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Das Burgenland war zur Zeit des Anschlusses an Österreich ein Agrarland und blieb es auch in der Zwischenkriegszeit. Die landwirtschaftliche Produktion und die Versorgung Wiens mit Nahungsmittel spielten im Bemühen um den Anschluss ja auch eine äußerst wichtige Rolle. 64,6 % der Landesfläche waren landwirtschaftlich genutzt, davon waren 70 % Ackerfläche, der Rest Wiesen, Weiden, Weingärten und Gärten. 25,5 % der Fläche waren forstwirtschaftlich genutzt. 73 % der Bevölkerung lebten von der Landwirtschaft, 89 % der Bevölkerung waren in irgend einer Form in der Landwirtschaft tätig. Zu den Vollerwerbsbauern kamen also noch viele Nebenerwerbsbauern und Selbstversorger. Nur im Bezirk Mattersburg lag der Anteil der landwirtschaftlich Tätigen leicht hinter dem Anteil von Beschäftigten in Industrie und Gewerbe zurück. In der Volkszählung von 1923 wurden 61,34 % der Bevölkerung dem Wirtschaftssektor Land- und Forstwirtschaft zugerechnet. Im folgenden Jahrzehnt sank dieser Anteil auf 55,06 %. Es fand also ein beachtlicher Umstrukturierungsprozess statt, hin zu nichtlandwirtschaftlichen Tätigkeiten. Die Zahlen täuschen aber insofern, als nur der "Hauptberuf" erfasst wurde. In den meisten Fällen blieb aber die Verbindung zu der Landwirtschaft in der Form von Subsistenzwirtschaft erhalten.

In der Landwirtschaft konnte die dringend notwendige, von Landbund und Sozialdemokratie geforderte Bodenreform nicht durchgesetzt werden. Nur wenige, wirtschatlich ohnedies unattraktive Großbetriebe wurden aufgelöst bzw. die Flächen verpachtet. Die weitere Zersplitterung des kleinbäuerlichen Besitzes konnte auch durch das Flurbereinigungsgesetz von 1932 nicht verhindert werden. Die ungünstige Besitzstruktur - Kleinstlandwirtschaften einerseits und Großgrundbesitz andererseits - sowie die starke Bevölkerungszunahme erzwangen weiterhin die Auswanderung vor allem im Süden des Landes und die Arbeitswanderung bzw. das Pendeln in die benachbarten niederösterreichischen und steirischen Industriegebiete und nach Wien. Die landwirtschaftliche Saisonarbeit spielte auch weiterhin eine wichtige Rolle. Der Ruf nach Bodenreform durch Aufteilung des Großgrundbesitzes wurde angesichts der Landnot und des Landhungers von allen politischen Parteien, besonders vom Landbund und der Sozialdemokratie, erhoben.

Ein weiterer wichtiger Problemkreis nach dem Anschluss war die geringe Produktivität der Landwirtschaft. Die Erntestatistik von 1922 zeigte, dass die Hektarerträge  mit Ausnahme der Zuckerrüben und Hülsenfrüchte weit unter dem österreichischen Durchschnitt lagen. Durch die Bemühungen der neu gegründeten Landwirtschaftskammer und die Gründung von Genossenschaften (Milchgenossenschaften und Molkereien, Lagerhausgenossenschaften, Viehzuchtgenossenschaften, Absatzgenossenschaften für Gemüse und Obst ...) gelang es, in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre die Rückstände einigermaßen aufzuholen. 1928 entstand der Landesverband der Genossenschaften im Burgenland. Die Landnot zwang zum Ausweichen auf flächenintensive Spezialkulturen im Obst- und Gemüsebau (Kirschenn Pfirsiche Erdbeeren, Weichsel). Die Weinanbauflääche verdoppelte sich.  In der Tierhaltung konnten die Bestände stark aufgestockt werden. Die Zahl der Schweine und des Geflügels wurde von 1923 bis 1930 verdoppelt. Das große Problem war der Kapitalmangel, dem auch die vielen neuen Raiffeisenkassen zunächst nicht abhelfen konnten.

