Der erste Entwurf eines burgenländischen Landeswappens stammte vom "Verein zur Erhaltung des Deutschtums in Ungarn". Er erstellte ein Gutachten über das zukünftige Landeswappen, fertigte einen Entwurf in drei Varianten an und reichte diese beim Österreichischen Innenministerium ein. Das Gutachten wurde im November 1919 von Major August Polten aus Wieselburg/Erlauf verfasst. In der Einleitung wies Polten auf die Notwendigkeit eines Wappens für das Burgenland hin, dessen "deutsches Volk sich seiner deutschen Abstammung und seines deutschen Wesens wieder erinnernd, einmütig seinen Entschluss kundgetan hat, im Anschlusse an das deutsche Volk in den Staatsverband der deutschen Alpenländer zu treten und als Bestandteil des österreichischen Bundesstaates sein Geschick mit dem Österreichs zu vereinen." Als Landesfarben schlug Polten Silber (Weiß) - Schwarz vor, als Wappen einen "Zinnenschnitt" als Symbol der Wehrhaftigkeit. In dieses Wappen sollte das Stadtwappen von Ödenburg (Mauer mit Tor, drei Türme) eingebaut werden.
1922 ging das neu entstandene Bundesland Burgenland daran, sein Landeswappen zu schaffen. Dabei wurde der Vorschlag Poltens jedoch nicht berücksichtigt. Die Burgenländische Landesregierung wandte sich an des "Institut für Genealogie, Familienrecht und Wappenkunde" in Wien. Das Institut, vertreten durch Alfred Anthony von Siegenfeld, verfasste am 17. Mai 1922 ein Gutachten und legte einen Wappenentwurf vor. Siegenfeld empfahl, als Basis die Wappen zweier mittelalterlicher Adelsgeschlechter heranzuziehen, die mit Österreich in enger Verbindung gestanden hatten. Dafür kamen die Mattersdorf - Forchtensteiner und die Güns - Güssinger in Frage.
Wappen der Mattersdorf - Forchtensteiner
aus: 800 Jahre Marz
Die Mattersdorf - Forchtensteiner waren zwar von ihrer Abstammung her kein deutsches Adelsgeschlecht, sie waren aber schon früh mit österreichischen Adelsfamilien verwandtschaftlich verbunden und stark nach Österreich orientiert. Im Laufe der Zeit erwarben sie auch Herrschaften in Niederösterreich, in der Steiermark und in Kärnten. Ihre Ahnherren Simon und Bertrand waren mit ihrer Schwester Thota aus Aragonien nach Ungarn gekommen. Sie waren vermutlich westgotischer Abstammung. Wilhelm, der letzte Forchtensteiner, verpfändete seine Besitzungen an den Habsburger Albrecht VI., der diese schließlich von den weiblichen Nachkommen der Forchtensteiner kaufte. 1451 gingen die Besitzungen an Kaiser Friedrich III. über. Sie blieben bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts unter österreichischer Verwaltung.
Die Güns-Güssinger stammten aus der Steiermark. Ihnen war es vorübergehend gelungen, ein riesiges Territorium im Westen Ungarns in ihren Besitz zu bringen und eine relative Unabhängigkeit von der ungarischen Krone zu erreichen. In der "Güssinger Fehde" wurde ihre Macht allerdings von Herzog Albrecht I. von Österreich im Einverständnis mit dem ungarischen König zurückgedrängt, wenn auch nicht gebrochen.
Das Wappen der Forchtensteiner ist im Botenbuch der Bruderschaft St. Christoph am Arlberg aus dem Jahre 1389 überliefert. Das Wappen zeigt auf silbernem Grund einen schwarzen, golden gekrönten und "gewaffneten" (Schnabel, Krallen) Adler. Der Entwurf Siegenfelds stützte sich jedoch eher auf eine weitere überlieferte Version, auf das Siegel des Hofrichters Paul von Mattersdorf. Es zeigt einen von einem Felsen aufsteigenden "widersehenden" Adler, mit je einem Kreuz über den beiden Flügeln. Diese Darstellung hielt Siegenfeld für markanter und nicht verwechselbar. Nach der färbigen Darstellung im Bruderschaftsbuch sollte der Adler schwarz, golden gekrönt und gewaffnet sein, der Grund sollte silbern, Felsen und Kreuze rot sein.
