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Pottendorf, nahe der burgenländischen Grenze gelegen, war vor 1800 ein unbedeutendes Dorf, mit einem Schloß, wenigen Häusern, Keuschen. In dieses Dorf holte Nikolaus II. Esterhazy mit einem Bankier-Konsortium zwei Pioniere der Textilindustrie, die aus Pottendorf schließlich ein Zentrum der österreichischen Textilindustrie machten: 1798 stellten die Brüder Thorton aus dem Textilindustriezentrum Manchester im Schloss die ersten Probemaschinen auf. Die Versuche verliefen zur Zufriedenheit der Bankiers und so wurde 1801/02 die Pottendorfer Baumwollspinnerei, einer der größten Textilindustriebetriebe Europas, errichtet. Die modernen, selbst entwickelten Maschinen wurden in einer eigenen Maschinenfabrik gebaut. Der Sohn Thortons errichtete einige Jahre später die größte Flachspinnerei Europas. Auch in Weigelsdorf entstand ein ähnliches Werk. In der Pottendorfer Spinnerei waren mehr als 2 000 Arbeiter beschäftigt, darunter freilich auch viele Kinder.

Eine "Arbeiterstadt" wurde gebaut, Häuser errichtet, nach Planquadraten - etwas, was man bis dahin kaum kannte, eine Sensation und eine Hoffnung für Arbeiter und für Unternehmer. Die Initiative der Thortons, ihr unternehmerisches Genie, sollte sich auf die gesamte Textilindustrie nachhaltig auswirken. Ihr Erfolg zog einen noch nie gekannten Gründungsboom nach sich. 1828 standen im südlichen Niederösterreich schon 31, im Jahre 1848 bereits 52 Baumwollfabriken.

In den Pottendorfer und Wr. Neustädter Spinnereien stammte ein beträchtlicher Teil der Arbeiter aus Westungarn. Westungarische Wanderarbeiter gab es auch in Schönau, Sollenau, Weigelsdorf, Neunkirchen , Ebenfurth, Unter - Eggendorf und Steinabrückl. Viele der Wanderarbeiter kamen aus Neufeld, Hornstein, Steinbrunn, Müllendorf, Großhöflein ...In einer 1843 in Wien erschienen Studie über die Baumwollindustrie heißt es: " Die größere Anzahl zu dieser Beschäftigung sich drängenden jungen Leute kommen aus den nahe gelegenen Gegenden des Leithagebirges in Ungarn.  ... Diese jungen Arbeiter haben ihre eigenthümliche Einrichtung. Sie kommen nämlich jede Woche an Sonntagen Abends in die Spinnereien ... zur Arbeit, und bringen für die ganze Woche ihre Lebensmittel, als Schmalz, Mehl, Speck, Brot und Hülsenfrüchte mit, die ein Mädchen ... auf gemeinschaftliche Rechnung täglich zubereitet ... Diese Arbeiter erhalten bei den Fabriken in getrennten Geschlechtern freie Wohnung, und alle Samstage ihren bedungenen Wochenlohn. Jeden Samstag um 4 Uhr Nachmittags ziehen wie mit ihrem Erwerbe zu ihren Angehörigen, von wo sie Sonntags Abends wieder zurückkehren ... Im Winter bleiben sie größtenteils im Fabriksorte, und lassen sich die Nahrungsmittel von ihren Ältern oder Verwandten zutragen ... Im Ganzen genommen ist es ein ehrlicher, gesunder, arbeitssamer und mit dem Schicksale zufriedener Schlag Menschen. Da die Fabriksarbeiter in den Spinnereien zum größten Theile Familien bilden, so erziehen und ernähren sie auch ihre Kinder augenscheinlich besser, als die übrigen Dorfbewohner zu thun pflegen, und entfernt von den bösen Beispielen der großstädtischen Fabriksarbeiter, sind ihnen auch alle die Vergehen und Laster fremd, die man dem Fabriksvolke, insbesondere in den grossen Städten Englands und Frenkreichs zuschreibt."

Die Wanderarbeiter ließen auch ihre Kinder in der Fabrik arbeiten und die Unternehmer hatten großes Interesse an dieser billigen Arbeitskraft: "... indessen sind sie, vorzüglich durch den Umstand, dass beide Ältern in der Fabrik arbeiten, ihre Kinder also ohne Aufsicht physisch und moralisch verderben würden, gezwungen, Ausnahmen zu gestatten und ... auch eine geringe Zahl von Kindern von 9 Jahren aufzunehmen, die dann unter Aufsicht ihrer Ältern arbeiten. ... sehr viele Dienstleistungen inder Spinnerei bedürfen zwar geringer Kraftanstrengung, aber zarter und flinker Hände und Finger, Eiegenschaften, die man hauptsächlich nur bei Kindern findet ...Die Dienste der Erwachsenen würden aber auch bedeutend höher zu stehen kommen ..."