Nach 1929 machten sich auch in der Landwirtschaft die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise bemerkbar. Ab 1931 gingen die Einnahmen stark zurück. Die Neuverschuldung vieler Bauern nahm katastrophale Ausmaße an. Nach Schätzungen waren 70 % der Bauernhöfe mit Hypothekarkrediten belastet. Für neue Kredite mussten Wucherzinsen bezahlt werden, Versteigerungen waren an der Tagesordnung. Die Wirtschaftspolitik versuchte, dieser Entwicklung entgegen zu steuern. Staatliche Eingriffe in die Märkte sollten die Bauern schützen, etwa der Milchausgleichsfonds oder das Viehverkehrs-, das Futtermittellizenz- und das Saatgutgesetz. Auch im Ständestaat wurde versucht, den Bauern durch gesetzliche Maßnahmen  zu helfen - die Rindermastverordnung, durch einen  Beteiligungsfonds, mit dessen Hilfe die Versteigerung von mäßig verschuldeten Höfen verhindert werden sollte.

1925 betrug die Waldfläche 103 050 ha, wovon aber nur 54 % Bauernwald waren (zu etwa zwei Drittel Urbarialwälder). 46 % des Waldes gehörten den Großgrundbesitzern, Der Holzabsatz, vor allem Bauholz, ging hauptsächlich mit der Bahn nach Ungarn. Bauernwald wurde in erster Linie zur Brennholzgewinnung genutzt. Die Zuwächse in den Niedrigwäldern mit kurzen Umtriebszeiten waren bescheiden. Das Land errichtete fünf Forstgärten, die jährlich etwa 1,4 Millionen Pflanzen lieferten.

Die Industrie des Landes war nur schwach entwickelt. 1922 gab es 28 Industriebetriebe, neun davon waren Textilbetriebe, fünf Betriebe der Stein- und der keramischen Industrie, vier chemische Betriebe, vier Nahrungs- und Genussmittelbetriebe, drei Holz verarbeitende Betriebe, zwei Metallbetriebe und eine Lederfabrik. Es gab drei Bergbauunternehmen, in Neufeld/Zillingtal, Schlaining und Rechnitz. Die Textilindustrie lag überwiegend an der niederösterreichischen Grenze, in Neufeld, Hornstein und Neudörfl, sowie in Pinkafeld. Zwischen 1925 und 1929 stieg die Zahl der Betriebe auf 37. Insgesamt beschäftigte die Industrie 1930 5 334 Arbeitnehmer. Besonders die Ziegelöfen profitierten von den zahlreichen öffentlichen Bauten - Landhaus, Beamtenwohnungen, Amtsgebäude in den Bezirkshauptmannschaften, Krankenhäuser, Schulen ... In der Zeit der Weltwirtschaftskrise sank die Zahl der Betriebe auf 25, bis 1937 stieg sie wieder auf 28 an.

In Gewerbe und Handel waren 1930/31 etwa 12 000 Personen beschäftigt, davon etwa je die Hälfte im Gewerbe und Handel. In den Jahren nach dem Krieg litt das Gewerbe unter Auftragsmangel, Die zahlreichen kleinen Krämerläden wurden nach und Nach in Gemischtwarenhandlungen umgewandelt. Wichtig war nach wie vor das Marktfahrergewerbe. Von den insgesamt 53 Konsumgenossenschaften hatten 46 dem ungarischen Revisionsverband Hangya angehört, sieben waren Arbeiterkonsumvereine. Die meisten wurden nun in den Zentralverband Österreichischer Konsumvereine" aufgenommen und von neuen Großeinkaufslager in Wulkaprodersdorf, Stoob und Großpetersdorf versorgt. Auch im Gewerbe war ab 1925 ein merkbarer Aufschwung zu verzeichnen, vor allem im Baugewerbe. Auch der Fremdenverkehr hatte beachtliche Zuwächse. Die Zahl der Arbeitslosen stieg trotzdem weiter an. 1929 gab es 4593 Arbeitssuchende. In der Weltwirtschaftskrise stieg die Arbeitslosenzahl auf 8 125 im Jahre 1932 an. Das Ventil der Auswanderung - 1922 bis 1936 wanderten 22 000 Burgenländer aus - wurde durch die Einwanderungsbeschränkungen in den USA geschlossen.

Ein riesiges Problem war die Kreditwirtschaft des Landes. Es gab im Burgenland nur kleine Sparkassen und wenige Kreditgenossenschaften. 1923/1930 wurde eine Zweiganstalt der Nationalbank und 1928 die Landeshypothekenanstalt eingerichtet.

