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Im Sommer 1923 waren die Sozialdemokraten und die Christlichsozialen übereingekommen, im Burgenland keine Wehrverbände aufzustellen. Man wollte dadurch vor allem ein Eingreifen Ungarns in burgenländische Konflikte verhindern.

Die Sozialdemokraten drohten mit der Aufstellung von Schutzbundabteilungen und begannen bald darauf mit der Umsetzung dieser Drohung. Schon im Juni 1926 zeigte sich der Bezirkshauptmann von Mattersburg höchst besorgt und befürchtete weitere Konflikte. Er verbot eine Frontkämpferversammlung in Schattendorf, da die Schutzbündler drohten, diese mit Gewalt zu verhindern. Diese Versammlung fand dann etwa einen Monat später, im Juli 1926, statt. Es kam zu einer Rauferei, selbst Schüsse fielen - ohne zunächst Schaden anzurichten. Ebenfalls in Schattendorf, einem Ort, dessen Bevölkerung zu nahezu zwei Drittel sozialdemokratisch wählte,  fand das erste große Treffen des burgenländischen Republikanischen Schutzbundes statt.  Es wurde   zu einer Demonstration der Stärke der Sozialdemokratie. Die zahlenmäßig weit unterlegenen Frontkämpfer fühlten sich vom Schutzbund bedroht. Es verging nun kein Wochenende mehr ohne eine politisch motivierte Rauferei. Am 31. Dezember 1926 kam es während einer Sylvesterfeier der Sozialdemokraten in Loipersbach erneut zu tätlichen Auseinandersetzungen. Zwei Frontkämpfer wurden verhaftet. Ihre Kameraden marschierten vor dem Mattersburger Bezirksgericht auf. 

Für den 30. Jänner 1927 meldeten die Frontkämpfer in Schattendorf eine Versammlung an. Die Führer des Schutzbundes sahen darin eine Provokation. Sie bezeichneten die Frontkämpfer als Monarchisten und - was in der damaligen Zeit ein besonders schlimmes Schimpfwort war und tatsächlich kaum zutraf - als "Magyaronen", also als Ungarnfreunde, die die Abtretung des Burgenlandes an Österreich rückgängig machen wollten. Dementsprechend verbittert reagierten die Frontkämpfer. Als nun auch die Schutzbündler für den gleichen Tag in Schattendorf einen Aufmarsch ankündigten, war der Konflikt vorprogrammiert. Dabei sollte der Organisator des Schutzbundes und frühere Angehörige der Volkswehr, Oberleutnant Hoffmann, sprechen. Die Schutzbundveranstaltung war nicht angemeldet. Das war auch der Grund, warum der Gendarmerieposten  Schattendorf keinerlei Vorkehrungen treffen konnte. Nicht alle Schutzbündler waren mit diesem harten Konfrontationskurs einverstanden, manche warnten vor den Folgen, einige Gruppen lehnten die Teilnahme ab. Thomas Preschitz, der Schutzbundführer des Bezirkes Mattersburg, wollte die Kraftprobe. Seine Person verschärfte den Konflikt noch, denn Preschitz war in nichtsozialistischen Kreisen als Angehöriger des Volksgerichtshofes in der Zeit der Räterepublik äußerst verhasst.

Der 30. Jänner 1927 verlief äußerst turbulent. Schon bald nach der Ankunft der Schutzbundabteilungen aus Draßburg, Baumgarten und Klingenbach in Schattendorf kam es zu den ersten Zwischenfällen. Schutzbündler drangen in das Vereinslokal der Frontkämpfer im Gasthaus Tscharmann ein und begannen dort zurandalieren. Der Sohn des Wirtes gab Alarmschüsse ab, worauf die Gendarmerie erschien und die Streitenden trennte.Das Ziel von Preschitz war es, die Frontkämpferversammlung zu verhindern. Er ließ die Schutzbündler, etwa 150 Mann, zum Bahnhof Loipersbach - Schattendorf marschieren. Die aus Loipersbach kommenden, etwa 40 Frontkämpfer wurden mit Waffeneinsatz gezwungen, umzukehren. Unmittelbar darauf traf am Bahnhof der Zug mit den Frontkämpferführern aus Niederösterreich und Wien ein. Es waren dies etwa zehn Personen, unter ihnen Hauptmann A. Seifert, der Oberst Hiltl vertrat, und der Sekretär der Frontkämpfervereinigung, Josef Landgraf. Auch sie wurden von den Schutzbündlern attakiert und mußten im Bahnhofsgebäude Schutz suchen. Erst nach Eintreffen der Gendarmerie konnten sie unter deren Schutz zu Fuß entlang der Bahnlinie in Richtung Mattersburg abziehen.

