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Eduard Sueß, Begründer der modernen Geologie, Rektor der Wiener Universität, Präsident der Akademie der Wissenschaften, Erbauer der 1. Wiener Hochquellwasserleitung und Politiker, war dem damaligen Westungarn verwandtschaftlich eng verbunden und verbrachte viel Zeit im Haus der Familie in Marz, das heute noch besteht ("Sueß - Villa"). In Marz ist er auch begraben.

Eduard Sueß wurde 1831 in London, wo sich seine Eltern für einige Jahre aufhielten, geboren. Auch seine frühe Kindheit verbrachte er in London. Die Familie des Vaters stammte aus dem sächsischen Vogtland, die der Mutter aus Prag. Nach der Rückkehr aus England studierte Eduard Sueß in Prag und an der Technik in Wien. Als Mitglied der Akademischen Legion und des Sicherheitsausschusses war er an der Revolution von 1848 beteiligt und vorübergehend auch eingekerkert. Diese Ereignisse machten ihn „zum überzeugten Gegner jeder Polizeiherrschaft, jeglicher Staatswillkür gegen die Rechte des einzelnen" (Brigitte Hamann).


Als Geologe war Eduard Sueß Autodidakt. Seine wissenschaftlichen Arbeiten erregten aber schon früh großes Aufsehen. Er wurde zunächst Assistent am Hofmineralienkabinett, 1875 (erst 26jährig und ohne Doktorat) außerordentlicher und 1867 ordentlicher Professor an der Universität Wien. Sein Buch „Der Boden der Stadt Wien nach seiner Bildungsweise, Beschaffenheit und seinen Beziehungen zum bürgerlichen Leben" machte ihn in der Öffentlichkeit bekannt. Als Referent der Wasserversorgungskommission entwickelte er den Plan, Trinkwasser aus dem Rax-Schneeberg-Gebiet nach Wien zu leiten. Es gab allerdings heftigen Widerstand gegen dieses Unternehmen. Der Erfolg gab Eduard Sueß jedoch recht. Nach der Fertigstellung dieser 1. Hochquellwasserleitung im Jahre 1873 ging die Zahl der Cholera- und Typhusfälle stark zurück. Auch an der Donauregulierung im Bereich der Stadt Wien war Eduard Sueß maßgebend beteiligt. Als man jedoch daranging, sein Wasserleitungsprojekt mit Glückslosen zu finanzieren, trat er aus Protest aus dem Gemeinderat aus.

Der liberale Politiker, der als Geologe zu dieser Zeit bereits international anerkannte Eduard Sueß, war (wie viele Naturwissenschaftler seiner Zeit, die die Lehre Darwins bestätigten) in Konflikt mit der katholischen Kirche geraten. Nachdem er 1874 als Abgeordneter in den Reichsrat gewählt worden war, trat er konsequent für die Trennung von Staat und Kirche ein. Ein besonderes Anliegen war ihm das 1868 beschlossene liberale Reichsvolksschulgesetz, für dessen Durchsetzung er einen zähen Kampf führte. 1869 war Eduard Sueß für ein Jahr Landesschulinspektor von Nieder- und Oberösterreich. Er trat für die Gründung von Lehrerbildungsanstalten und die Errichtung von Ackerbau- und Handelsschulen ein. Immer wieder nahm Sueß Partei für religiöse und nationale Minderheiten. Viele Feinde schuf er sich, als er im Zusammenhang mit dem Börsenkrach von 1873 nicht bereit war, den Juden die Schuld zuzuschieben. Der persönlich integre, fleißige, in allen seinen politischen Reden sachlich argumentierende, nie verletzende Sueß, die „Verkörperung eines weisen Puritanismus, fleischgewordene Selbstlosigkeit", der alle persönlichen Vorteile aus einer Tätigkeit zurückwies, sämtliche Orden und die Erhebung in den Adelsstand ablehnte, war in seinen späteren Jahren heftigen und verletzenden Angriffen seiner Gegner ausgesetzt. Besonders die Christlichsozialen und ihr Führer Lueger verhöhnten Sueß. Er erhielt häufig Drohbriefe von Antisemiten, sein Name wurde absichtsvoll „Süß" geschrieben. Als er 1888 zum Rektor der Wiener Universität gewählt wurde, diffamierte man ihn als „Antichristen", die Christlichsozialen Studenten weigerten sich, ihn zu grüßen. Schließlich trat er als Rektor zurück. Dass Sueß kein Jude war, wussten die Zeitgenossen nicht, und er selbst tat nichts dazu, sie aufzuklären.

1897 legte Sueß auch seinen Sitz im Abgeordnetenhaus zurück und widmete sich ganz seinen Forschungen. Seit 1889 war er allerdings auch Präsident der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Als er 1911 von der Präsidentschaft zurücktrat, übermittelte ihm Kaiser Franz Joseph ein Abschiedsschreiben, in dem Eduard Sueß folgendermaßen gewürdigt wurde: „Die Gebildeten auf dem ganzen Erdball kennen Ihren Namen als einen der glänzendsten, und die Welt der Gelehrten reiht ihn unter ihre besten."

