Die "Christlich - Sozialen" im alten Westungarn
Die späteren Christlichsozialen des Burgenlandes gingen aus der Katholischen Volkspartei (auch weiße Volkspartei genannt) hervor, die in den 1890er Jahren in Westungarn Fuß fasste und ihre Blütezeit vor dem 1. Weltkrieg hatte. Sie war vor allem eine gegen den Liberalismus gerichtete Gruppierung, mit stark antisemitischer Komponente. Sie stellte unter der Führung der beiden Kleriker Gießwein und der Neusiedler Pfarrer Huber die meisten westungarischen Abgeordneten im Budapester Parlament (Huber, Sabel, Bleyer, Scholz, Thomas, Graf Ambrozy - Migazzy). Das Vorbild der erfolgreichen Wiener Christlichsozialen bewog einige Persönlichkeiten, die Katholische Volkspartei in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg zu einer christlichsozialen Bewegung um zu gestalten. Prälat Gießwein aus Ödenburg war die treibende Kraft. Den Kreis um Gießwein gehörte bereits der Kaplan und spätere burgenländische Landeshauptmann Thullner an. Bleyer war katholischer Donauschwabe und Germanistikprofessor in Budapest. Sein Abgeordnetenmandat hatte er im Bezirk St.Gotthard, also im wesentlichen im heutigen Südburgenland errungen.
In der Anschluss-Zeit: Pro - ungarisch
Die Christlichsozialen waren überwiegend heftige Gegner des Anschlusses an Österreich. Ihre Zeitung, das "Christliche Ödenburger Tagblatt", das ab 29. August 1919 erschien, bekannte sich zu "einem militanten Christentum, zum schärfsten Kampf gegen den Marxismus, zum Deutschtum und zu Ungarn". Herausgeber der Zeitung, deren erklärtes Ziel es war, ganz Westungarn für Ungarn zuretten, war Gezá Benkö, Schriftleiter Alois Krisch. Die Zeitung erschien bis 1. Juli 1922.
Nach dem Zusammenbruch der Räteregierung sammelten sich die betont christlich orientierten Persönlichkeiten Westungarns rund um das Christliche Ödenburger Tagblatt. Sie lehnten den Anschluss an Österreich auch aus politischen Gründen, da man keineswegs zu einem sozialistisch regierten Österreich wollte. Am 5.Oktober 1919 hielt Huber am Széchenyplatz in Ödenburg eine Rede, in der er folgende Erklärung verlas:
"Die zu Tausenden versammelte Bevölkerung der Stadt Ödenburg begrüßt die christliche Regierung Ungarns und spricht ihr das vollste Vertrauen aus. Sie erklärt aber auch zugleich, dass sie nur eine ausgesprochen christliche Regierung anerkennt und einer jeden anderen den Gehorsam verweigert". (Christliches Ödenburger Tagblatt vom 9. Oktober 1919).
Die "Christlichsozialen" polemisierten vor allem gegen die deutschbewussten Ödenburger, die von Wien aus für den Anschluss eintraten, also gegen Dr. Walheim und Dr. Schuster, "... die bereits unter sich die westungarischen Mandate verteilen. Aber diese Herren sollen zur Kenntnis nehmen, dass wir auch im Falle eines gewaltmäßigen Anschlusses uns durchaus nicht von anderen führen lassen. Zur Zeit der Räteherrschaft hätte ganz Deutschwestungarn auf Deutsch-Österreich gehofft und damals hätte sich der Anschluss mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiel vollzogen. Aber Deutschösterreich rührte sich nicht. Seither glaubt kein Deutschwestungar mehr an die Selbstlosigkeit der Wiener sozialdemokratischen Machthaber. Der Weiße Terror in Deutschwestungarn existiert nicht. Wenn Renner dies aber glaubt, so ist er durch die Tendenzmeldungen der roten Presse falsch orientiert ...". (Christliches Ödenburger Tagblatt vom 20. September 1919). Es kam zu verschiedenen "Parteigründungen", die sehr unterschiedliche Bezeichnungen trugen, im wesentlichen aber noch immer Honoratiorenparteien ohne entsprechenden Apparat waren. Sie stützten sich auf persönliche Kontakte der jeweiligen Führungspersönlichkeiten. Günther Unger beschreibt die Situation treffend:
"Der Name, den man diesen Organisationen gab, war kein einheitlicher. Er wechselte zwischen 'Christlichsozialer Wirtschaftspartei Westungarns', 'Christlichsozialer Partei', 'Christlicher Bauernbund' und man griff sogar auf die Bezeichnung 'christlich-national' zurück, welche als 'Christlich-nationale Vereinigung' für die Regierungsfraktion in Budapest verwendet wurde. Diese Uneinheitlichkeit geht einesteils vom Charakter der politischen Parteien in Ungarn überhaupt aus, die keine straffere Organisation kannten, wie man sie damals etwa schon bei den österreichischen Parteien vorfand, die heute ins Leben gerufen wurden, morgen wieder verschwanden und auf die im Bedarfsfalle zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurückgegriffen werden konnte und die deutlich das Fehlen ... des Apparates ... zeigten.
