarrer und Lehrer. Das Wittnyedy – Haus neben der Georgskirche musste abgetreten werden, ein zweites Wittnyedi – Haus wurde der evangelischen Kirchengemeinde übertragen.
Allerdings gelang es dem bisherigen Stadtrichter Johann Serpilius einen Vertrag mit dem königlichen Fiskus zu schließen. Kein Ödenburger Bürger sollte gezwungen werden, zur römisch – katholischen Kirche überzutreten. Die öffentliche Religionsausübung wurde in der Stadt nicht zur Gänze untersagt. Die Evangelischen durften zwei Prediger behalten, ebenso ihre Stiftungen und testamentarischen Zuwendungen. Die Gottesdienste mussten zunächst in Privathäusern abgehalten werden. Der Besuch der Gottesdienste im Eggenberghaus wurde den Bürgern erlaubt. Die Pfarrer Sowitsch und Barth predigten – schon wenige Tage nach der Wegnahme der Kirchen - im Lacknerischen Haus. Das Gebäude des evangelischen Gymnasiums in der Langen Zeile blieb im Besitz der Evangelischen, der Unterricht war aber untersagt.
Am 28. Feber 1674 wurden die Kirchen an die hochrangige Delegation – Thomas Pállfy, Bischof zu Neutra und Kanzler Ungarns, Kollonics, Bischof von Wr. Neustadt und Kammerpräsident, und Szécheny, Bischof von Raab, in Anwesenheit von Esterházy mit seiner Gemahlin Ursula, Graf Johann Kéry und anderer Adeliger übergeben. Die Kirchen wurden neu geweiht.
Der abgesetzte Pfarrer Heinrich Trost wurde bei einer Trauung in Agendorf verhaftet. Mit Hilfe eines Kaufmannes gelang ihm die Flucht nach Wr. Neustadt. Er kehrte in seine Heimatstadt Jena zurück. 1675 hielt er vor dem Kurfürsten Bernhard von Sachsen einen Vortrag über die Evangelischen in Ungarn. 1680 starb er als Pfarrer von Beutnitz. Rektor Daniel Tieftrunk und Korektor Johann Kövesdy, Sohn des evangelischen Pfarrers, wurden in Preßburg verurteilt und auf die Galeeren nach Neapel verschleppt.
Über sieben Wochen wurde im Lacknerschen Haus gepredigt.1675 wurde bereits eine hölzerne Notkirche errichtet. Die beiden Pfarrer wurden dann allerdings für ein halbes Jahr nach Eisenstadt verbannt. Auch der Konvent bestand weiterhin, als eine gewissermaßen staatlich anerkannte Körperschaft öffentlichen Rechtes. Diese Zugeständnisse waren im damaligen Ungarn einzigartig. Zu verdanken hatte man dieses „Entgegenkommen“ vor allem der Fürsprache der preußischen, sächsischen, dänischen und niederländischen Gesandtschaft, die keine Möglichkeit hatten, in Wien evangelische Gottesdienste zu besuchen. Ganz besonders wichtig aber war die Rolle der Fürstin Eggenberg, der Witwe des österreichischen Marschalls Fürst Johann Anton Eggenberg, eine Tochter des Markgrafen Christian von Bayreuth.
