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Die 1970er Jahre waren auch gekennzeichnet durch heftige Auseinandersetzungen um die Minderheitenrechte der Kroaten, die 1976 ihren Höhepunkt fanden.

Schon Ende der 1950er Jahre gab es zwischen den beiden Großparteien erhebliche Auffassungsunterschiede. Der SPÖ - Abgeordnete Robak, der als "Kroatensprecher" seiner Partei galt, trat für eine weitgehende Integration, besonders für ein gutes Erlernen der deutschen Sprache ein. Er meinte, entscheidend sei auch für die Kroaten der wirtschaftliche und soziale Fortschritt. Robak erklärte wiederholt, die Minderheitenrechte dürften nicht zu Pflichten werden. Anlässlich des Besuches des jugoslawischen Ministerpräsidenten in Wien erklärte Robak als Sprecher der Konferenz kroatischer Bürgermeister (SPÖ-nah), die Kroaten hätten keinerlei Forderungen an die Republik Österreich. Anlässlich einer Eröffnung einer Ausstellung zur Geschichte der burgenländischen Kroaten erklärte auch Landeshauptmann Kery, dass es im Burgenland kein Minderheitenproblem gäbe. Die der ÖVP nahe stehenden kroatischen Organisationen, besonders der Kroatische Kulturverein, sahen darin einen "Verrat" am kroatischen Volkstum.

Im April 1972 wurden Ortstafeln mit der kroatischen Ortsbezeichnung übermalt, während des Wahlkampfes von 1972 wurden Kery-Plakate mit der Aufschrift "Kroatenmörder" überklebt. Der Konflikt eskalierte anlässlich des Besuches einer kroatischen Delegation im Burgenland. Der ÖVP-Politiker Dr. Katsich erklärte, die burgenländischen Kroaten würden auf sprachlichem, kulturellem, schulischem und finanziellem Gebiet benachteiligt. Die kroatischen SPÖ-Abgeordneten Robak und Probst wiesen diese Anschuldigungen scharf zurück. Weitere große Unruhe riefen scharfe Angriffe in der jugoslawischen Presse hervor: dort wurde von "antikroatischen Ausschreitungen" und davon gesprochen, dass "Jugoslawien den faschistischen Terror gegen jugoslawische Minderheiten in Österreich nicht tolerieren" könne. Auf einer Tagung der "Bürgermeister- und Vizebürgermeisterkonferenz der kroatischen und gemischtsprachigen Gemeinden" in Baumgarten wies Robak vor allem zurück, dass die burgenländischen Kroaten eine "jugoslawische Minderheit" wären und erneuerte seine Angriffe gegen den "Kroatischen Kulturverein" und den "Kroatischen Akademikerklub".

Auch das Verhältnis zu Jugoslawien, das zuvor sehr gut gewesen war, verschärfte sich. Jugoslawien forderte die Rechte der burgenländischen Kroaten ein, offenbar um von eigenen, inneren Schwierigkeiten abzulenken. Dieser Gegensatz verschärfte sich, als eine burgenländische Delegation 1974 von einem Gegenbesuch in Kroatien kurzfristig "ausgeladen" wurde, der Präsident des Kroatischen Kulturvereins, Dr. Müller, wurde aber in Agram demonstrativ empfangen. Wie wenig berechtigt die Vorwürfe waren, zeigte eine 1975 vom IFES - Institut durchgeführte Untersuchung: Der größte Teil der Kroaten fühlte sich voll in die burgenländische Gesellschaft integriert, vier Fünftel erklärten, in keiner Weise diskriminiert zu sein.

Nach der Behandlung des Problems im Parlament sollte eine geheime Erhebung der Muttersprache durchgeführt werden. Außerdem wurden Volksgruppenbeiräte eingerichtet. Am 14.November 1976 fand in ganz Österreich die geheime Erhebung der Muttersprache statt. Nur 28 % beteiligten sich, die Ergebnisse waren unbrauchbar. Im Burgenland hatte der Kroatische Kulturverein zum Boykott aufgerufen. Die SPÖ leitete trotz des Scheiterns der "Zählung" die Schlussfolgerung ab, "dass es im Burgenland keine Konfliktsituation gibt". (BF 29.12. 1976)

Ein Brief an Präsident Tito

"Die aufgestellte Behauptung steht im krassen Widerspruch zu der tatsächlichen Situation, was die kroatisch sprechende Bevölkerung des Burgenlandes betrifft. Im Burgenland gibt es keine jugoslawische Minorität, auch kein gestörtes Verhältnis zwischen dem Minderheits- und dem Mehrheitsvolk.