So können auch wir nicht eigentlich von Parteigründungen in unserem Sinne reden, sondern bloß von parteimäßigen Einzelaktionen im Verbande der ungarischen Regierungsfraktionen, wenn auch von den führenden politischen Persönlichkeiten und ihrer kleinen Clique diese mäßige Volksbewegung im Rahmen der Protestversammlungen und Protestaktionen gegen den angekündigten Anschluss an Österreich als beginnende, das ganze Land umfassende christlich-soziale Parteibewegung deklariert wurde." (Günter Michael Unger, die Christlichsoziale Partei im Burgenland, S.2 f.)
Ebenfalls am 5.Oktober 1919 wurde in Mattersdorf die "Christlichsoziale Wirtschaftspartei" gegründet. Als Redner traten Dr. Huber, Edmund Scholz und der aus Baumgarten stammende Ödenburger Anwalt Dr. Stephan Pinezich auf. In den "Vollzugsausschuss" wurden der Marktrichter Andreas Jeidler, der Maurermeister Franz Postl, der Notar Ludwig Schwertner, der Maurer Josef Sinawehl und der Spengler Josef Zimmermann gewählt.
In den folgenden Wochen fanden, wie das Christliche Ödenburger Tagblatt meldete, weitere Versammlungen statt, etwa in Kroisbach, in Neckenmarkt und in Deutschkreutz. Dabei trat unter anderen auch der Ödenburger Stadtkaplan Michael Gangl als Redner auf. Er erklärte die Zustimmung der nun "neu gegründeten" christlichsozialen Partei zum "neuen", nunmehr christlich regierten Ungarn, verlangte aber auch mehr Autonomie für das deutsche Westungarn:
"Wir Deutsche Westungarns wollen uns ganz entschlossen der christlichen Wirtschaftspartei anschließen. Unsere politischen Organisationen müssen für das politische und wirtschaftliche Programm tüchtig kämpfen, aber auch für unsere deutschen Forderungen eintreten, für mehr Autonomie und für ausschließlich deutsche Abgeordnete" und man müsse den "völkerverderbenden, volksaussaugenden Kosmopolitismus, nämlich den Liberalismus und Kommunismus" abwehren (5.November 1918).
Die Christlichsozialen rund um das Ödenburger Tagblatt anerkannten durchaus , dass ihre geistigen Wurzeln in der christlich - sozialen Bewegung Österreichs lagen. Allerdings wurde immer wieder darauf hin gewiesen, dass nach dem Sturz der Räteregierung nun eben Ungarn ein christlich regiertes Land sei, anders als das "noch immer vom jüdisch - kommunistischen Einfluss regierte Österreich" (26. November 1919). Damit wurde jener Ton angeschlagen, der im gesamten Anschlusskampf bis hin zur Ödenburger Volksabstimmung die christlich-soziale Argumentation beherrschte: Treue zum christlichen Ungarn, kein Anschluss an das rote, verarmte und vom Bürgerkrieg bedrohte Österreich, aber auch mehr Rechte für die Deutschen Westungarns. Nur wenige Christlichsoziale und nur wenige Geistliche beider Konfessionen wagten es, gegen diese Linie zu argumentieren. Kaum ein Angehöriger der alten, noch aus der Monarchie stammenden Honoratiorenschicht, die die christlichsoziale "Bewegung" leitete, erkannte den wahren Charakter des neuen magyarischen Nationalismus, der sich immer mehr vom alten, der Stephanskrone verpflichteten Patriotismus entfernte und für Minderheitenrechte keinen Spielraum ließ.
Am 3. Dezember hielt die christlichsoziale Wirtschaftspartei Ödenburgs ihre Generalversammlung ab, in der Dr. Emmerich Kossow zum Präsidenten und Kaplan Gangl zum Generalsekretär gewählt wurden.