1923 gab es im gesamten Land nur 31 Industriebetriebe. Größere Betriebe waren die Zuckerfabriken in Siegendorf und Hirm, die Hanf-Jute in Neufeld und die Firma Preis &Co in Neudörfl sowie die Pinkafelder Tuchmacher. 1927 gab es im gesamten Land sieben Ziegeleien und sechs Steinbrüche und Schotterwerke. Von großer Bedeutung war das Baugewerbe. Von den 600 selbständigen Maurern waren aber nur 30 geprüfte Bau- und Maurermeister. Die meisten Bauarbeiter pendelten zu den Baustellen in Wien. Erst mit dem einsetzenden Bauboom, vor llem in Eisenstadt, entstanden auch im Land vermehrt Arbeitsplätze.Die Zahl der kleineren Betriebe stieg von 386 im Jahr 1926 auf 536 im Jahre 1929, mit insgesamt 4 140 Beschäftigten. Von der Wirtschaftskrise war dann das Baugewerbe besonders betroffen.

Seit 1923 gab es die "Industrielle Bezirkskommission", die fünf Arbeitsämter einrichtete: in Eisenstadt, Mattersburg, Markt St. Martin (Neutal), Großpetersdorf und Stegersbach. 1923 wurde in der Wiener Handelskammer der "Burgenländische Beirat für Handel, Gewerbe und Industrie" eingerichtet, der durch Verordnung 1924 den Wirkungsbereich einer Kammer bekam. 1925 folgte ein Beirat, der den Wirkungsbereich einer Kammer für Arbeiter und Angestellte hatte.

Auch im Fremdenverkehr gab es bescheidene Anfänge. Seit der Monarchie bestanden die "Sommerfrischen" in Tatzmannsdorf, Sauerbrunn und Kobersdorf. Ab 1924 wurde ein Fremdenverkehrskonzept entwickelt. Rund um den See gab es aber noch kaum entsprechende Unterküfte. Strandbäder wurden in Rust, Mörbisch und Neusiedl ausgebaut. 1929 verzeichneten die Seegemeinden immerhin schon 30 700 Gäste mit 105 000 Übernachtungen. 1927/28 wurden im gesamten Land 236 000 Übernachtungen registriert. Bad Tazmannsdorf konnte 1924 schon 494, Sauerbrunn 200 Gästebetten aufweisen. Bis 1936/37 stieg die Zahl der Übernachtungen auf 384 700.

Besonders dringend war nach dem Anschluss an Österreich die Entwicklung der Infrastruktur, vor allem der Straßenbau und die Stromversorgung. Die Bahnlinien mussten mit dem österreichischen Netz verbunden werden. Von einigen Projekten wurde nur die kurze Strecke Pinkafeld - Friedberg 1935 eröffnet.Die gewachsenen Eisenbahnknotenpunkte lagen jenseits der Grenze, die Bahnlinien wurden durch die neue Grenze zerschnitten.Relativ günstig lagen die Verhältnisse im Nordburgenland. Hier bestanden durch die Ostbahn über Parndorf - Bruck/Leitha und durch die Strecken nach Ebenfurt und Wr. Neustadt Anschlüsse an das österreichissche Eisenbahnnetz. Anders im mittleren und südlichen Burgenland. Hier gab es nur die Linien Ödenburg - Rattersdorf/Liebing - Güns, Oberloisdorf - Lutzmannsburg, die von Steinamanger ausgehende Sackbahn nach Pinkafeld und die von Körmend nach Güssing. Ein kurzes Teilstück der Staatsbahnstrecke St.Gotthard - Fehring querte burgenländischen Boden. Die Bahnanlagen befanden sich in schlechtem Zustand. Wegen des schlechten Oberbaues konnte die Strecke Wulkaprodersdorf - Kittsee und Neusiedl/See - Pamhagen nur mit 10 km/h befahren werden.Ein weiteres Problem waren die Eigentumsverhältnisse. Die burgenländischen Bahnen waren private Lokalbahnen. Die Bundesbahnen mussten langwierige Verhandlungen mit den Lokalbahngesellschaften führen. Eine Ausnahme bildete nur die Raab-Ödenburg - Ebenfurter Bahn (Raaberbahn). Zuächst übernahmen die Bundesbahnen 1921 den Betrieb auf den beiden Strecken von Ebenfurt nach Baumgarten und von Parndorf nach Pamhagen. Im Februar 1922 waren nach strengen Nachtfrösten die Lokomotiven nicht mehr einsatzfähig, der Betrieb brach zusammen. Beide Linien wurden der Raaberbahn überlassen. Beide Bahnenverblieben bis heute im Besirz der ungarischen Gesellschaft mit dem Sitz in Budapest. Bezüglich Ödenburg gab es eine Sonderregelung. Schon im Venediger Protokoll waren Erleichterungen für die Benützung der Strecken zugesichert worden. So konnte der Korridorverkehr in das mittlere Burgenland organisiert werden. Die Passagiere waren von Pass- und Zollformalitäten begreit. Für die südburgenländischen Sackbahnen gab es Planungsarbeiten, um sie an das österreichische Bahnnetz anzuschließn.Verwirklicht wurde nur die Strecke Pinkafeld - Friedberg 1935.