Das ursprüngliche Wappen der Güns-Güssinger ist weniger gut überliefert. Es gibt verschiedene Versionen einer "senkrechten Spaltung" des Schildes, manchmal sind die Streifen gerade begrenzt, manchmal wellenförmig, was auf eine ursprüngliche "Pelzstückung", auf eine Pelzverbrämung des Schildes hinweist. Erst als die Güssinger ausstarben und ihr Wappen an den steirischen Ritter Walter Zebinger verliehen wurde (1450 durch Kaiser Friedrich III.), wird das Wappen eindeutig beschrieben: als "dreimal von Rot und Kürsch gespalten".
Siegenfeld schlug also als Landeswappen vor:
"In Silber auf einem wachsenden roten Felsen stehend ein golden gekrönter und ebenso gewaffneter auffliegender und widersehender schwarzer Adler, dessen Flügel von je einem breitendigen roten Kreuzchen überhöht sind und vor dessen Brust eine dreimal von Rot und Kürsch gespaltener Herzschild erscheint."
Die Landeswappenfrage wurde in der zweiten Sitzung des Burgenländischen Landtages am 19. Juli 1922 dem Rechtsausschuss zugewiesen. Schon in der 3. Sitzung am 1. August 1922 kam es zur Beschlussfassung. Der Vorschlag Siegenfelds wurde ohne Widerspruch angenommen. Bezüglich der Landesfarben, die eigentlich nach den Hauptfarben des Wappens schwarz-silber hätten sein müssen, wich man von Siegenfelds Vorschlag ab und bestimmte die Farben Rot und Gold als Landesfarben. Man berief sich dabei auf die Anschlusszeit, in der Rot - Gold ein gemeinsames Zeichen der Anschlussbewegung war.
Das Landeswappen musste vom Innenministerium genehmigt werden. Dies geschah auch. In einem Gutachten des Wappenzensors Sektionsschef Heinrich Seydl wurde aber darauf hingewiesen, dass man nicht den international geltenden Regeln der Heraldik (Wappenkunst) gefolgt war. Er schlug daher vor, wenn man auf die neuen Landesfarben bestand, sollte die Farbgebung des Wappens geändert werden: roter Adler auf goldenem Grund. Da die Landesregierung an den Landesfarben festhalten wollte beschloss sie am 17. Oktober 1922 eine dahingehende Änderung des Wappens. In der Regierungssitzung vom 16. 2. 1923 wurde ein entsprechender Gesetzesentwurf geschaffen:
"Ein goldener Schild, in welchem ein sich zum Fluge anschickender, widersehender, roter, golden gekrönter, ebenso bewehrter, rotbezungter Adlerauf einem sich aus dem Fußrande des Schildes erhebenden schwarzen Felsen steht. Die Brust des Adlers ist mit einem dreimal von Rot und Kürsch gespaltenen, mit einer schmalen goldenen Randeinfassung versehenen Schildchen belegt, seine Flügelknochen sind in den beiden Oberecken des Schildes von je einem breitendigen schwarzen Kreuzchen überhöht."
Der Gesetzesentwurf wurde dem Landtag zugesandt und auch im Landesgesetzblatt veröffentlicht. Aus unbekannten Gründen wurde jedoch auf eine Beschlussfassung im Landtag "vergessen". Erst später wurde das Wappen "legitimiert".
Literatur:
Prickler, Leonhard: Die Emtstehung des Burgenländischen Landeswappens als Ausdruck des politisch-kulturellen Umfelds in den "Geburtsjahren" des Burgenlandes. In: Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland, Bd. 105 (Festschrift für Gerald Schlag), Eisenstadt 2001. S. 325 - 343