Im Jänner 1920 fanden dann die Wahlen zur ungarischen Nationalversammlung in Budapest statt, auf die diese "Parteigründungen" und "Versammlungen" abzielten. Die Rechnung der Christlichsozialen ging auf, die Honoratioren setzten sich noch einmal durch. Es wurden ausschließlich Christlichsoziale gewählt. Dies ist allerdings nicht weiter erstaunlich, wenn man bedenkt, nach welchen Mustern der politische Entscheidungsprozess bisher abgelaufen war - und wenn man berücksichtigt, welchen Behinderungen betont deutschnationale Gruppierungen wie etwa die um Karl Wollinger ausgesetzt waren. Als Abgeordnete gewählt wurden Jakob Bleyer im Wahlbezirk St. Gotthard, Graf Anton Sigray, Franz Thomas (Güssing), Mathes Nitsch (Zurndorf), Johannes Huber (Neusiedl am See), Eugen Fertsak und Albin Lingauer (Steinamanger), Oliver Rupprecht und Johann Sabel (Eisenstadt), Edmund Scholz (Mattersburg), Graf Kuno von Klebelsberg (Ödenburg) und Graf Ambrozy-Migazzy (Oberwart).
Die Situation der deutschen christlich-sozialen Abgeordneten im Budapester Parlament war äußerst prekär und gekennzeichnet durch den aussichtslosen Versuch, Westungarn bei Ungarn zu halten, zugleich aber mehr Autonomie für die Deutschen zu erlangen. Am 21. Feber 1920 versammelte Jakob Bleyer die deutschen Abgeordneten in seinem Nationalitätenministerium. Man besprach die Gründung einer deutschen "Partei" innerhalb der christlich-nationalen Vereinigung. Sie erhielt die Bezeichnung "Partei der christlichen Deutschen zum Schutz der Integrität", zeigte also schon in ihrem Namen, dass sie fest zum ungarischen Staat stand. Darüber hinaus setzte sie sich den Schutz und die Förderung der Deutschen in Ungarn zum Ziel. Präses der Partei wurde Blayer, geschäftsführender Präses Dr. Lorenz Landgraf. Vizepräsidenten und Vertreter der einzelnen deutschen Siedlungsgebiete wurden Dr. Huber, Edmund Scholz, Sektionsrat Michael Jungroth, Dr. Konstantin Kayser und Sektionschef Kernel Seltenreich.
In der Innenpolitik Ungarns des Jahres 1920, die durch wechselnde Regierungen gekennzeichnet war, spielten die westungarischen Abgeordneten keine entscheidende Rolle. Die Regierung wurde von der nationalistischen Kleinlandwirtepartei, die die meisten Abgeordneten stellte, zusammen mit der christlich-nationalen Vereinigung, der auch die westungarischen Abgeordneten angehörten, gestellt. Unter Graf Bethlen, ab Juli Ministerpräsident, wurden die beiden Parteien vereinigt. Bethlens Nachfolger wurde Graf Teleki, das Bündnis hielt zunächst noch, auch Bleyer konnte sich als Nationalitätenminister behaupten. Aber der national - radikale Rubinek von der Kleinlandwirtepartei wurde Landwirtschaftsminister. Im November 1920 stürzte die Regierung Teleki, Bleyer - inzwischen von den Nationalmagyaren heftig angefeindet - verlor seinen Ministerposten. Das Nationalitätenministerium wurde mit dem Außenministerium zusammen gelegt.
Am 7.November 1920 wurde im ungarischen Parlament der Friedensvertrag von Trianon ratifiziert und damit rückte auch die Abtretung Deutsch-Westungarns in greifbare Nähe. Die zwölf westungarischen Abgeordneten waren in einer schwierigen Situation. Sie glaubten, der Ratifizierung nicht zustimmen zu können und überlegten, aus der Regierungskoalition aus zu treten, ließen es dann aber doch bei einem Protest bewenden, um die Regierungsmehrheit nicht zu gefährden. Die Rede, die Edmund Scholz aus diesem Anlass hielt, lässt noch einmal das Dilemma erkennen, in dem sich die Abgeordneten Westungarns befanden:
"Wir westungarische Abgeordneten werden aus der Regierungspartei nicht austreten, sondern uns der Stimmabgabe gelegentlich der Ratifizierung enthalten. Nach erfolgter Ratifizierung gedenken wir die Regierung wie bisher mit allen Kräften zu unterstützen, falls mit der Republik Österreich Verhandlungen angebahnt werden sollten, um eine sowohl den ungarischen als auch den österreichischen Interessen entsprechende Lösung der westungarischen Frage herbei zu führen. Es ist unsere feste Überzeugung, dass ein friedliches und glückliches Nebeneinandergehen beider Staaten für die Dauer nach einer beide Teile befriedigenden Einigung in der strittigen Frage gewährleistet werden kann." (Christliches Ödenburger Tagblatt vom 9. November 1920)
Obwohl der Friedensvertrag die Abtretung Westungarns vor sah, glaubten die christlich-sozalen Abgeordneten in Budapest offenbar noch immer völlig unrealistisch an eine Lösung zugunsten Ungarns. Das drückten sie kurze Zeit später auch in einem Manifest aus: Westungarn sollte als autonomes Gebiet unter der Oberhoheit der Heiligen Stephanskrone bleiben, Österreich durch wirtschaftliche Zugeständnisse entschädigt werden. Graf Sigray wurde als Regierungskommissär vorgeschlagen. "Ein Anschluss (an Österreich) würde für immer als Ungerechtigkeit und Raub gelten." (Christliches Ödenburger Tagblatt vom 11. November 1920). Tatsächlich ernannte Horthy Graf Sigray zum Distrikts-Regierungskommissär für die Komitate Ödenburg, Wieselburg und Eisenburg.