Um etwa vier Uhr nachmittags zogen die Schutzbündler, die sich nun ganz als "Sieger" fühlten, ins Dorf zurück. Als sie am Gasthof Tscharmann vorbeikamen wurden Drohungen laut, Steine wurden in Richtung Gasthaus geworfen und immer mehr Schutzbündler lösten sich aus der Kolonne, um gegen das Wirtshaus der Frontkämpfer vorzudringen. Einige von ihnen drangen in den Hof und in die Küche ein.

Im Gasthaus war die kleine Schar der örtlichen Frontkämpfer versammelt. Sie mussten voller Zorn ihre Niederlage zur Kenntnis nehmen. Sie fühlten sich im Recht, da ihre Versammlung ja behördlich genehmigt war, die Sozialdemokraten hingegen diese verhindert hatten. Die Söhne des Wirtes, Joseph und Hieronimus, der Schwiegersohn Johann Pinter und einige andere Frontkämpfer bekamen es mit der Angst zu tun und zogen sich in die Wohnräume des Hauses zurück. Dort standen seit den Ereignissen am Vormittag geladene Gewehre bereit. Joseph Tscharmann gab einige Schüsse auf die gegenüberliegende Hausmauer ab, um die Eindringlinge aus dem Hof zu vertreiben. Hieronimus Tscharmann und Johann Pinter schossen von einem vergitterten Fenster aus in Richtung Straße. Die Schrotpatronen hatten eine verheerende Wirkung. Mehrere Personen wurden schwer, einige leicht verletzt. Ein siebenjähriger Schüler und ein kriegsinvalider Schutzbündler starben. Die Schützen flohen anschließend über die nahe Grenze nach Ungarn. Dabei wurden sie beschossen. Später kehrten sie zurück und stellten sich dem Gerichtsverfahren.

Während die Ereignisse in Schattendorf und im Burgenland zur Besinnung und Ernüchterung führten, kam es in Wien und Wr. Neustadt zu Demonstrationen und Streiks. Während des Begräbnisses am 2. Feber wurde in ganz Österreich ein viertelstündiger Generalstreik durchgeführt. Am 3. Feber kam es auch im Nationalrat zu turbulenten Szenen.

Im Sommer wurde der Prozess gegen die Schützen von Schattendorf vor einem Geschworenengericht in Wien durchgeführt. Sie wurden, da man ihnen Notwehr zubilligte, freigesprochen. Das Urteil hatte am 15. Juli die bekannten, furchtbaren Folgen: Brand des Justizpalastes, Einsatz der Polizei, 90 Tote und hunderte Verletzte. Die politischen Gegensätze wurden unüberbrückbar.

Im Burgenland freilich führten die Ereignisse von Schattendorf zur Beruhigung. Man hatte in allen Parteien die Gefahren, die von der Radikalisierung ausgingen, erkannt. Die Kompromissbereitschaft nahm zu. Die Wehrverbände wurden nicht weiter ausgebaut, der Wahlkampf relativ fair geführt.

