Mit dem "Ausgleich" von 1867 wurde die Habsburgermonarchie in die Österreichisch-Ungarische Monarchie umgewandelt. Sie bestand nunmehr aus zwei völlig gleichberechtigten Reichshälften, aus den "im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern" (kurz: Österreich oder Cisleithanien) und aus den "Ländern der Ungarischen Krone" (kurz: Ungarn, Transleithanien). Durch die verfassungsrechtlichen Vereinbarungen wurden die ungarischen Verfassungsgesetze von 1848 wieder hergestellt, mit einigen Änderungen. Die Beendigung des Neoabsolutismus wurde in Ungarn allgemein begrüßt und als nationale Wiedergeburt gesehen. Für die nichtmagyarischen Nationalitäten brachte der Ausgleich, wie sich bald zeigen sollte, schwerwiegende Nachteile.
Der Neoabsolutismus war schon 1860 stark in Bedrängnis geraten und konnte nach der Schwächung der Zentralgewalt nach der Niederlage im Deutschen Krieg von 1866 nicht mehr aufrecht erhalten werden. Die Bereitschaft, eine Lösung wegen des anhaltenden passiven Widerstandes in Ungarn zu suchen, war aber schon zuvor gegeben, zumal es auch in Ungarn Kreise gab, die eine Aussöhnung wünschten. 1866 kam es zu Verhandlungen der k.k. Regierung mit dem ungarischen Landtag. Im Februar 1867 wurde der ungarische Landtag als Reichstag wieder hergestellt, eine königlich ungarische Regierung gebildet - am 17. Februar berief Franz Josef Graf Julius Andrássy zum ungarischen Ministerpräsidenten - und am 8. Juni 1867 wurde Franz Joseph in Budapest zum ungarischen König gekrönt. Im 15. März leistete Andrássy mit seiner Regierung den Trueeid. Gemeinsam blieben die Außenpolitik, die Militärangelegenheiten und die Finanzen, soweit sie Außenpolitik, Heer und Marine betrafen. (k. u. k. Angelegenheiten) Erster k. u. k. Außenminister wurde Friedrich Ferdinand von Beust und ab 1871 bis 1879 Julius Andrássy.
Neben den drei gemeinsamen, "kaiserlich und königlichen" (k. u. k.) Ministerien bestanden die jährlich tagenden "Delegationen", Ausschüsse des österreichischen Reichsrates und des ungarischen Reichstages mit je 60 Mitgliedern. Die beiden Ausschüsse tagten abwechselnd in Wien und Budapest, aber getrennt voneinander. Vorlagen mussten in jeder der beiden Delegationen mit Mehrheit angenommen werden. Die Finanzen der drei gemeinsamen Ministerien wurden durch einen Obersten Rechnungshof kontrolliert. Als gemeinsame Einrichtung bestand auch ein Militärjustizsenat. Ein gemeinsamer Staastgerichtshof trat nie zusammen. Alle 10 Jahre traten Deputationen aus je 15 Personen zusammen, um die Kostenaufteilung zwischen den beiden Reichsteilen zu beschließen. Ab 1867 trug Ungarn 30 % der Gesamtkosten, nach den Ausgleichsverhandlungen von 1888 wurde dieser Anteil auf 31,4 % und 1907 auf 36,4 % erhöht.
Die Außen- und Verteidigungspolitik wurde im Ministerrat für Gemeinsame Angelegenheiten beraten und festgelegt. Teilnehmer waren die drei gemeinsamen Minister und die Ministerpräsidenten beider Reichshälften, bei Bedarf auch andere Minister und Fachbeamte sowie der Generalstabschef. Der Herrscher konnte ebenfalls teilnehmen. Man kann dieses Gremium nicht als Gesamtregierung sehen, es war eher ein Beratungsorgan des Monarchen.
Die beiden Reichshälften einigten sich auf eine gemeinsame Handels- und Zollunion , auf automatische gegenseitige Anerkennung von Patenten und auf eine gemeinsame Währung (Gulden, später Kronen). Zu den Angelegenheiten von gemeinsamen Interesse gehörten die Staatsschulden, Zoll- und Handelsangelegenheiten, wichtige Eisenbahnlinien, das Geldwesen, usw. Hier sollten gemeinsame Lösungen gefunden werden. Gemeinsame Lösungen wurden aber immer wieder auch durch verwaltungstechnische Maßnahmen unterlaufen.
