Die 1980er Jahre zeigen auf vielen Gebieten, dass sich das Politikverständnis der Menschen auch im Burgenland grundlegend geändert hat. Vor allem die Verflechtung von Macht und Wirtschaft wurde nicht mehr hingenommen. 1981 wurde Finanzminister Androsch im Gefolge des Skandals um das Allgemeine Krankenhaus in Wien abberufen. Der Burgenländer Dr.Sinowatz wurde Vizekanzler. Diese Ereignisse führten zu einem tiefen Riss in der SPÖ, der später auch im Burgenland Folgen haben sollte.
Im Burgenland war es aber zunächst die ÖVP, die große Probleme bekam. Der WBO - Skandal machte ihr über Jahre schwer zu schaffen und führte schließlich zum Rücktritt des Landeshaupt-mannstellvertreters Dr. Franz Sauerzopf.
Die WBO (Wohnbau Ost), eine burgenländische Wohnbaugenossenschaften, die unter Dominanz der ÖVP stand, wurde vom Landtagsabgeordneten Dr. Rauchwarter geleitet, der in wenigen Jahren ein privates Wirtschaftsimperium aufbaute. Eine Überprüfung der Wohnbaugenossenschaft aber erbrachte finanzielle Unregelmäßigkeiten. Dr .Rauchwarter und andere WBO - Funktionäre wurden vom zuständigen Wohnbaureferenten Landeshauptmann Kery angezeigt und schließlich zur Höchststrafe verurteilt. Es folgten heftige Auseinandersetzungen, in deren Verlauf auch Sauerzopf ein Missbrauch der Amtsgewalt vorgeworfen wurde. Dieser warf seinerseits Kery die Vernachlässigung der Aufsichtspflicht vor. Neben den Gerichtsverfahren liefen auch Untersuchungen im Landtag. Sauerzopf erklärte schließlich seinen Rücktritt. Er wurde zwar später freigesprochen, seine Rückkehr in die Politik erfolgte allerdings erst Jahre später. Nachfolger Sauerzopfs wurde zunächst DDr. Rudolf Grohotolsky.
Der Aufstieg Dr. Rauchwarters war auch schon in den Jahren zuvor immer wieder mit Argwohn betrachtet worden - auch innerhalb der Partei - man warf ihm eine Vermengung von politischer Karriere und geschäftlichen Interessen vor. Schon im Mai 1979 etwa kam es zu einem heftigen Konflikt innerhalb der ÖVP. In einer Gratis-Werbezeitung, hinter der man den ÖVP-Abgeordneten Rauchwarter vermutete, wurde der burgenländische Wirtschaftsbundobmann Robert Graf heftig angegriffen, nachdem das Ergebnis der Nationalratswahl für die ÖVP sehr schlecht ausgefallen war. Graf war Spitzenkandidat der ÖVP-Burgenland in dieser Wahl... Es kam zu einem Prozess und schließlich zur von Sauerzopf erzwungenen Aussöhnung. Rauchwarter musste sich entschuldigen.
Im Mai 1981 wurde im Landtag ein Unvereinbarkeitsausschuss eingesetzt, der die zusätzlichen Tätigkeiten der Landespolitiker, vor allem des Abgeordneten Rauchwarter, untersuchen sollte. Rauchwarter hatte bis 1981 sein Firmenimperium kräftig ausgebaut: Er war am Trausdorfer Comerz-Druck beteiligt und leitete über eine Managmentfirma zahlreiche Betriebe. Zugleich war er als Abgeordneter auch freigestellter Beamter der Landesregierung. Im Mai 1981 ging Rauchwarter immer mehr auf Konfrontationskurs mit der SPÖ, aber auch mit dem gemäßigten Flügel in der ÖVP. Heftige Angriffe richtete er gegen Landesrat Vogl und dessen Budgetpolitik, aber auch wegen dessen privater Lebensführung. Als Sprachrohr diente Rauchwarter dabei eine neu gegründete Zeitung, der "Süd-Ost-Express".Im Sommer 1981 wurden in Österreichischen Tages- und Wochenzeitungen (Wochenpresse und Profil) viele weitere Details über Rauchwarters Firmen bekannt. Erstmals war auch von Geldflüssen von der WBO, der Wohnbau Ost, deren Obmann Rauchwarter war, zu seinen Firmen die Rede.