Anna Maria Eggenberg hatte vor ihrer Eheschließung von Ferdinand II. die volle Glaubensfreiheit zugesichert bekommen. Sie hatte im Zuge der Gegenreformation Graz verlassen müssen und in Ödenburg ein Haus erworben, wohin sie mit ihrem gesamten Hofstaat 1671 übersiedelte. Sie stellte Matthias Lang als Hofprediger an. Im Hof ihres Hauses in der Georgengasse fanden ebenfalls Gottesdienste statt. Lang, zuvor Diakon in Wittenberg und Magister der Theologie, war von 1674 an über sechs Jahre Hofprediger. Er predigte von der Steinkanzel im Eggenberg-Haus in der Georgsgasse. Ein neuer evangelischer Friedhof wurde hinter dem Gymnasium angelegt. Eine weitere Schikane war die Verbannung der beiden evangelischen Prediger Barth und Sowitsch nach Eisenstadt, das inzwischen längst wieder katholisiert war. Dagegen gab es aber einen Proteststurm der evangelischen Gesandten in Wien, an der Spitze der schwedische Gesandte Graf Benedikt Oxenstierna. Schließlich wurde den beiden Pfarrern zu Ostern 1675 die Rückkehr nach Ödenburg erlaubt, nicht jedoch die Benützung der evangelischen Notkirche. Das Wittnyedy – Haus wurde den Jesuiten übergeben, unter Bruch der abgeschlossenen Verträge. Erst am 20. Dezember 1675 wurde die Holzkirche wieder freigegeben. 1676 brannte während des großen Stadtbrandes auch die evangelische Kirche ab. Die Opferbereitschaft der Bürger, aber auch des Exulantenadels in der Stadt und aus den evangelischen Ländern war aber groß und so konnte schon zu Ostern 1677 wieder ein neues, ebenfalls aus Holz gebautes Gotteshaus eröffnet werden.
Matthias Lang war zu seiner Zeit der bedeutendste theologische Schriftsteller in ganz Ungarn. Unter seinen Schriften sind vor allem die „zwölf Schlussreden wider Jodokus Kedd“ zu nennen. Kedd war ein Wiener Jesuit, der öfters in Ödenburg predigte und den „Christlichen Herzensführer“ herausgab. In seinen Schriften legte Lang klar die evangelische Sakramentslehre und den evangelischen Kirchenbegriff dar und trat so dem Vorwurf der Ketzerei entgegen. Um 1670 verfasste Lang ein Ödenburger Gesang- und Gebetbuch. Nach dem Tod der Fürstin Eggenberg sollte Lang ins Exil gehen, starb aber am Tag seiner erzwungenen Abreise. Konflikte mit den Katholiken wurden weitgehend vermieden, der Konvent verbot Predigern und Lehrern Gespräche mit den Jesuiten.
Ein weiterer herausragender Prediger in Ödenburg war Johann Konrad Barth. 1634 wurde er in Lampertheim im Elsass geboren, sein Vater war Pfarrer in der Nähe von Straßburg. Über Wittenberg und Rostock kam er nach Helsingör und an den Hof des dänischen Königs Friedrich III. 1663 wurde er Gesandtschaftsprediger des dänischen Gesandten Andreas Lilienkron in Wien, wo er nur sehr eingeschränkt wirken konnte. Die evangelische Gemeinde in Wien wurde damals stark bedrängt. 1665 wurde er als Pfarrer nach Ödenburg berufen. Dort heiratete er die Tochter des angesehenen Rates Ludwig Ägidius Prisoman. Sein Sohn Johann Konrad studierte in Regensburg und Jena Rechtswissenschaft und ließ sich in Ödenburg nieder, wo er 1702 verstarb. Pfarrer Barth war auch literarisch tätig und konnte immer wieder die Hilfe ausländischer Gesandter für das evangelische Ödenburg mobilisieren. Auch Heinrich Trost wäre zu erwähnen, 1661 bis 1663 evangelischer Pfarrer in Agendorf und dann bis 1674 in Ödenburg.
Trotz der Schließung aller Schulen konnte das evangelische Bildungswesen nicht vernichtet werden. Die Bürgerfamilien stellten Hauslehrer an, obwohl die Jesuiten mit schweren Strafen drohten. Und auch an den evangelischen Universitäten studierten weiterhin zahlreiche Söhne der Stadt, allein in den Jahren von 1675 bis 1681 11 in Wittenberg, 11 in Jena, 2 in Tübingen und einer in Bayreuth.