Der Einfluss des ungarischen Königs - Franz Josef residierte jedes Jahr jeweils für einige Zeit im Budapester Schloss - auf die Verwaltung war weiterhin groß und wurde vom König auch gewissenhaft wahrgenommen, etwa im Personalwesen, bei größeren wirtschaftlichen Projekten, vor allem aber durch die so genannte "Vorsanktionierung" aller Gesetzesvorlagen im Reichstag. Der Herrscher und die Magnatentafel hatten ein Vetorecht. Die Mehrheit des Ministeriums Andrássy bestand aus Aristokraten und Großgrundbesitzern, ebenso nahezu die Hälfte der 46 Obergespane. Bis zum Ende der Monarchie konnte die Aristokratie ihre politische Vormachtstellung in Regierung und Reichstag behaupten, Der Kleinadel, die "Gentry" übernahm weitgehend die führenden Positionen in den Komitatsverwaltungen, war aber auch in der höheren Beamtenschaft der Ministerien stark vertreten.
Nationalitätengesetz 1868 und Schulgesetz
Zwei nach dem Ausgleich erlassene Gesetze hatten große Auswirkungen auf das Leben der Menschen in den Dörfern: Das Nationalitätengesetz und das Schulgesetz. Am 4. Dezember 1868 wurde das Nationalitätengesetz erlassen, das Ungarn zu einem einheitlichen Nationalstaat erklärte, ohne Rücksicht auf die nichtmagyarischen Bevölkerungsgruppen, die noch immer mehr als die Hälfte der Bevölkerung stellten. Die gesamte Bevölkerung sollte die "einheitliche ungarische Nation" bilden. Neben den Magyaren gab es nur verschiedensprachige Angehörige dieser ungarischen Staatsnation. Das Gesetz verfügte also die bürgerliche Gleichberechtigung der Angehörigen der Nationalitäten und den freien Gebrauch der Muttersprache in den Gemeinden, bei Gericht und in den Volks und Mittelschulen. Ungarisch aber wurde zur verpflichtenden Staatssprache. Die Korrespondenz zwischen den Behörden, die Gerichtsprotokolle in allen Prozessen, die Grundbücher usw. hatten in der Staatssprache geführt zu werden. Die Angehörigen der Nationalitäten bekamen als Einzelpersonen - nicht aber als Volksgruppen - ein eingeschränktes Recht auf Gebrauch der Muttersprache. Schon bald zeigte sich aber, dass in der Praxis der Verwaltung, im Rechtswesen und auch in den Schulen dieses Recht von der Beamtenschaft kaum respektiert wurde. In vielen Landesteilen, auch im deutschen und kroatischen Westungarn, begann das Zeitalter der "Magyarisierung". Die nichtmagyarischen Nationalitäten verloren jede Aussicht auf autonome Selbstverwaltung.
Das Volksschulgesetz von 1867 ermöglichte es der Regierung, staatliche Volkschulen einzurichten, wo die konfessionellen Schulen den Anforderungen nicht entsprachen. Die Konfessionsschulen wurden der staatlichen Aufsicht unterstellt und hatten auch an staatliche Vorgaben im Unterricht und beim Lehrstoff zu halten. Das bedeutete, dass über den Hebel der staatlichen Lehrerausbildung und über die Zuweisung von Subventionen die Möglichkeit eröffnet wurde, Druck zugunsten der ungarischen Unterrichtssprache auszuüben.
Selbstverwaltung der Komitate und Gemeinden
Die Hoffnung auf weitere Demokratisierung ging nicht in Erfüllung, da in den Komitaten und Gemeinden der Einfluss des hohen und mittleren Adels weitgehend erhalten blieb. Das Übergewicht der Magyaren bei den Wahlen wurde durch Verteilung der Wahlbezirke und des Stimmrechts aufrechterhalten. Bis 1918 kam es zu keiner Wahlrechtsreform. Anders als in Österreich wurde in Ungarn niemals ein gleiches Stimmrecht eingeführt. Alle Reformansätze wurden von der noch immer maßgebend aristokratischen Oberschicht verhindert.