In den Augen vieler Deutschwestungarn wurde diese Politik im Laufe des Jahres 1920 immer unglaubwürdiger, denn parallel dazu begann sich der Widerstand magyarisch-nationaler Kreise vor allem auch in Ödenburg zu formieren. Die Grenzen dieser Gruppen, vor allem der "Erwachenden Ungarn" und der MOVE (verband zum Schutz der Integrität Ungarns), einer paramilitärischen Gruppierung, zu den Christlichsozialen waren nicht mehr klar zu erkennen. Alois Krisch etwa, der Chefredakteur des Christlichen Ödenburger Tagblattes, war auch im "Erwachenden Ungarn" aktiv.
Das Jahr 1921 begann mit schweren Turbulenzen in der christlich-nationalen Vereinigung. Einige Abgeordnete, darunter auch Albin Lingauer, traten aus, da ihnen die Politik der Verinigung zu liberal war. Sie waren strikt antisemitisch und legitimistisch, also für die Thronfolge der Habsburger. Ende Jänner trat schließlich die gesamte christlich-nationale Gruppe aus, ohne Opposition zu betreiben. Erst die neue Regierung unter den Grafen Stephan Bethlen ab April unterstützten sie wieder.
Die Einheitsfront der Christlich-Sozialen in Westungarn begann ab Jänner 1921 ab zu bröckeln. Die bevorstehende Übergabe an Österreich begann, Wirkung zu zeigen. Der wichtigste "Überläufer" war Michael Gangl, der bei der Generalversammlung der Partei am 16. Jänner 1921 in Ödenburg bereits fehlte. Gangl war seit November 1920 Pfarrer von Neudörfl und lehnte ein Abgeordnetenmandat in Budapest bereits ab.
Bemerkenswert ist noch eine Aktion der westungarischen Abgeordneten (Bleyer, Huber, Scholz, Nitsch, Sabel und Thomas) vom 3. März 1921. Sie forderten sowohl die ungarische wie die österreichische Regierung auf, in der Westungarnfrage auf sie, die gewählten Abgeordneten der westungarischen Bevölkerung, zu hören. Aus Budapest bekamen sie vom Minister des Äußeren Dr. Gratz, der auch für Nationalitätenfragen zuständig war, prompt die verlangte Zustimmung.
In die Zeit vom März bis zum Juni 1921 fiel der Höhepunkt der Agitation und des letzten Aufbäumens der christlichsozialen Anschlussgegner. Am 15. März fand in Ödenburg eine große Versammlung statt, bei der auch Obergespan Zsembery, der Regierungskommissär Sigray und Oberst Lehár anwesend waren. Der Ödenburger Bürgermeister Thurner, ein fanatischer Anschlussgegner, Albin Lingauer und der Priester und Abgeordnete Sabel hielten Reden. Nach dem Bericht des Christl. Ödenburger Tagblattes sollen 20.000 Menschen anwesend gewesen sein. Objektive Zeitzeugen sind der Meinung, dass dies maßlos übertrieben sei, höchstens einige tausend Personen wären diesem Aufruf gefolgt. Vor allem Sabel, der selbst Rheinländer war, attackierte Walheim als "Entfremdeten": "Walheim und Genossen hat niemand eine Vollmacht erteilt, im Namen der westungarischen Bevölkerung zu sprechen und zu agitieren. Die Lostrennung dieser Gebiete von Ungarn wünschen nur die gestrandeten Kommunisten und die Entfremdeten. Wenn wir auch deutsch sprechen, im Herzen waren und bleiben wir für ewig Ungarn" (Christl. Ödenburger Tagblatt vom 17.März 1921). Die heftigen Angriffe auf die Großdeutschen und besonders Walheim wurden in dieser Zeit zu Verleumdungskampagnen, Im Jänner 1921 hatte der Städtische Munizipialausschuss erklärt, dass Walheim kein Ödenburger sei. Das war insofern richtig, als Walheim in Wien geboren wurde. Aber seine Eltern waren Ödenburger. Noch im März rollte in der Umgebung Ödenburgs eine christlichsoziale Veranstaltungswelle über die Dörfer (Schattendorf, Baumgarten, Draßburg, Klingenbach), wobei besonders Alois Krisch als Redner auftrat. Leider wissen wir nicht, ob es tatsächlich gelang, die Bevölkerung zu mobilisieren. Einen großen Zulauf werden die Veranstaltungen wohl kaum gefunden haben.