Die Schikanen gegen die Evangelischen gingen weiter. Der Rat musste zugunsten der Katholiken verändert werden, per Erlass wurde ein Steuereinnehmer als Bürgermeister eingesetzt, der weder ein Haus in der Stadt besaß noch Bürger war. 1681 bestand der Rat aus 9 Katholiken und 5 Evangelischen. Alle Funktionen wurden mit wie etwa der Stadtkommandant bis hin zu den Torwächtern wurden mit Katholiken besetzt. Der frühere Bürgermeister Natl musste sogar aus dem Stadtrat weichen und wurde durch den Ungarn Martin Csémy, der weder lesen noch schreiben oder rechnen konnte, ersetzt. Königliche Erlässe sollten die Handwerker zwingen, an den katholischen Prozessionen teilzunehmen. Das konnte aber verhindert werden.
Die „Rekatholisierung“ der Stadtdörfer
1673/74 mussten auch aus den Stadtdörfern die evangelischen Pfarrer und Lehrer weichen. Die erste gewaltsame Wegnahme einer evangelischen Kirche nahm Bischof Széchenyi in Loipersbach vor. Der evangelische Pfarrer Fohmann wurde für den 4. Juli 1672 vor das außerordentliche Gericht nach Preßburg zitiert. Fohmann war schwer krank und konnte nicht erscheinen. Der Bischof zitierte daraufhin den Ortsrichter und die Geschworenen nach Kroisbach, wo sie bis zum 30. April 1673 gefangen gehalten wurden. Die Kirche wurde gewaltsam aufgebrochen und der katholische Pfarrer Rosenitsch eingesetzt, Fohmann musste ins Ausland fliehen. Am 21. und 22. Dezember 1673 wurden auch die Kirchen in Wolfs und in Agendorf aufgebrochen. Pfarrer Matthias Rosner musste mit seiner Familie ins Exil. Es folgten Harkau und Mörbisch, jeweils mit Einsatz von Soldaten. In Ödenburg stand der greise Bischof mit seinen 500 Dragonern vor verschlossenen Toren. Die Bürgerwehr und bewaffnete Handwerker hielten die Soldaten in Schach. Sie mussten unverrichteter Dinge abziehen. Die Situation der Stadt blieb jedoch prekär. Man machte ihr auch den Vorwurf, dass Pfarrer Rosner in Agendorf und Pfarrer Launer in Wolfs auf Bitten ihrer Dörfer zurückkehrten, um die Weihnachtsgottesdienste abzuhalten. Die beiden Prediger wurden zum Schein in Gewahrsam genommen, dann aber, da je zwei Bürger für sie ins Gefängnis gingen. Rosner war 1676 in Königshofen bei Jena, später in Altenburg tätig.
Es sollte aber in dem Jahrhundert bis zum Toleranzpatent nicht gelingen, die Bevölkerung der deutsch-evangelischen Dörfer wieder für den Katholizismus zurück zu gewinnen, obwohl in dieser Zeit nur katholische Pfarrer und Lehrer wirkten. Die katholischen Pfarrer mussten immer wieder feststellen, dass in den Familien weiterhin die lutherischen Lieder gesungen wurden und Hausandachten abgehalten wurden. Nach der Resolutio Leopoldina blieben sämtliche Pfarrämter und Schulen der Stadtgemeinden im Besitz der katholischen Kirche. Die offiziellen kirchlichen Handlungen – Taufen, Eheschließungen, Begräbnisse – nahmen die katholischen Pfarrer vor. Die Kinder wurden zu den katholischen Lehrern in die Schule geschickt. Katholischer Pfarrer in Loipersbach, bald darauf in Agendorf mit Loipersbach als Filiale, war von 1674 bis 1684 Stefan Rosenitsch, 1684 bis 1694 Diviachich. Lehrer war ab 1695 der aus Wulkaprodersdorf stammende Michael Wild. Die evangelischen Gläubigen sträubten sich manchmal bei den Naturalabgaben oder Robotleistungen für die katholischen Pfarrer. Nach dem großen Stadtbrand wurden auch die Stadtgemeinden zu höheren Abgaben verpflichtet. Diese protestierten schriftlich bei der Stadt. Preiner wies den Protest zurück mit der Begründung, dass die Bauern der Esterházy und Nadasdy noch weit höhere Lasten zu tragen hätten.