Im August 1981 kam es im Verlauf einer Generalversammlung der WBO zu ersten Problemen. Rauchwarter setzte sich aber durch und konnte sogar die Aufnahme seines Vertrauten, des WBO - Geschäftsführers Horst Tietze, in den WBO - Vorstand durchsetzen.
Bei einer Überprüfung der WBO durch den Revisionsverband der Wohnbaugenossenschaften zeigte sich allerdings, dass zahlreiche Belege über riesige Summen (zunächst über 30 Mill. S.) fehlten. Im November 1981 wurde Rauchwarter als WBO - Obmann suspendiert. 3000 WBO- Mitglieder mussten nun Verluste befürchten. LH Kery, der zuständige Wohnbaureferent, erstattete schließlich Anzeige gegen Rauchwarter, Tietze u.a. wegen Verdachts auf Untreue. ÖVP- Obmann Sauerzopf erklärte , Rauchwarter würde nicht mehr für die ÖVP kandidieren. Der Landtag hob die Immunität Rauchwarters auf. Wenige Stunden später wurde er verhaftet, ebenso der Geschäftsführer Tietze und der Obmannstellvertreter Tiewald.
Neben dem wirtschaftlichen Aspekt der WBO-Pleite wurde immer wieder von den Medien auch die Frage erhoben, wie weit Sauerzopf von den Geschäften seines "Erfolgszwillings" Rauchwarter wusste.
An der Pleite der WBO waren schließlich 28 Banken mit 729 Millionen Schilling, 315 Firmen mit 175 Millionen, über 600 Siedler , beteiligt. Die Gesamthöhe der angemeldeten Forderungen betrug 1 076 Millionen Schilling. Die Gläubiger stimmten schließlich nach Vermittlung durch LH Kery einem Ausgleich zu. In der Ausgleichsverhandlung wurde der Gesamtschuldenstand mit 1 700 Millionen beziffert. Ein 40%-iger Ausgleich konnte angeboten werden. Die Prüfung ergab, dass aus der WBO 300 - 350 Millionen Schilling ohne erkennbare Gegenleistung abgeflossen waren. Der Schaden für die Siedler konnte einigermaßen in Grenzen gehalten werden, die Banken, vor allem der Raiffeisenverband Burgenland, mussten aber enorme Verluste hinnehmen. Ein prominentes Opfer des WBO-Skandals war der Raiffeisengeneraldirektor Forstik, der zum Rücktritt gezwungen wurde. Man sagte ihm außerdem nach, dass er hohe Provisionen kassiert hatte.
Eine neue Dimension nahm der WBO - Skandal an, als ein Konto der Mattersburger ÖVP bekannt wurde, über das Provisionszahlungen an die Partei geflossen waren. Immer mehr bestätigte sich der Verdacht der illegalen Parteifinanzierung. Teilweise das Parteilokal und auch ein Angestellter der ÖVP wurden offenbar aus WBO-Geldern finanziert, im Falle der Oberpullendorfer ÖVP vermutete man ähnliche Manipulationen. Mit hineingezogen wurde in den Skandal auch die Bundesländerversicherung, die einen von ihr bezahlten Angestellten offenbar der ÖVP" zur Verfügung" gestellt hatte.
Im März 1982 wurden sowohl im Parlament in Wien als auch im burgenländischen Landtag Untersuchungsausschüsse eingesetzt. Es zeigte sich schon bald, dass der gesamte Aufsichtsrat, durchwegs ÖVP-Politiker, in seiner Kontrollfunktion versagt hatte. Vom politischen Gegner wurde ihm naives bis fahrlässiges Verhalten vorgeworfen. Im Bericht des Ausschusses hieß es, dass sowohl Vorstand wie Aufsichtsrat der WBO " den ihnen nach Gesetz, Satzung und Geschäftsanweisung obliegenden Verpflichtungen bis Ende 1979 teilweise, danach nicht nachgekommen" wären. Immer häufiger richteten sich die Angriffe auch gegen Landeshauptmannstellvertreter Dr.Sauerzopf, dem man ebenfalls Naivität und grobe Vernachlässigung seiner Pflichten vorwarf. Selbst in der ÖVP-Bundepartei hatte Sauerzopf nicht mehr den vollen Rückhalt. Sauerzopf wehrte sich, indem er seinerseits Kery als Wohnbaureferenten die Vernachlässigung seiner Aufsichtspflicht vorwarf. Vor dem Wiener Untersuchungsausschuss musste Sauerzopf außerdem zugeben, dass er unerlaubt in das Protokoll des Untersuchungsausschusses Einblick genommen habe.