 

„Schattendorf" - Machtkämpfe in der Sozialdemokratie?
Eine sehr interessante Frage ist bis heute von der Forschung nicht geklärt. War der Aufmarsch in Schattendorf auch durch parteiinterne Rivalitäten bedingt? Auffallend ist jedenfalls, dass einzelne Schutzbundgruppen, etwa die sehr starke Abteilung aus Siegendorf, die Teilnahme verweigerten. In der Partei gab es heftige Turbulenzen. Der Zorn vieler Funktionäre - darunter auch Preschitz - gegen Ludwig Leser, dem man seinen "Kuschelkurs" und darüber hinaus seinen aufwändigen Lebensstil vorwarf. Man kann vermuten, dass mit dem Schattendorfer Schutzbundaufmarsch nicht nur der politische Gegner sondern auch die eigene Parteiführung provoziert werden sollte.
Von zwei Seiten her wurde die Sozialdemokratie angegriffen, von dem früheren Funktionären Mosler und Brünner, wobei Brünner vor allem gegen LR Ignaz Till schwere Vorwürfe erhob, und von Seiten der Kommunisten, die anscheinend unter den unzufriedenen Sozialdemokraten in Neufeld und Hornstein Anhänger warben.
Sehr interessant ist ein Bericht des Polizeikommissariates Eisenstadt über Spannungen in der Sozialdemokratie: "Am 20 Juni 1926 fand in Eisenstadt eine Versammlung von Arbeitslosen statt, an der etwa 80 – 100 Personen teilnahmen. Die Versammlung wurde von Karl Honz aus Neufeld einberufen, die Teilnehmer kamen aus Neufeld, Hornstein, Stinkenbrunn (heute Steinbrunn) und Siegendorf. Slogans der Versammlung waren: „Es lebe Sowjetrussland“ oder „Wir wollen eine Arbeiter- und Bauernregierung“. Die meisten Teilnehmer trugen Sowjetsterne. Die meisten Teilnehmer waren Kommunisten. Ein sozialdemokratischer Funktionär aus Wien stellte die sozialdemokratischen Führer des Burgenlandes als Verräter an der Arbeiterklasse hin. Der einzige Vertreter der burgenländischen Sozialdemokraten, der an der Versammlung teilnahm, der Abgeordnete und Eisenstädter Vizebürgermeister Hubert Bauer, wurde als „Schuft“ bezeichnet, Leser und Morawitz wurden heftig angegriffen. Redner waren der Neufelder Kommunist Franschitz, Kratschitz aus Hornstein, Lehner aus Stinkenbrunn und Frau Juliane Sturm aus Neufeld.
„Hierzu glaubt das Amt (Polizeikommissariat Eisenstadt) bemerken zu müssen, dass die Vorfälle in dieser Versammlung wie mehrfache andere dem Amt bekannt gewordene Erscheinungen auf eine immer stärker werdende Radikalisierung eines Teiles der Arbeiterschaft im Burgenland schließen lassen, die Zusammenhänge mit der sozialdemokratischen Partei nur mehr lose (organisatorisch) sind, in Anschauungen und Ideen aber bereits kommunistischen Tendenzen gehuldigt wird.“Lage- und Tätigkeitsbericht des Polizeikommissariates Eisenstadt für Juni 1926, 8. Juli 1926
Am 6, und am 22. September 1926 fanden in Eisenstadt Versammlungen der Arbeitslosen statt. ... Den sozialdemokratischen Führern wurde vorgeworfen, dass sie daran schuld seien. „Man beschuldigt sie, Kapitalisten und dem Proletariat untreu geworden zu sein“. Besonders heftig wurden Leser, der Eisenstädter Bürgermeister Koller und der Bürgermeister von Neufeld, Schön, angegriffen. „Es scheint sich eine Spaltung in der sozialdemokratischen Partei im Burgenland oder zumindest eine Abbröckelung zu Gunsten einer bürgerlichen oder kommunistischen Partei vorzubereiten. Dagegen dürfte die von verschiedener Seite aufgestellte Behauptung, dass die sozialdemokratische Bewegung überhaupt im Rückgang begriffen sei, nicht zutreffen …“Lage und Tätigkeitsbericht des Polizeikommissariates Eisenstadt für Sept. 1926, 6. Oktober 1926
Ende 1926 entfalteten die Kommunisten einige Aktivitäten. Am 10.10. 1926 fand in der geschlossenen Neufelder Jutefabrik eine Versammlung der „Roten Hilfe“ unter dem Vorsitz von Franschitz statt.

 

 

 

 

Grafik / Karte

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Hauptstraße mit dem Gasthaus Tscharmann.

 

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Begräbnis eines Opfers in Schattendorf.

 

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Quellen

 

 

 



 
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