1683 Zerstörung der Dörfer durch die Tataren
Die Überfälle der Tataren im Jahre 1683 trafen die Stadtdörfer schwer. Am 23. Juli wurde Agendorf, am 24. auch Loipersbach überfallen. 1696 wurde eine neue „Zusammenschreibung“ der Stadtgemeinden vorgenommen. Die Abgaben wurden erhöht.
Die Visitation von 1713 gibt einen Einblick in die Zustände der Dörfer. Am 24. Juni kamen die Visitatoren nach Agendorf und Loipersbach. Katholischer Pfarrer war von 1713 bis 1726 Andreas Dorner. In Agendorf stellten sie fest, dass die Dorfkirche zu Ehren des Hl. Georg 3000 Schritt vom Dorf entfernt lag und in einem guten Zustand war. Die Kirche war innen von einem Holzchor umgeben. Der Kirchturm war nicht an das Kirchenschiff angebaut.
In Loipersbach, jetzt wieder Filiale von Agendorf, gab es noch zwei Kirchen, eine davon am Berg, die andere im Dorf. Zur Pfarre gehörten drei kleine Weingärten, 11 Joch Ackerfeld und drei Wiesen, Die im Dorf stehende Kirche wurde um 1466 erbaut, 1633 vergrößert und 1683 von den Türken niedergebrannt. . Lehrer waren in Agendorf 1713 Andreas Resch, später Matheus Schuster (1756 – 1785) und Oswald Freyler. In Loipersbach wirkte Georg Wagner, der aus Mattersburg stammte. Nach Wagner wurde Josef Fürsatz Lehrer in Loipersbach. Er genoss im Ort ein hohes Ansehen. Nach seinem Tod wurden sein Sohn Josef und 1780 sein Enkelsohn Lehrer in Loipersbach. Es waren 1713 44 Personen katholisch, von denen 27 die Osterbeichte vollzogen. Nach Dorner wurde Michael Weschitz Pfarrer. Er stammte aus Weppersdorf. Er ließ die beiden Kirchen in Agendorf und in Loipersbach instand setzen. In der Visitation von 1734 wird er als glaubenseifriger Pfarrer geschildert. Bischof Groll berief ihn als Pfarrer nach Kroisbach. 1739 berief Bischof Groll auf Empfehlung des Stadtrates den bisherigen Stadtkaplan Michael Puckel nach Agendorf. Er kam jedoch mit den beiden evangelischen Gemeinden nicht zurecht. 1741 ging er als Stadtpfarrer nach Wieselburg. 1764 war Ignatz Kraczer Pfarrer in Agendorf – Loipersbach. Der geborene Ödenburger führte ein sehr liederliches Leben und vernachlässigte seine Gemeinde. Oberdekan Knoblauch führte drei Visitationen durch, Kraczer wurde seines Amtes enthoben, Anton Mayr als Administrator eingesetzt. Kraczer wollte aber nicht weichen. Auf Anraten des Loipersbacher Lehrers Josef Fürsatz machten die beiden Dörfer eine Eingabe beim Bischof und schilderten Kraczer als tyrannischen, zornigen, sittenlosen und liederlichen Pfarrherrn, der nicht einmal den Sterbenden Beistand leistete. Kraczer wurde daraufhin vom Bischof in sein Benefizium in Ödenburg zurück versetzt, wo er noch lange lebte. In seinem Testament vermachte er aber dann der Gemeinde Agendorf 600 Gulden. Damit sollte eine Kapelle am Ortseingang gebaut werden. Neuer Pfarrer wurde Anton Mayr, obwohl der Bischof seine Wahl zunächst für ungültig erklärt hatte, da an ihr auch evangelische Ratsherrn beteiligt waren. 1772 war die von Kraczer gestiftete Kapelle bereits fertig gestellt. Zur Zeit Mayrs missionierte ein Pater Wütt in beiden Gemeinden und gründete angeblich 26 kleine Kirchengruppen (Katechetengemeinschaften) mit insgesamt 390 Mitgliedern. Diese wurden jedoch 1787 durch Kaiser Josef II. aufgelöst. Mayr dürfte im Dorf positiv gewirkt haben. Zichy berief ihn deshalb zum Ödenburger Dekan.