Für die große Mehrheit der kroatischen Sprachgruppe im Burgenland gibt es keine unerfüllten Forderungen oder Benachteiligungen, aber auch keine zwangsweise Assimilation. Die freie Entwicklung der Minderheit ist in jeder Hinsicht gesichert und befriedigend. Wir fühlen uns frei und zufrieden, wie kaum eine andere Minderheit auf dieser Welt.

Wir wollen keine Sonderrechte oder Sonderbehandlung. Was von einer kleinen Gruppe als zwangsweise Assimilation und Unterdrückung bezeichnet wird, ist eine natürliche, unausweichliche Entwicklung, ein sozialer Emanzipationskampf, der innerhalb einiger Jahrzehnte die Kulturentwicklung der kroatisch sprechenden Bevölkerung auf die Stufe der deutsch sprechenden hob.

Aber ist es nicht ein legitimes Recht jeder Minderheit, über ihr Schicksal selbst zu entscheiden? Auch Gesetze und gesetzliche Maßnahmen bilden keine Sicherung gegen freiwillige Integrierung.

Gerade Sie, Herr Präsident, wissen besser als andere, dass auf Dauer keine Macht der Welt den Willen und den Wunsch des Volkes brechen kann, in der eigenen Heimat frei und unabhängig zu sein und über sein Schicksal selbst bestimmen zu können.

Glauben Sie, Herr Präsident, es vor der Geschichte und vor Ihrem Gewissen verantworten zu können, dass Jugoslawien einigen Leuten des kroatischen Kulturvereines Glauben schenkt und ihre erzkonservative Politik unterstützt, die von der großen Mehrheit der kroatisch sprechenden Bevölkerung im Burgenland nicht gebilligt und unterstützt wird?

Hochverehrter Herr Präsident! Die strikte Erfüllung des Österreichischen Staatsvertrages bedeutet für die Angehörigen der Minderheit im Burgenland eine wirtschaftliche, soziale und kulturelle Isolation.

Wir wollen und können aber nicht davon leben, als Denkmal zu gelten, sondern wünschen Chancengleichheit. Wir sprechen einen 400 Jahre alten slawischen Dialekt mit zu wenig Ausdrucksmöglichkeiten für die heutige Zeit. Aber wir fühlen österreichisch und sind loyale österreichische Staatsbürger . Im Interesse des Friedens in der Welt, für den auch Sie, Herr Präsident, zeit Ihres Lebens gekämpft haben, glauben wir, alles tun zu müssen, dass unsere Eigenart nicht ein Streitobjekt zwischen den beiden Nachbarländern wird, dass die gutnachbarlichen Beziehungen zwischen Österreich und Jugoslawien nicht belastet werden, sondern wir glauben, dass wir als Vermittler eines noch besseren Verhältnisses und einer besseren Zusammenarbeit dienen können." (zitiert nach: BF 28.Mai 1975,S.8)

 F. Robak zur "Volkszählung"

"...Die überwiegende Mehrheit der kroatischen Sprachgruppe will nämlich von den Forderungen des Kulturvereines nichts wissen und will sich den Sitten und Gebräuchen der Mehrheit anpassen. Wenn kroatische Eltern zu Hause mit ihren Kindern kroatisch sprechen oder sie in der Schule kroatisch unterrichten lassen wollen, hat niemand das Recht, ihnen das zu verwehren. Aber umgekehrt müssen die Eltern auch das Recht haben, ihre Kinder in der Schule nur deutsch unterrichten zu lassen, wenn sie das wünschen. Im Burgenland ist dies aber in kroatischen und gemischtsprachigen Gemeinden bisher nicht möglich. ...... Das Problem, um das es in den Kroatisch sprechenden Gemeinden geht, ist kein nationales, sprachliches und kulturelles, sondern vor allem und in erster Linie ein soziales. Daher ist es höchste Zeit, den Denkmalschutzgedanken aufzugeben, die freiwillige und unaufhaltsam vor sich gehende Entwicklung zur Kenntnis zu nehmen und sie nicht immer wieder als bewußte und zwangsweise Assimilierung zu verurteilen. Man kann zwar den Besitzer eines denkmalwürdigen Hauses zwingen, es in seinem Urzustand zu belassen, es ist aber schwer möglich, einem kroatischen Mädchen zu verbieten, einen deutschen Burschen zu lieben und zu heiraten.

Gewiss, Mischehen sind Erosionsprozesse für jede Minderheit, aber sind nicht viele europäische Nationen das Produkt solcher Prozesse?" (BF, 3.März 1976,S.4)

 Was ist Umgangssprache?