Am 16. April 1921 fuhren die Abgeordneten Bleyer. Huber, Nitsch und Thomas nach Wien und wurden von Bundekanzler Mayr empfangen. Der Bischof von Steinamanger rief zu einer friedlichen Lösung des Konfliktes auf. Gleichzeitig liefen aber bereits die Vorbereitungen für einen bewaffneten Widerstand. Bleyer apellierte im Christl. Ödenburger Tagblatt nochmals an den ungarländischen Patriotismus der Deutschungarn:
" Wir Schwaben sind fest entschlossen, unser heiligstes Erbgut, unser Volkstum zu retten und es nach rechts und nach links, auch wenn die Chauvinisten sich abermals von dem Judentum ködern lassen sollten, mit Mut und Zähigkeit zu verteidigen. Deutsch sind wir und deutsch bleiben wir! Wir wollen dem Ungarntum ein treuer Waffenbruder sein beim Aufbau des christlichen Ungarn und ein treuer Waffenbruder auch im großen Kampfe um die Integrität des Sankt Stefansreiches....Wer sich an uns vergreift, vergreift sich an der großen Idee der Integrität, wer uns stärkt, stärkt die Hoffnung auf eine bessere Zukunft des ungarischen Vaterlandes. "
Bleyer und Huber reisten nach Deutschland, um auch dort für den Verbleib Westungarns bei Ungarn zu werben. Sie fanden in der Presse ein lebhaftes Echo.
Am 23. Juni 1921 versuchte Huber nochmals, das Ruder herum zu reißen. Der große Artikel im Christl. Ödenburger Tagblatt, der auch in der Pester Zeitung abgedruckt wurde, lässt aber schon die Resignation erkennen, obwohl er nochmals pathetisch zum Widerstand aufruft:
"Seit zwei Jahren befindet sich unsere Heimat im peinlichen Zustand der Ungewissheit! Dem verkündeten Grundsatz des Selbstbestimmungsrechtes der Völker zum Hohn haben feindliche Mächte über unser Schicksal bestimmt. Offen und entschieden habe ich mich gegen diese Entscheidung gewendet. Die Liebe zur Heimat hat mich dazu bestimmt. Der wirtschaftliche Ruin dieser Gebiete, sind sie einmal bei Österreich, wird unausbleiblich sein. Und außer der leiblichen Not droht von draußen auch eine andere Gefahr: Wien ist der Mittelpunkt des verworfensten kommunistischen Gesindels der Welt. Die österreichische Regierung ist nicht imstande, dasselbe abzuschütteln, denn die starke sozialdemokratische Partei nimmt es in Schutz. ...Die österreichische Wehrmacht ist eine sozialdemokratische Gewerkschaft. Sie befindet sich also in der Hand jener Partei, welche die in Wien und Wiener Neustadt zusammen gelaufenen kommunistischen Verbrecher der ganzen Welt schützt. Wir haben in Erfahrung gebracht, dass sich die in Österreich weilenden Kommunisten, verstärkt durch österreichische sozialdemokratische Parteisekretäre, nach dem Anschluss sofort auf Westungarn werfen wollen. Man möge in Österreich sagen und schreiben was man will, in Westungarn herrscht heute Ruhe und vollste Ordnung. Wird es aber durch kommunistisches Gesindel überschwemmt. so haben wir dort innerhalb einiger Wochen dieselben Zustände, wie zur Zeit Karolys und des Kommunismus. ... Sollen wir unsere Schulen den roten Religionshassern zur Beute hinwerfen und sollen auch eure Kinder mit dem Gift des UNglaubens systematisch ruiniert werden? Wollt ihr das, Landsleute? Tausende und tausende Stimmen antworten mir mit einem entschiedenen 'Nein'. Nun, dann auf zur Tat, wenn ihr es nicht wollt. Reden allein hilft nichts, es muss gehandelt werden. Auf zur Tat, stellen wir der schmutzigen Flut, die uns aus dem Westen bedroht, einen Damm entgegen, stark genug, ihr Eindringen in unsere Heimat zu verhindern ... Auf zur Organisationsarbeit. Unser Motto und Kampfruf ist: Hoch die christlichsoziale Partei Westungarns, deren Aufgabe es ist, die Heimat zu schützen."
Es gibt also keinen Zweifel, dass Dr. Huber auch bereit war, mit "Gewalt" den Anschluss an Österreich zu verhindern. Physische Gewalt war aber wohl nicht gemeint, wenn er zur "Tat" aufrief. Von Ödenburg aus versuchten Huber, Scholz, Bleyer, von Klebelsberg und Sabel, eine dichte christlich-soziale Parteiorganisation in den Dörfern auf zu bauen, und zwar in allen drei Komitaten. Im Eisenburger Komitat wurde die "Bürger- und Bauernpartei" gegründet, als deren geistiger Vater Geza Zsombor gilt. Ihr Sprachrohr war das Wochenblatt "Westungarn", für das auch Huber, Lingauer, Bischof Graf Johannes Mikes und Oberst Lehár schrieben.