Zwischen Duldung und Repression - Der Landtag von 1681 in Ödenburg und die Artikularkirchen
Die Erfolge des aufständischen Tököly erzwangen die Einberufung des Landtages nach Ödenburg, der in Anwesenheit Kaiser Leopolds abgehalten wurde. Den evangelischen Ständen wurde gnädig erlaubt, ihre Beschwerden schriftlich vorzubringen. Während des Landtages wurden auch Feste gefeiert, etwa anlässlich der Wahl Esterhazys zum Palatin, am Namenstag Leopolds und anlässlich der Krönung seiner Gemahlin Eleonore zur Königin von Ungarn. Auf dem Ödenburger Landtag von 1681 wurde die Religionsausübung der Evangelischen auf die „Artikularorte“ beschränkt, im Komitat Ödenburg auf Nemeskér, im Komitat Eisenburg auf Nemescsó. Ödenburg behielt seine Sonderstellung wie bisher. Die beiden Prediger Lang und Sowitsch durften aber nicht in die Stadtdörfer gehen.
1682 erschien Kanzler und Bischof Draskovich persönlich in Ödenburg. Er befahl dem Bürgermeister Johann Steiner und dem Stadtrichter Johann Gering, die evangelischen Prediger zu entlassen. Im August 1682 mussten der Bürgermeister und einige Räte in Wien erscheinen. Es wurde der Stadt untersagt, für den in Wien verstorbenen Musaeus einen Nachfolger zu wählen. Die Stadt hielt sich daran. Pfendtner predigte nun aber in der Michaelerkirche , für den ebenfalls verstorbenen Rittschendel bestellte der Rat Leonhard Pinder als Prediger in der St. Georgskirche. Im Feber 1683 wurden Bürgermeister und Rat erneut nach Wien bestellt, konnten aber nichts erreichen. Am Landtag in Preßburg im März und April 1683 leisteten die Stände König Rudolf Widerstand . Draskovich verlangte erneut die Auslöschung der Evangelischen. Der Türkenzug gegen Wien und die erzwungene Huldigung für Thököly unterbrach dann die Auseinandersetzungen.1683 musste die Stadt wie die meisten anderen Städte und Adeligen in Westungarn den Türken bzw. deren Gefolgsmann Thököly huldigen. Den Evangelischen wurden die Kirchen zurückgegeben, Sowitsch hielt in der Michaelerkirche den Dankgottesdienst. Die Kommissare Thökölys wiesen die Jesuiten aus der Stadt aus, ihre Häuser wurden vom Pöbel geplündert. Nach der Niederlage der Türken vor Wien erhielt die Stadt Pardon. Die Jesuiten kehrten zurück und verlangten von der Stadt nahezu 5000 Gulden Schadenersatz.
Aber schon im September 1583 wurden Bürgermeister, Stadtrichter und der Stadtnotar erneut nach Wien zitiert. Der Stadt wurde mit der Degradierung zum Dorf gedroht. Die Pfarrer Pfendtner und Pinder sollten vor dem Bischof in Kroisbach erscheinen. Die Explanatio Leopoldiana von 1687 verschärfte die Bedingungen für die Evangelischen. Der evangelische Superintendent durfte die Gemeinden zwar besuchen, dort aber keinen Einfluss nehmen. Visitationen führte ausschließlich der katholische Oberdekan durch. Mischehen waren nur dann gestattet, wenn sie vom katholischen Pfarrer vollzogen wurden.