 In der Diskussion der Volksgruppenfrage spielten die Ergebnisse der Volkszählungen eine wichtige Rolle. Zwischen 1961 und 1971 ging der Anteil jener Burgenländer, die ausschließlich kroatisch als "Umgangssprache" angaben, stark zurück, von 23 813 auf 6600 Personen. Hingegen stieg der Anteil jener, die neben deutsch auch kroatisch als zweite Umgangssprache angaben: von 1867 auf 15 740. Insgesamt ging der Anteil der sprachlichen Minderheiten von 13,1 % auf 11,3 % zurück, wobei allerdings der Erhebungsmodus 1971 ein anderer war, streng genommen die beiden Volkszählungen also nicht vergleichbar waren. Trotzdem wurden diese Zahlen als "Beweis" für die voranschreitende "Germani-sierung" der burgenländischen Kroaten genommen...

Bombenalarm während der Volkszählung

Die Volkszählung, die die tatsächliche Zahl der Volksgruppenangehörigen ermitteln sollte, wurde ein totaler Fehlschlag, die Ergebnisse waren unbrauchbar, da die Beteiligung äußerst niedrig war. Die Boykottaufrufe hatten zumindest teilweise Erfolg. In den meisten Gemeinden hielt man die ganze Zählung wohl für überflüssig. Für Aufregung sorgten Bombendrohungen in Siegendorf und in Hornstein und die Berichterstattung des jugoslawischen Fernsehens darüber. Gegen den Abgeordneten Fritz Robak gab es mehrere Morddrohungen ...

 Robak zur Kroatenfrage

"Wir haben diese Chancengleichheit auf sozialem, politischem und wirtschaftlichem Gebiet erst erlangt, als wir aus dem Ghetto der sprachlichen Isolation ausgebrochen sind und freiwillig die deutsche Sprache perfekt erlernt haben. Gerade seit 1945 stehen uns alle privaten und öffentlichen Posten offen: Ein Kroate, Dr. Lorenz Karall, war viele Jahre lang Landeshauptmann, der Diözesanbischof ist Kroate, in allen Ämtern und Behörden, in vielen leitenden Positionen sind Kroaten vertreten... Im Burgenland wird niemand danach gefragt, ob er Kroate, Deutscher oder Ungar ist, höchstens ob rot oder schwarz..."

 LH. Kery am 30. April 1976 zur "Kroatenfrage"

" Burgenland und Kärnten kann man in der Minderheitenfrage nicht in einem Atemzuge nennen. In Kärnten handelt es sich um zeitweise umstrittene Grenzen, im Burgenland hat es nie Territorialansprüche eines kroatischen Mutterlandes gegeben. Die burgenländischen Kroaten sind im Laufe des 16.Jahrhunderts eingewandert und sind seither ein integrierter Teil des burgenländischen Volkes. Dank ihres Fleißes und ihrer Tüchtigkeit sind sie in den Führungspositionen des Landes über ihren zahlenmäßigen Anteil hinaus vertreten. Niemand will daher einen ethnischen Proporz errichten, der von der historischen und sozialen Entwicklung überholt ist. Die Mehrheit der Kroaten des Burgenlandes fühlt sich nicht als Minderheit und will auch nicht auf den Status einer Minderheit reduziert werden. Ein radikales Grüppchen, eine verschwindende Minderheit innerhalb unserer Kroaten verlangt allerdings einen Schutz. Es verlangt diesen Schutz gegen den Willen der Mehrheit der Kroaten; es verlangt einen Schutz, der nicht notwendig ist und von den meisten als gegeben empfunden wird. Sicherlich ist die Erfüllung des vor 21 Jahren abgeschlossenen Staatsvertrages unabdingbar. Wichtiger aber als eine buch-stabengetreue Vollziehung ist der innere Friede unseres Landes." (Zitiert nach SInowatz, Schlag, Feymann...S.243 f.)

"Ist die Abwanderung gestoppt?" fragten und hofften burgenländische Zeitungen nach dem bekannt werden der ersten Ergebnisse der Volkszählung. Allzu optimistisch wurde der Zuwachs der Gesamtbevölkerung von 0,4% als "Wende, die mit Stolz erfüllt" interpretiert. Tatsächlich war die Zunahme auf die Aktivregionen beschränkt, in den Rand- und Problemgebieten ging die Abwanderung unverändert weiter. Besorgniserregend waren auch die strukturellen Veränderungen: Der Überalterungsprozess nahm zu, die Zahl der Pensionisten und Rentner stieg stark an. Die Verschiebungen in der sozialökonomischen Struktur waren markant. Der Anteil der Land- und Forstwirtschaft sank weiterhin stark ab, von 33,3% 1961 auf 18,2% 1971. Den höchsten Anteil hatte das Baugewerbe mit 21%!

 

 

 

 

 

 
 
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