Im Juli 1921 kam es auch zu einem Schlagabtausch zwischen den Ödenburger Christlichsozialen und ihren Wiener Gesinnungsfreunden, unter denen einige ja - wie manche Artikel in der Reichspost beweisen - früher durchaus Verständnis für den Widerstand gegen eine Abtretung Westungarns gezeigt hatten. Der aus Frauenkirchen stammende, in Wien lebende Christlichzoziale Gregor Meidlinger greift in einem Artikel im "Deutschen Volksblatt" vom 30. Juni 1921 die Ödenburger Christlichsozialen an und weist sie auf den baldigen Anschluss hin. Er fordert sie auf, ihre ablehnende Haltung auf zu geben, da sie sonst als die "blamierten Magyaronen" da stehen würden. Krisch antwortet im Christlichen Ödenburger Tagblatt bereits sehr defensiv. Er weist, wie schon mehrmals zuvor, darauf hin, dass sich die Ödenburger Christlichsozialen durchaus in der Tradition Luegers sehen, vor allem in ihrer antisemitischen Haltung, dass aber ein "Anschluss" die christlichsoziale Bewegung in Ungarn und das ungarländische Deutschtum schwächen würde. "Der Verbleib des Gebietes bei Ungarn ist im Interesse der deutschen Weltgeltung und des christlichsozialen - antisemitischen Gedankens."
Die Kluft zwischen den mehrheitlich pro-ungarischen und den pro-österreichischen Christlichsozialen wurde unüberbrückbar. Nur wenige Führungspersönlichkeiten lavierten oder wechselten die Seiten. Gangl hielt sich zurück, blieb vorsichtig, fand erste Kontakte nach Wien, Thullner bereitete den Frontwechsel vor, indem er auf Distanz zum Kreis um Huber ging. Die aus Westungarn stammenden Christlichsozialen in Wien wurden vom Ödenburger Tagblatt heftig angegriffen. Aber auch die Österreichische Reichsparteileitung wurde nun heftig kritisiert. Man warf ihr vor, zur "Schlepperin der Sozialisten und Großdeutschen" zu werden und dadurch in Westungarn an Boden zu verlieren. Ganz Unrecht hatte man damit in Ödenburg nicht. Allerdings wurde die zwiespältige Haltung der gesamten Christlichsozialen Bewegung angelastet, das konsequente Eintreten der Großdeutschen für den Anschluss aber honoriert.
Schon ganz im Zeichen des bevorstehenden Anschlusses stand die von Huber einberufene Vertrauensobmännerkonferenz am 3. August 1921. Die beschlossene Resolution zeigt, dass man nun versuchte, im Falle des Anschlusses Handlungsspielraum zu behalten. Die Resolution ist hoch interessant, denn hier wird tatsächlich ein Problem aufgezeigt, das noch die ersten Jahre des Burgenlandes schwer belasten sollte: Die Bevormundung durch Österreich, die Einsetzung österreichischer Beamter usw.
- "Falls infolge der Trianoner Friedensbestimmungen in der staatsrechtlichen Stellung des strittigen Gebietes oder in Teilen desselben Änderungen eintreten sollten, protestieren wir feierlich fagegen, dass wir als erobertes Land, als Kolonie oder minderwertige Provinz behandelt werden. Wir verwahren uns entschieden gegen nicht heimatzuständige Besatzungstruppen, nicht heimatzuständige Behörden und Amtspersonen. Wir erklären ausdrücklich, dass wir die Aufnötigung von nicht heimatzuständigen, ohne unsere Zustimmung ins Land kommenden Regierungs-, Verwaltungs- und Unterrichtspersonal nicht zulassen. Der hohe Kulturzustand unserer Heimat macht jede Okkupation, Bevormundung oder Zwangsverwaltung durch Außenstehende vollkommen überflüssig.
- 2. Die von uns zu bezeichnenden Vertrauensmänner sind allen Beratungen über unser zukünftiges Schicksal beizuziehen und sollen in allen unsere Heimat betreffenden innenpolitischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten entscheiden.
- Solange in unserer Heimat nicht endgiltig wieder geordnete und dauernde Verhältnisse eingetreten sind, kennen wir weder soziale, noch religiöse, noch nationale Unterschiede oder Parteien. Bis dahin soll absoluter Burgfrieden herrschen."
zitiert nach Unger, Die Christlichsoziale Partei im Burgenland. Burgenländische Forschungen Heft 49, S.14 f.