1684 kam wieder Kollonitsch in die Stadt und verlangte die bisherige Wahlordnung. Serpilius und Leopold Nätl widersprachen. 1691 wurde in Gegenwart von zwei kaiserlichen Kommissaren eine Vereinbarung geschlossen. Der Rat sollte je zur Hälfte aus Katholiken und Evangelischen bestehen, Bürgermeister- und Richteramt sollten jährlich zwischen den beiden Konfessionen wechseln. Diese Vereinbarung hielt bis in das 20. Jahrhundert.
Die Zugeständnisse des Ödenburger Landtages wurden 1687 wieder durch die Explanatio Leopoldina eingeschränkt. Die Duldung der Evangelischen wurde von der Gnade des Herrschers abhängig gemacht, konnte also jederzeit wieder zurückgenommen werden. Trotz vieler Maßnahmen gegen die Evangelischen hielt die Stadt im Rakoczi – Aufstand treu zum habsburgischen Königshaus und überstand eine schwere Belagerung, mit Beschießung der Stadt zu Weihnachten 1705 und am 2. Jänner 1706. Es waren die Ödenburger Bürger, die durchhielten. Der kaiserliche Oberst Weitersheim wollte die Stadt übergeben. Die Belagerung war aber ein schwerer Schlag für die Stadt, deren Wohlstand weitgehend vernichtet wurde. Es blieb ein riesiger Schuldenstand und auch die Einwohnerzahl ging stark zurück. 1715 hatte die Stadt nur mehr 5472 Einwohner. Probleme bereiteten weitere Erlässe und Dekrete gegen die Evangelischen, etwa 1728 der Dekretaleid, der vorsah, dass alle Beamten auf die Hl. Maria und alle Heiligen zu schwören hatten. Das hätte einen Ausschluss aller Evangelischen von allen städtischen und staatlichen Ämtern bedeutet. Ödenburg konnte aber, wie Pressburg und einige wenige andere Städte, eine Befreiung vom Dekretaleid erwirken.
Die Zünfte wurden ebenfalls der Kontrolle der katholischen Kirche unterstellt. 1700 wurde durch Johann Paul Greiner, königlich Ödenburger Postmeister, Stadtrat und Zunftmeister, das Vermögen der Zünfte erfasst. Die Zünfte besaßen 730 Pfund Weingärten. Im Auftrag des Bischofs Szechenyi musste das gesamte Vermögen der Zünfte an die Kirche übergeben und die Zunfttruhen in der Michaelerkirche deponiert werden. Sämtliche Rechnungen mussten dem Stadtpfarrer vorgelegt werden.
Auf Bischof Leopold Kollonitsch folgte Christian August als Bischof. Er war ein Konvertit aus dem sächsischen Kurfürstenhaus. Anders als Kollonitsch setzte er nicht auf Gewalt, sondern auf die Mission durch Jesuiten und Franziskaner. Eine massive Rekatholisierungswelle fand unter den Pfarrern Andreas Matuschek und Stefan Kontor statt. Ein kaiserlich königlicher Revers verbot Mischehen generell. Der evangelische Partner musste zuvor zur katholischen Kirche übertreten, die Kinder mussten katholisch erzogen werden. Vorkämpfer dieser Katholisierungsbemühungen waren der Jurist Mathias Trimel und Paul Johann Greiner. 1713 nahm Bischof Christian August eine Visitation vor, in der Stadt und auch in den Dörfern. Er verweigerte den Evangelischen die Rückgabe ihrer Bibliothek und forderte von ihnen Geld für die Renovierung der Michaelerkirche. 1725 starb Christian August, Bischof wurde der 27 – jährige Ludwig Philipp Graf zu Sinzendorf, der die Grundlage für die Ansiedlung der Ursulinerinnen in der Stadt legte, und nach ihm Adolf Groll. Dieser verbot die Ansiedlung evangelischer Deutscher. Die Stadt wurde gezwungen, ungarische Ansiedler katholischen Glaubens aufzunehmen.