Um 1840 betrug die Arbeitszeit in der Baumwollverarbeitung und Textilindustrie ca. 14 Stunden, von 4 bis 5 Uhr früh bis 20 Uhr abends, mit einer Stunde Mittagspause. Die Kinderarbeitszeit war genau geregelt: 9-12 jährige Kinder durften täglich "nur" 10 Stunden arbeiten, 12-16 jährige bis zu 12 Stunden. Die Löhne schwankten bei den Männern je nach Qualifikation zwischen 2 und 8 fl.C.M., bei Frauen zwischen 1 und 5 fl. und bei Kindern zwischen 1 und 3 fl.

Für Arbeiter, die von weit her zur Fabrik gehen mussten, war der Arbeitstag besonders beschwerlich. Für die westungarischen Arbeiter wurden daher Wohnmöglichkeiten geschaffen. Die Familien bewohnten kleine, 10-15 qm große Räume, die Ledigen lebten in Schlafsälen. In einem Bericht aus Teesdorf heißt es: "Ausgezeichnet rein und mit eleganten Betten sind ausgestattet die Schlaf-und Aufenthaltssäle für ledige und erwachsene Arbeiterinnen, deren sittlicher Zustand durch strenge Aufseherinnen überwacht und keine Gemeinschaft mit Männern geduldet wird".

Zur Behandlung der Kinder (nach "Allerhöchstem Cabinetschreiben von 1786"):".....müssen die Kinder alle Woche wenigstens einmal durch Waschen und Kämmen gereinigt und gesäubert werden....müssen die Kinder alle acht Tage neu gewaschene Wäsche, Hemden etc. gegeben werden. Alle Monate müssen die Bettstätten gereinigt.....werden". "Fabrikskinder" lebten trotz der schweren Arbeit vielfach gesünder als ihre Altersgenossen am Lande. Die ärztliche Betreuung war besser. Während der Choleraepidemien 1832 und 1836 gab es in den Fabriken weniger Opfer als in den Bauerndörfern. Und Kinderarbeit war natürlich auch in den bäuerlichen Familien üblich...In einer "Allerhöchsten Entschließung" von 1805 wurde bestimmt: "Da der Staatsverwaltung sehr daran gelegen ist, dass so viele in den Fabriken arbeitende Kinder einer Seits nicht in der rohen Unwissenheit ... aufwachsen, andererseits aber den Fabriken die nöthigen Hände, und der geringeren Classe der Verdienst nicht entzogen werden, so ist überall nach Beschaffenheit der Umstände die Einrichtung zu treffen, dass diese Kinder theils in eienr Abendschule, theils an Sonn- und Feiertagen von dem Orts - Seelsorger und Schullehrer den unentbehrlichen Unterricht gegen Bezahlung des Fabriks - Inhabers und der Ältern erhalten ..."

Eine wichtige Aufgabe für die Behörden war die Lösung der Schulfrage in Industrieorten mit hohem Kinderarbeiteranteil. In Pottendorf und in Neunkirchen war der Unterricht meistens um die Mittagsstunde, wo Rechnen, Lesen und Schreiben, sowie Religion gelehrt wurden. Ab dem 12. Lebensjahr besuchten die Kinder die Sonntagsschule in ihren Heimatdörfern; dies waren Religionsstunden in der Kirche.

Quelle: SCHLAG, Gerald: Zur Frühgeschichte der industriellen Wanderarbeiter aus dem Burgenland.  Burgenländische Heimatblätter, 1989, 51.Jahrgang, Heft 1.

Wanderarbeiter in Wien:

"Jene Maurergehilfen, Taglöhner. Weiber und Kinder, welche zur Bauzeit vom Lande zuwandern, um über Winter wieder in ihre Heimat zurückzukehren, leben während ihres Hierseins in der dürftigsten Weise. Ihre Wohnungen sind Dachböden in den Ortschaften der Umgebung Wiens, wo sie in großen Gesellschaften schlechte, von Ungeziefer erfüllte Strohlager haben. Ihre Nahrung ist vorherrschend Brot nebst etwa Bier oder Branntwein, ihre Kleidung, die sie meistens vom Lande mitbringen, die ordinärste. Auf solche Weise gelingt es ihnen, den Sommer über 40 bis 80 Gulden zu ersparen und dieser Betrag dient, nebst dem Erträgnisse einer Kleinhauswirtschaft zu ihrer Erhaltung während des Winters" (Nach einer Untersuchung der Handels- und Gewerbekammer Wien, 1871)

zitiert nach : Um Freiheit und Brot. Geschichte der burgenländischen Arbeiterbewegung von den Anfängen bis 1945, S. 83.

 

 

 

 

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Wanderarbeit 

 

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Quellen

  • SCHLAG, Gerald: Zur Frühgeschichte der industriellen Wanderarbeiter aus dem Burgenland.  Burgenländische Heimatblätter, 1989, 51.Jahrgang, Heft 1
 
 

 

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