Am 21. August 1921 fand in Ödenburg eine Großversammlung statt, an der Dr.Ernst Meister, Dr. Johannes Huber, Dr. Alfred Ratz, Dr. Stefan Pinezich und Edmund Scholz als Redner auftraten. Huber wollte die Realität des bevorstehenden Anschlusses noch immer nicht akzeptieren. Das österreichische "Burgenlandgesetz" vom 25. Jänner 1921, das österreichische Verwaltungsorgane vorsah, lehnte er rundweg ab und beharrte auf der Selbstverwaltung des Landes. Erneut brachte er seine Sorge vor sozialistischer Agitation zum Ausdruck. Er glaubte offenbar selbst an die christlichsoziale Propaganda. Ungarn und Österreich sollten seiner Meinung nach eng zusammen arbeiten, um diese Gefahr aus zu schließen. Ganz anders Dr. Alfred Ratz, der evangelische Ruster, der den Anschluss an Österreich bereits akzeptierte und durch seine realistische 'Sicht und sein mutiges Auftreten damals die respektvolle Anerkennung in den deutsch-evangelischen Gemeinden Westungarns gewann. Huber gab auf dieser Versammlung die Namen jener Persönlichkeiten bekannt, die bis zur Wahl eines Landtages die Verantwortung im Burgenland übernehmen sollten. Es waren dies nahezu ausschließlich die Honoratioren der Christlichsozialen. Anton Schreiner, Wilhelm Blaschek, Dr. Johannes Huber. Dr. Stefan Pinezich, Michael Teufel, Edmund Scholz, Adolf Schwarz, Dr. Alfred Ratz, Paul Kiss, Franz Thomas, Dr. Emmerich Kossow-Gerronay, Michael Gangl, Johann Sabel, Dr. Ernst Meister, Lorenz Friedl, Georg Reisch, Dr. Otto Zehetbauer, Dr.Wilhelm Schwarz. Einige Tage später wurden noch etwa 100 weitere Personen genannt, die der christlichsozialen Honoratiorenschaft der Dörfer entstammten, etwa die Mattersdorfer Michael Koch und Andreas Jeidler oder der Stinazer Peter Jandrisevits.
In den Augen der Ödenburger Christlichsozialen mag diese Auswahl von Priestern, evang. Pfarrern, Gewerbetreibenden und "Großbauern" eine repräsentative Auswahl gewesen sein. Die Gesamtbevölkerung und ihren politischen Willen repräsentierten sie allerdings schon längst nicht mehr. Sozialdemokraten, Großdeutsche oder in Wien lebende "Burgenländer", auch die pro-österreichischen Christlichsozialen, waren nicht vertreten. Die pro - ungarische Gruppe um Huber aber war in der Bevölkerung zwar geachtet, hatte aber den 1920/21 erfolgten Stimmungsumschwung verschlafen. Es ging den westungarischen Christlichsozialen um Huber natürlich auch um die Erhaltung ihrer führenden Positionen, die sie bisher - weitgehend unangefochten - in der konservativ-patriarchalischen Gesellschaft Westungarns inne hatten. Ihr Untergang im Anschlussgeschehen war auch eine Folge ihrer überholten Art, Politik zu treiben, indem sie nahezu ausschließlich auf ihre "Autorität" pochten. Aus heutiger Sicht beeindruckt die Resolution vom 2. August 1921 durchaus als Dokument eines ausgeprägten regionalen Selbstbewusstseins. Mit einigem Recht wehrte man sich gegen das Vorgehen Österreichs, das einen landesfremden Landesverwalter einsetzen und die zwölf "Vertrauensleute" nach den parteipolitischen Verhältnissen in Österreich zuteilen wollte. Aber "demokratisch legitimiert", wie sie es darstellten, waren die Ödenburger Christlichsozialen ebenfalls nicht mehr. Sie waren von der westungarischen Bevölkerung in das Budapester Parlament gewählt worden, das stimmt natürlich. Aber sie vertraten noch immer das Programm einer Zugehörigkeit zum ungarischen Staat, zum Ideal der Hl. Stephanskrone und hofften noch immer (zumindest mehrheitlich) auf Autonomie innerhalb Ungarns. Von dieser Illusion hatte sich der Großteil der Bevölkerung aber längst abgewandt.