Unter Bischof Zichy und Stadtpfarrer Primes
Stadtpfarrer Lorenz Hauser, ein gebürtiger Kroisbacher, brachte die Kirchengüter in Ordnung. Wenn er betrunken war, war er sehr jähzornig und wurde handgreiflich. Zichy war von 1743 bis 1783 Bischof von Raab. Unter dem neuen Stadtpfarrer Primes, einem gebürtigen Neckenmarkter, gab es bald massive Probleme. 1746 wollte ein außerhalb des Stadttores wohnhafter Gärtner heiraten. Primes verbot die Trauung. Auch in der Affäre Wimmersberg zeigte er sich unnachgiebig. Die Eltern stammten angeblich aus Loipersbach und waren evangelisch. Da sie vor der Ehe ein „sündiges Verhältnis“ hatten, wurden sie nur getraut, weil sie versprachen, ihre Kinder katholisch taufen zu lassen. Der katholische Pfarrer in Agendorf kümmerte sich aber nicht um die Angelegenheit und so wurden die Kinder evangelisch erzogen. Als Primes 1754 Dekan wurde griff er die Angelegenheit wieder auf, die Kinder mussten zur „Glaubenserziehung“ nach Ödenburg kommen. Von der Kanzel verkündete Primes, dass jedes Waisenkind der „katholischen Kirche gehört“, musste dies aber auf Anordnung Maria Theresias zurücknehmen. Primes konnte sich in einer anderen, sehr heftig umstrittenen Frage nicht durchsetzen. Er schaffte es nicht, die evangelischen Zünfte mit ihren Fahnen und Uniformen zur Teilnahme an den Fronleichnamsprozessionen zu zwingen. Eine in Ödenburg ansässige Druckerei musste freilich alle Schriften, die gedruckt wurden, dem Stadtpfarrer zur Zensur vorlegen. Gegen den Bau des neuen Theaters am Platz der ehemaligen Ochsenmühle hatte Primes nichts einzuwenden. Als aber Dorfmeister das Theater mit „Lustfiguren“ ausmalte protestierte er heftig.
Konflikte gab es vor allem um die Taufe der Kinder aus Mischehen. Der katholische Stadtpfarrer Primes bestand grundsätzlich auf eine katholische Taufe. Auch alle Waisen, auch diejenigen aus evangelischen Familien, wurden von der katholischen Kirche in Anspruch genommen und im vom k. k. Kommissar Karl Voß gestifteten Waisenhaus katholisch erzogen. Bekehrungsversuche der Jesuiten im großen Stil blieben erfolglos. Verboten wurde die Zuwanderung aus dem Reichsgebiet. Die Stadt ermöglichte daraufhin verstärkt die Zuwanderung aus den deutschen evangelischen Gemeinden Westungarns. Die Auslandsstudien wurden eingeschränkt. Die Behörden verlangten ab 1725 Pässe. Zeitweise waren die Auslandsstudien verboten (1756-59, 1763-66). In Ödenburg standen große Stiftungen für Auslandsstudien zur Verfügung, 1764 etwa 28 000 Goldgulden. Durch die Resolutio Carolina wurden die evangelischen Pfarrer unter die Oberhoheit der katholischen Bischöfe gestellt. Der Bischof durfte die Führung der Matrikelbücher überprüfen und eine „Prüfung“ des evangelischen Pfarrers zur Taufe durchführen.
In der Resolutio Carolina II von 1734 wurde die Errichtung von vier Superintendenturen angeordnet. Pfarrer Samuel Serpilius wurde zum Superintendenten gewählt, der Ödenburger Konvent untersagte ihm aber die Annahme dieses Amtes. Ab 1735 fanden Generalkonvente statt, die je einen Generalinspektor für Kirchen- und Schulangelegenheiten wählten. Gemeinden, Seniorate und Kirchendistrikte bekamen Inspektoren als weltliche „Schutzherren“. Pressburg und Ödenburg wollten sich dieser Neuorganisation nicht einfügen. Die evangelische Gemeinde Ödenburg beharrte darauf, seine Religionsangelegenheiten direkt beim König vortragen zu dürfen und kam so in Konflikt mit dem Distriktualinspektor Paul Matkovitsch. In der Frage des Umbaues des Schulwesens im Gefolge der Maria Theresianischen Schulgesetzte, der hohe Kosten verursachte, musste sich die Stadt aber doch dem Generalkonvent anschließen.