Die Straßenverhältnisse waren katastrophal. Von 870 km Hauptstraßen waren 662 km ohne festen Unterbau. Für den Ausbau der Nebenstraßen fehlte das Geld. Der Bestand an Kraftfahrzeugen war gering. 1921 gab es nur 36 Personen- und 9 Lastkraftwagen. Es gab nur wenige Autobusverbindungen durch die Post und ab 1929 durch zwei private Busunternehmen. Besonders wichtig war eine Nord - Süd - Verbindung, deren Bau aber nur schleppend voranging. Er begann 1922 im Abschnitt Marz - Weppersdorf . 1922 wurden 9,3, 1923 13,5 km gebaut.  1928 wurde endlich das Straßenstück über den Sieggrabener Sattel, zwischen Marz und Weppersdorf, fertig. 1930 gab es im Burgenland 6 Autobusunternehmen mit 85 Beschäftigten, 44 Lohnfuhrwerker und 81 Speditionen und ein Reisebüro.1929 gab es 227 PKW und 149 Lkw. sowie 752 Motorräder. Von 1923 bis 1937 wurden 309 km Straßen mit festen Decken gebaut. Eine Straße von Eisenstadt nach Wien fehlte. Eine 1928 geplante Schwebebahn wurde nicht gebaut.

1921 wurden nur 25 Gemeinden mit Strom versorgt. Es gab nur einige Kleinkraftwerke.  Zunächst sollte eine "Nordburgenländische Elektrizitätsgenossenschaft", später "Burgenländische Elektrizitätsgesellschaft (BEG) das Land mit Strom versorgen, musste aber bald wegen Kapitalmangel aufgeben. 1925 gründete die STEWEAG eine Tochtergesellschaft "Oststeirische - Burgenländische Wasserkraftwerke AG" (OSTBURG), die das Südburgenland erschloss. Im Norden und in der Mitte war die "Eisenstädter Elektrizitäts AG" (EEAG) tätig und versorgte 1930 schon 140 Gemeinden mit Strom. Die im Land abgebaute Kohle diente vor allem der Versorgung von Wien über das Kraftwerk Ebenfurth. Telefonanschlüsse gab es nur in 49 Orten mit insgesamt 216 Anschlüssen.

 

 

 

 

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 Straßenbau

Foto Burgenländisches Landesarchiv

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Quellen

  • Seedoch, Johann: Die wirtschaftliche Lage des Burgenlandes während der 1. Republik. In: Burgenland 1938. Burgenländische Forschungen 73, Eisenstadt 1989. S. 5 - 13

  •  Karl Bachinger, Geschichte der gewerblichen Wirtschaft des Burgenlandes. Eisenstadt 1973.

  • Steiger-Moser Susanna: Auf-richten. weiter-arbeiten. Wirtschaftliche und soziale Herausforderungen beim Aufbau des Burgenlandes 1921- 1938. In: BUrgenland schreibt Geschichte 1921 - 2021.WAB 169. Eisenstadt 2021
  • Tiefenbach Josef: Wirtschaft und Gesellschaft im Burgenland 1938 -1970. In: Burgenland schreibt Geschichte 1921 bis 2021. WAB 169. Eisenstadt 2021
 

 

 
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