Es ist kaum vorstellbar, dass dieser gewissenhafte Lehrer, vielseitige Politiker und Manager auch noch die Zeit fand, sich seinen paläontologischen und geologischen Forschungen zu widmen. Er tat dies keineswegs als Stubengelehrter. Alle seine Arbeiten beruhten auf persönlichen Forschungen im Gelände. Sein geologisches Hauptwerk, das „Antlitz der Erde", erschien in drei Bänden in der Zeit von 1881-1909. Es ist „eines der imposantesten wissenschaftlichen Denkmale, das ein einzelner der Nachwelt hinterlassen hat" (Othmar Kühn). Dieses Werk fasste in großartiger Weise und ohne sich im Detail zu verlieren, das damalige geologische Wissen zusammen. Auch für die Geomorphologie war es epochal. In den Folgewirkungen vielleicht bedeutender war das 1875 erschienene Buch „Die Entstehung der Alpen". „Es bezeichnete einen außerordentlichen Fortschritt, gewissermaßen den Beginn einer neuen Epoche im Studium tektonischer Probleme. Niemand hatte bis dahin die Frage nach dem Bau der Gebirge in so präziser Weise gestellt, niemand ihre Tragweite so voll erfasst. Die geistreiche Erklärung der Faltengebirge durch einen einseitigen Horizontalschub wurde indessen von der Mehrzahl der Forscher allmählich angenommen" (Othmar Kühn). Die Arbeit war, wie Alexander Tollmann gezeigt hat, auch ein wichtiger Anstoß für die in Frankreich durch Marcel Bertrand entwickelte Deckenlehre.

Eduard Sueß verbrachte einen Teil seines Lebens in seinem Landhaus in Marz. Dort dürfte ein beträchtlicher Teil seiner wissenschaftlichen Arbeiten entstanden sein. Die Verbindung zu März war verwandtschaftlich bedingt. Die Gattin von Eduard Sueß, Hermine Strauß, stammte aus März. Der Mühlenbesitzer und Gastwirt Matthias Strauß aus März hatte einen Sohn, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein berühmter Arzt in Wien war. Dieser Dr. Franz Strauß war mit Aloisya Partsch, der Schwester des Vorstandes des mineralogischen Hofkabinetts, verheiratet. Dieser Ehe entstammten drei Töchter, die alle drei bekannte Gelehrte heirateten: Eduard Sueß, Moritz Hoernes (Vorstand des mineralogischen Hofkabinetts) und den Mediziner Johann Natterer (dessen Vater war Vorstand der zoologischen Abteilung des Hofkabinettes und hatte weite Reisen in Lateinamerika unternommen). Die Söhne des Moritz Hoernes waren ebenfalls Wissenschaftler hohen Ranges. Rudolf Hoernes war Geologe in Graz, Moritz Hoernes war Professor für Urgeschichte in Wien. Der Sohn von Eduard Sueß, Franz Eduard Sueß, war ebenfalls Geologe und Vorstand des geologischen Institutes der Universität Wien. Es gab also um Eduard Sueß eine ganze Gelehrtendynastie. Besonders seine Neffen verbrachten immer wieder ihre Ferien in Marz. Sie alle wandten ihre Aufmerksamkeit wiederholt der Geologie, der Landschaft, der Bevölkerung und der Geschichte Westungarns zu. Es kam zu Kontakten mit dem Ödenburger Altertumsverein um Lajos Bela, und daraus entstand eine Gelehrtengemeinschaft, die man als den „Marzer Kreis" bezeichnet. Von hier aus wurden wichtige Forschungen angeregt und durchgeführt. So wurden etwa 1890/91 im Auftrag der Wiener Anthropologischen Gesellschaft Grabungen am Ödenburger Burgstall durchgeführt. Rudolf Hoernes und Franz Heger (später Direktor der anthropologisch-ethnologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums) öffneten hallstattzeitliche Grabhügel zwischen Marz und Rohrbach und in Schattendorf. Weitere Grabungen folgten.
 

Eduard Sueß selbst berichtet in seinen Lebenserinnerungen (erschienen nach seinem Tod 1916 in Leipzig) über seine Beobachtungen in Marz und Umgebung. „Manches hat sich in Marz in den letzten Jahrhunderten geändert, weniger durch die versuchte Magyarisierung als durch die Eisenbahn, durch die allgemeine Wehrpflicht und durch die Anziehungskraft der großen Fabriken in dem benachbarten Teil Niederösterreichs. An jedem Montag führt jetzt die Bahn Hunderte von Arbeitern über die Grenze, und Samstag Abend kehren sie zurück. Viele kleine Häuser entstehen mit einem sehr geringen Grundbesitz, den die Frau pflegt, und bei diesem gemischten System von Industrie und kleinem Feld- und Gartenbau gedeiht der Ort."

 

 

 

 

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Quellen

  • Eduard Sueß - Forscher und Politiker 20. 8. 1831-26. 4. 1914. Hg: Österreichische Geolog Gesellschaft, Wien 1981. Mit Beiträgen von: Othmar Kühn, Alexander Tollmann, Erich Thenius  u. a.
  • Brigitte Hamann: Liberaler Politiker, Naturforscher, Techniker. Eduard Sueß, dem Wien die erste  Hochquellwasserleitung dankt, wurde vor 150 Jahren geboren. Die Presse, Spectrum, 21 1981, S. VIII.
  • Burgenländische Landestopographie 3. Bd. (Mattersburg), 1. Teilband, S. 39-42.
  • Eduard Sueß: Erinnerungen. Leipzig 1916
    Michael Floiger: Eduard Sueß - zum 70. Todestag. Geographisches Jahrbuch Burgenland. Band 8. 1984

     

 

 

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