Die Konflikte zwischen städtischer Kirchengemeinde und Distrikt gingen auch noch nach dem Toleranzedikt weiter. 1786 wurde der Kirchenkreis jenseits der Donau neu aufgeteilt. Es wurde das Oberödenburger Deutsche Seniorat geschaffen, Ödenburg selbst und Rust blieben aber selbständige Stadtseniorate. Dadurch verlor der Ödenburger Konvent die Zuständigkeit für die Stadtgemeinden. Der Konflikt wurde zunächst so gelöst, dass Samuel Gamauf Senior der Stadt und der Stadtgemeinden wurde. Da aber Superintendent und Superintendentialinspektor auf ihr Visitationsrecht über die Stadt bestanden beantragte 1786 der Ödenburger Konvent am kaiserlichen Hof die Bildung einer deutschen Superintendentur. Der Antrag wurde nicht genehmigt. 1796 wollte Superintendent Hrabovsky das Gymnasium, das 1782 zu einer theologisch – philosophischen Akademie ausgebaut worden war, visitieren. Er wurde aus der Schule verwiesen. 1812 kam es zu einer Vereinbarung mit dem Generalkonvent. Ödenburg wurde die Autonomie innerhalb des Kirchenkreises zugesichert und blieb ein Stadtseniorat. Der Konvent hatte nicht nur Probleme mit dem Kirchendistrikt. Auch innerhalb der Stadt kam es zu Konflikten, hauptsächlich zwischen dem Konvent und der Leitung des Gymnasiums, die immer mehr die Ideen der Aufklärung in das Unterrichtsgeschehen aufnahm. Den lutherisch – orthodoxen Kreisen passte das nicht. Der langjährige und äußerst verdienstvolle Rektor Christof Deccard wurde wegen eines kritischen Artikels entlassen. Daniel Haynóczy wurde vom Konvent heftig kritisiert und verstarb, im Streit zwischen Pfarrer Oertel und dem Professor Ribini wurde letzterer kurzerhand entlassen. Unzufriedenheit herrschte in weiten Kreisen der Bürgerschaft über die Dominanz weniger Patrizierfamilien im Konvent. Auch der Adel und wohlhabende Bürger verlangten mehr Mitbestimmungsrechte. 1796 musste der Konvent erweitert werden. Zu den bisher acht Mitgliedern mussten nun auf Vorschlag der vier Stadtviertel weitere 24 Mitglieder aufgenommen werden. Im Konvent wurden Ausschüsse gebildet, die sich den einzelnen Aufgabenbereichen widmeten.
Der Kampf um die kirchliche Autonomie Ödenburgs ging weiter, da der Kirchendistrikt immer wieder das Visitationsrecht über das Gymnasium forderte. Ein Ausweg war, dass der Ödenburger Pfarrer Johann Kis zum Superintendenten gewählt wurde, Theophil Gamauf war Senior. 1846 starb Kis, Ödenburg sah damit das Visitationsrecht des Distrikts für verfallen an. In diesen Streitigkeiten um die Autonomie ging es immer mehr auch um nationale Fragen. Der Kirchendistrikt war magyarisch dominiert, der Stadtkonvent deutsch. Nach Gamaufs Tod etwa setzte der Distrikt durch, dass anstatt der lateinischen Sprache in der Matrikelführung die ungarische eingeführt wurde. Und es ging vor allem auch um die Unterrichtssprache am Gymnasium. Im Revolutionsjahr 1848 eskalierte dann die nationale Frage. Die deutsch – evangelische Gemeinde verlor schließlich ihre Schule an das Magyarentum.