160 000 Burgenländer in Amerika!
Schätzungen gehen davon aus, dass heute in Nord- und Südamerika rund 160 000 Burgenländer oder direkte Nachfahren von Burgenländern leben, und zwar 80 000 in den USA, 12 000 in Kanada und der Rest in Argentinien beziehungsweise in Brasilien. Die meisten dieser „Amerika-Burgenländer" wanderten in der Zwischenkriegszeit aus oder stammen von Emigranten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ab. Die Gesamtzahl der Einwanderer aus dem westungaischen und burgenländischen Raum in die USA kann nur geschätzt werden. Im Verlauf der "Old Imigration" vor 1890 waren es etwa 2 000, im Verlauf der New Imigaration bis zum Ersten Weltkrieg waren es 26 000, in der Zwischenkriegszeit 20 000 und im Zuge der Nackkriegswanderung 6 600.
Der erste derzeit bekannte "Amerikawanderer" war ein Lorenz Schönbacher aus Neutal. . Er kam 1777 als Soldat in einem hessischen Regiment nach New York. 1778 war er an der Eroberung von Savannah durch die Briten beteiligt. Wie viele der zwangsweise von ihren Landesherrn "verkaufte" Deutsche desertierte er 1779 und kämpfte auf Seiten der Kolonisten gegen die Briten. 1784 ließ er sich in North Carolina nieder. Im Gefolge der gescheiterten Revolution von 1848 kamen einige prominente "Burgenländer" als Flüchtlinge in die USA, etwa Gottlieb August Wimmer, der Pfarrer von Oberschützen, der 1850 über England nach Amerika floh, oder der Deutschkreutzer Joseph Goldmark, der in New York eine Streichholzfabrik gründete. Schon 1854 gingen einige Familien aus Purbach , 1855/56 zehn weitere Familien mit 53 Personen. 1857 begann die starke Auswanderung aus Pilgersdorf und den Dörfern der Umgebung, 1858 aus Oberschützen. Die meisten dieser frühen Auswanderer gingen in den Mittleren Westen, wo sie als Farmer Land bekamen. Ab den 1890er Jahren ging die Auswanderung in die Industriestädte an der Ostküste. Diese Auswanderung hatte vielfach den Charakter einer Arbeitswanderung - man plante oft die Rückkehr in die Heimat, um sich dort mit dem verdienten Geld eine neue Existenz aufzubauen. Aus diesem ursprünglichen Vorhaben wurde oft nichts. Man blieb und holte Familienangehörige nach.
Hauptursache der Auswanderung in der Zeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg war die allgemeine Wirtschaftskrise und die damit verknüpfte Arbeitslosigkeit, zm Teil auch die Flucht vor dem Militärdienst. So manche Burgenländer verkauften ihren Besitz, um die Reisekosten zu finanzieren und zogen mit der ganzen Familie weg. Andere ließen ihre Familien zurück, um sie später nachkommen zu lassen. Und nicht wenige wiederum wollten nur einige Jahre in Amerika bleiben, um hier das Kapital zu sparen, mit dem sie zu Hause eine Existenz aufbauen konnten. In der Zwischenkriegszeit lassen sich deutlich drei Auswanderungswellen nach Amerika, überwiegend in die USA, registrieren. Gleich nach dem Ersten Weltkrieg setzte eine erste Auswanderungswelle gigantischen Ausmaßes ein. In den Jahren 1919 bis 1923, dem Höhepunkt der Zwischenkriegswanderung, zogen nicht weniger als 13 638 Burgenländer nach Amerika! Es wären sicherlich noch mehr gewesen, wenn nicht die US-Behörden für jeden Staat eine bestimmte Quote für einwanderungsberechtigte Personen festgelegt hätten. So durften aus Österreich maximal 7 442 Personen jährlich einreisen. Voraussetzung war aber, dass jeder Einreisewillige dem US-Konsulat in Wien eine eidesstattliche Erklärung eines in den USA lebenden Verwandten vorweisen konnte. Darin musste sich der Verwandte verpflichten, für den Einwanderer zu sorgen und gegebenenfalls die Kosten der Rückreise übernehmen. So richtete sich der Hauptstrom der Amerikawanderer in jene US-Bundesstaaten, in denen sich schon viele Burgenländer in der Vorkriegszeit niedergelassen hatten. So zum Beispiel in Illinois, in Pennsylvania und New York.
Gefördert wurde die Amerikawanderung durch die sehr intensive Werbung der Schifffaherslinien, die auch in Westungarn/ Burgenland Büros unterhielten. Bevorzugte Auswandererhäfen waren Hamburg und Bremen.