Im Juni 1982 trat Sauerzopf schließlich als Landeshauptmannstellvertreter und als Landesparteiobmann zurück. An seine Stelle trat der altgediente Funtionär DDr. Grohotolsky. Neues ÖVP-Regierungsmitglied wurde Johann Karall.
Gegen Dr.Sauerzopf wurden von der Staatsanwaltschaft Vorerhebungen eingeleitet, die aber bald wieder eingestellt wurden. Am 20.Jänner 1983 legte der Untersuchungsausschuss im Parlament seinen Bericht vor, am 24. Jänner begann im Landesgericht Eisenstadt der 1.WBO-Prozeß, dem noch zahlreiche weitere folgen sollten.
Zum parlamentarischen WBO-Bericht sagte der burgenländische SPÖ -Abgeordnete Kapaun, dass eine politische Verantwortung der ÖVP am WBO-Skandal bestehe. Sauerzopf hätte wissen müssen, wie das Mattersburger Parteilokal der ÖVP finanziert wurde. Er gestand allerdings Sauerzopf auch zu, daß dieser nicht wissentlich an den Unregelmäßigkeiten beteiligt war. Kapaun bezifferte die Höhe der WBO-Gelder, die in die illegale Parteifinanzierung geflossen sei, mit mindestens 3,3 Millionen, 12 Millionen seien an Zeitungen geflossen, 20 Millionen durch politische Intervention ohne erkennbare Gegenleistung an diverse Firmen... "Wenn sie (die ÖVP) wider besseres Wissen jede Verantwortung für diesen Skandal ablehnt, dann betreibt sie einfach eine Kindesweglegung, die man ausschließlich aus wahltaktischen Gründen erklären kann" (BF 19.1.1983, S.5). Im ÖVP-Minderheitsbericht wurde die Schuld Rauchwarters zugegeben und zu erklären versucht, nicht jedoch die der übrigen Politiker; diese wurden mit ihrer Naivität entschuldigt.
Im August 1993 fielen schließlich die Urteile im ersten WBO-Prozeß. Rauchwarter und WBO-Geschäftsführer Tietze wurden zu je zehn Jahren, Tiwald zu 6 Jahren, die Unternehmer Kleibl, Weiser, Otto Kriegler zu 4-5 Jahren, der niederösterreichische ÖVP-Politker Zimper zu 3 Jahren verurteilt. Weitere WBO - Prozesse gab es noch 1985 und 1986 gegen Vorstände der WBO-Genossenschaft, die mit Siedlergeldern Reisen unternommen hatten und wegen der Finanzierung des Sportzentrums in Neudörfl.
Vizekanzler Sinowatz zum WBO-Skandal:
" ... dieser burgenländische Imagegewinn ist durch den seit einigen Wochen in Österreich diskutierten Politskandal rund um eine von der ÖVP geführte Siedlungsgenossenschaft in Frage gestellt worden. Ausgerechnet bei uns hat diese böse Verzwickung von Politik und Geschäft, diese fatale Divergenz zwischen verbalem moralischen Anspruch der Beteiligten nach außen und ihrem bedenkenlosen Umgang mit der Macht im Inneren einen beschämenden Höhepunkt erreicht.
Wenn im Zusammenhang mit diesem Skandal zu Recht von politischer Verantwortung gesprochen wird, dann darf sich diese nicht allein auf materielle Schuld oder auf die Wahrnehmung von Führungsaufgaben beziehen, sondern auch darauf, dass dem Ansehen unseres Landes ein gewaltiger Schaden zugefügt wurde. Es wird unser aller Anstrengung bedürfen, um diesen Schaden wieder gutzumachen."
BF 17.2.1982,S.2