Die Frage der Selbstverwaltung war vom Anfang an dringend und wurde in der Thronrede Franz Josefs auch angesprochen. Die ungarischen Minister bestanden auf die Wiederherstellung der Komitatsmunizipien (Komitatsversammlungen) und die Neuwahl der Komitatsbeamten durch die 1860/61 gewählten Ausschüsse. Die Notare drängten auf eine Regelung der Gemeindeverwaltung. Eine Lösung des Problems ließ aber noch lange auf sich warten.
Das Munizipialgesetz von 1870 brachte keineswegs die vollständige Autonomie der Komitate. Es war ein Kompromiss zwischen den alten, feudal geprägten Einrichtungen in den Komitaten und Bezirken bis hinunter in die Gemeinden. und einer modernen zentralstaatlichen Verwaltung. Bald stellte sich heraus, dass das parlamentarische System und die traditionelle, feudale Rolle der Komitate sich kaum vereinen ließen. Einzelne Komitatsversammlunge erwiesen sich als widerspenstig, die Steuerrückstände wurden immer größer. Besonders in Siebenbürgen gab es Probleme, ebenso um die Einverleibung Fiumes (Rijekas) in das ungarische Königreich. Unruhe entstand, als Kossuth, der sich im italienischen Exil befand, im Wahlbezirk Jászladány aufgefordert wurde, den Bezirk im Abgeordnetenhaus zu vertreten. Er wurde in Waitzen einstimmig gewählt. Kossuth übte in einem Brief vernichtende Kritik am Ausgleich. Das Heveser Komitat weigerte sich, einer Anordnung des Ministeriums Folge zu leisten . Ein königlicher Kommissar musste nach Erlau entsandt werden. 1869 verlor die Regierungspartei dann auch einen beträchtlichen Teil ihrer Sitze.
Das Wahlrecht in den Komitats- und Gemeindewahlen wurde stark eingeschränkt, der Zensus erhöht und die Virilstimmen eingeführt. Die Gemeindegesetze und Wahlordnungen sahen vor, dass nur die begüterten und hohe Steuern zahlenden Bevölkerungsgruppen wählen durften und gewählt werden konnten. Die Hälfte der Sitze in der Komitatsversammlung und auch in der Gemeindevertretung wurden ohne Wahl den Höchstbesteuerten zugeteilt (Virilisten), das Stimmrecht für die zweite Hälfte wurde nach der Steuerleistung zugesprochen. Gewählt konnte nur werden, wer die ungarische Sprache beherrschte. Wer unselbständig beschäftigt war durfte nicht wählen. So waren kaum 5 % der Bevölkerung wahlberechtigt.
Hauptaufgabe des 1869 neu gewählten Reichstages sollte die Reform des Justizwesens und des Munizipialwesens sein. Das Gemeindewesen wurde aber erst 1871 geregelt. Die Komitatsautonomie konnte wegen des heftigen Widerstandes nur allmählich eingeschränkt werden. 1869 verloren die Komitate das Recht, die Richter zu wählen. Es wurden nun geprüfte, unabhängige Richter ernannt, Staatsanwälte eingesetzt und damit Verwaltung und Justiz voneinander getrennt. Die königlichen Gerichtshöfe wurden nun auch für Urbarial- und Kommassierungsangelegenheiten zuständig. Erst 1871 wurde die Körperstrafe und die Anwendung von Fesseln im Strafrecht aufgehoben. Es sollte aber noch Jahrzehnte dauern, bis das neue Gerichtswesen vollständig ausgebaut war.
Einige nach dem Ausgleich erlassene Gesetze waren alles andere als modern und waren ganz auf die Wünsche der Großgrundbesitzer zugeschnitten. Das Dienstbotengesetz von 1876 etwa räumte dem Dienstgeber sogar ein Züchtigungsrecht ein. Das Strafgesetzbuch von 1878 hingegen gab den Industriearbeitern das Streikrecht und gestattete ihnen, sich politisch zu organisieren.
Eine Folge der heftigen Konflikte in der Frage der Mischehen war das Ehegesetz und die Schaffung von Standesamtsregistern im Jahre 1895. Damit wurde - anders als in Österreich - die Zivilehe eingeführt. Eheschließung, Ehescheidung und die Führung der Matrikel wurden den Kirchen entzogen. Die Zivilehe sollte dann eine der wenigen Einrichtungen sein, die man nach dem Anschluss an Österreich im Burgenland beibehalten wollte.