Mit einer dramatischen Herabsetzung der Einwanderungsquote seitens der US-Behörden begann eine zweite Auswanderungsphase der Zwischenkriegszeit. Sie dauerte von 1924 bis 1930. Jährlich durften nur mehr 785 Österreicher/innen in die Vereinigten Staaten einwandern. Die neuen Zielgebiete burgenländischer Amerikawanderer waren nun der Westen Kanadas und die Küstengebiete Argentiniens und Brasiliens. In dieser zweiten Phase vollzieht sich fast die gesamte Südamerikawanderung der Zwischenkriegszeit. Allerdings gibt es nur wenige Orte, aus denen mehr Südamerikawanderer als Nordamerikawanderer kommen. Die Lebens- und Siedlungsbedingungen in Südamerika dürften allerdings nicht besonders günstig gewesen sein, denn die Südamerikawanderung war 1930 im großen und ganzen abgeschlossen. Kanada, das bei den burgenländischen Amerikawanderern nach den USA am meisten gefragt war, lockte zunächst mit viel versprechenden Einwanderungsaktionen. Allen Einwanderern über 18 Jahre wurde von der kanadischen Regierung freies Land übertragen. Es ist daher verständlich, dass diese Kanadawanderung von Landarbeitern und Kleinbauern getragen wurde. Allerdings endete diese Wanderung 1929 abrupt, als auch Kanada Einwanderungsbeschränkungen einführte.
Die Weltwirtschaftskrise der frühen 30er Jahre markiert den Beginn der dritten Phase (1930-1938) der burgenländischen Amerikawanderung. Die neuen Einwanderungsbeschränkungen in fast allen Zielländern ließen den Auswanderungsstrom der Burgenländer fast versiegen. Die USA, die mit einer hartnäckigen wirtschaftlichen Depression kämpften, waren nicht mehr attraktiv für die Einwanderer. So konnte die an sich schon niedere Einwanderungsquote gar nicht erfüllt werden. In den Jahren 1931 bis 1933 überwog die Rückwanderung! Erst ab Mitte der 30er Jahre nahm die Auswanderung wieder zu.
Insgesamt wanderten zwischen 1920 und 1938 rund 24 300 Burgenländer in die USA aus. Die meisten von ihnen waren in der „Neuen Heimat" schlecht entlohnte Industriearbeiter. Sie gehörten in ihren Zielorten den unteren sozialen Schichten an. Einen großen Rückhalt boten die schon früher ausgewanderten Familienmitglieder oder Bekannte aus dem Dorf. Deutliche Konzentrationen von Einwanderern aus den gleichen Herkunftsdörfern sind fesstellbar.Neue Siedlungsgebiete der Burgenländer waren Großstädte wie New York, Chicago, St.Louis und Gebiete in Pennsilvania und New Jersey. Sie gehölrten zum sogenannten German Belt, also zu einem Gebiet, in dem sich viele deutsche Einwanderer ansiedelten. Die Menschen aus den kroatischen Dörfern des mittleren Burgenlandes siedelten sich verstärkt ab 1900 in South Bend an. Die UNgarn ließen sich bevorzugt in St. LOuis nieder. Die Auswanderung war unter allen Volksgruppen etwa gleich stark, mit Ausnahme der Roma, die man kaum unter den Auswanderern findet. Schon in der Zwischenkriegszeit und dann nach dem Beginn der Verfolgungen kamen auch viele Juden nach Amerika.
Untereinander sprach man noch in ein bis zwei Generationen die Sprache der Herkunftsdörfer. In der dritten Generation war dann die "Amerikanisierung" vielfach abgeschlossen. Nicht immer gelang es, Fuß zu fassen und den sozialen Aufstieg zu schaffen. Zwar gibt es zahlreiche "Erfolgsstorys" burgenländischer Einwanderer. Aber manche gingen in die Heimat zurück Bis 1938 kehrten rund 3 500 Personen aus Übersee in das Burgenland wieder zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Auswanderung vermehrt auch nach Australien und Südafrika.
Auf einen wenig bekannten Aspekt der Auswanderung machte Egon Lendl in seinem Aufsatz "Burgenländer unter den deutschen Kolonisten Slawoniens" in Burgenländische Heimatblätter Jg.1, Heft 4 aufmerksam. Lendl weist darauf hin, dass unter den über 100 deutschen Siedlungen in Kroatisch Slawonien auch Kolonisten aus dem burgenländischen Raum waren.Zwei Dörfer hatten einen hohen Anteil an diesen Auswanderern.In der Gemeinde Uljanik haben sich von 1883 an etwa 30 deutsche Familien eingekauft. Um wenig Geld konnten sie von der einheimischen serbischen Bevölkerung Grund und Boden erwerben. Sie kamen aus dem Oberpullendorfer Bezirk, aus Steinberg, Ober- und Unterloisdorf und Mannersdorf an der Rabnitz. In der Zwischenkriegszeit wohnten unter 850 Einwohnern 170 Deutsche. In der Zwischenkriegszeit sprachen nur mehr die Alten deutsch, die Jungen waren weitgehend kroatisiert. In Bokany bei Podravsca Slatina bestand die Hälfte der Einwohner -etwa 50 Familien . aus den Nachkommen der Einwanderer aus dem Oberwarter Bezirk - aus Oberndorf, Kitzladen, Pinkafeld, Oberschützen, Grafenschachen, Wolfau, Allhau und Sinnersdorf. Auch dort haben Pfarrer und Lehrer eine erfolgreiche Kroatisierung betrieben.
Auswanderer aus Güssing (Foto: Bgld.Landesarchiv)