Die alten pro - ungarischen Christlichsozialen mussten ihren Irrtum schon bald erkennen. Die Bandenkämpfe gaben einen Vorgeschmack auf den kommenden rabiaten magyarischen Nationalismus. Noch brachte man sie, die Huber und Scholz, in der Volksabstimmung. Die Bevölkerung folgte ihnen aber - wie vor allem das Ergebnis in den Stadtdörfern zeigt - längst nicht mehr. Unmittelbar nach der Volksabstimmung aber wurde ihnen die Rechnung für ihre achtenswerte, aber völlig unrealistische Haltung serviert. Dr. Huber wurde vom ebenfalls kompromisslos pro - ungarischen Raaber Bischof Fetser zum Domherrn in Ödenburg befördert und blieb Abgeordneter im Parlament. In seinen dortigen Reden kommt aber bereits seine hoffnungslose Position zwischen allen Stühlen zum Ausdruck. Er trat für die außenpolitische Anlehnung Ungarns an Österreich und an Deutschland ein, betonte immer wieder, dass er nichts gegen Österreich habe und bekämpfte weiterhin - wie eh und je - den "marxistisch - bolschewistisch - jüdischen Geist", den er in Österreich am Werk sah. Offenbar versuchte er sein Verhalten auf diese Weise zu rechtfertigen. Gelohnt wurde es ihm nicht. Für die einen war er "Volksverräter", für die anderen "Staatsverräter". Auf den Vorwurf des Verrates am deutschen Volk durch Hans Ambroschitz im "Freien Burgenländer" antwortete er - ehrlich und zutiefst erschüttert:
„Nie habe ich das Zusammengehörigkeitsgefühl mit meinem deutschen Volke verloren, was ich mit den Jahrgängen der deutschen Zeitungen beweisen kann, die ich seit fünfzehn Jahren redigiert habe. Offen und entschieden bin ich unzählige Male für die sprachlichen Rechte des deutschen Volkes in Ungarn eingetreten und habe ich mich unter Umständen zum Deutschtum bekannt, die dieses Bekenntnis viel schwerer machte, als es den Herren in Wien und Berlin ankommt, wo es leicht ist, den großen Deutschen zu spielen. Was aber dies Fühlen und Denken anbelangt, nehme ich von niemand eine Lektion an, am allerwenigsten von jenen mehr oder minder zweifelhaften Abenteurerexistenzen, die jetzt im „Burgenland" ihr Unwesen treiben . . . Ich habe mich vom ersten Moment des Auftauchens der „burgenländischen" Frage auf den Standpunkt gestellt, dass Westungarn bei Ungarn bleiben müsse und dass die Losreißung dieses Landesteiles von Ungarn sowohl für Österreich, wie auch für die gesamte deutsche Zukunftspolitik, besonders aber für das Volk Westungarns ein Unglück bedeute. Ich und meine Gesinnungsgenossen, und das sind eben die Besten des „Burgenlandes", hatten vor allem moralische Bedenken: Raub bleibt Raub und wenn er auch von der Entente sanktioniert ist. Es ist doch klar, dass Österreich unter keinerlei Rechtstitel einen wirklichen Anspruch auf West-ungarn hatte . . . Und noch ein Grund, weshalb ich für Ungarn Stellung nehme und den politischen Kampf aufgenommen habe: das Gefühl der Anhänglichkeit. In den Augen des Herrn Ambroschitz ist dies eine Schande, ein Verrat vielleicht sogar am Deutschtum, ich schäme mich nicht, denn meine feste Überzeugung ist die, dass man, um ein anständiger Deutscher zu sein, nicht zum Verräter an seinem Vaterlande zu werden braucht, ja, dass gerade die Versündigung gegen die Staatstreue auch ein Volksverrat ist."
Es kam noch schlimmer. So wie er für die einen "Volksverräter" war, wurde er für die anderen, die Magyaren, bald zum "Staatsverräter". Die Gruppe um Huber und Scholz saß schließlich zwischen allen Sesseln. Huber verlor seinen Sitz im Budapester Parlament. Nicht der Kandidat der Christlichsozialen wurde gewählt, sondern einer der geschmähten und gefürchteten Sozialisten, der Theologe und evangelische Universitätsdozent Dr. Eduard Hebelt. Der Ödenburger Bürgermeister und fanatische Österreichgegner Thurner sah darin die Rache der pro -österreichischen Deutschen in Ödenburg. Er hatte nicht ganz unrecht. Die Ödenburger, auch das Bürgertum, das alles andere als sozialistisch gesinnt war, hatte die Sackgasse erkannt, in die sie die Christlichsozialen manövriert hatten. Das war eine bittere Pille für Huber. In Ödenburg wurde er von magyarischen Studenten verbal und sogar Physisch attackiert. 1928 wurden er und Bleyer von den magyarischen Nationalisten des Vaterlandsverrates und des Pangermanismus bezichtigt und sogar wegen "Schmähung der Ungarischen Nation" vom Staatsanwalt verfolgt. Anders als seinem evangelischen Kampfgefährten, dem Pfarrer von Agendorf, Edmund Scholtz, blieb Huber lediglich der katastrophale Schlusspunkt erspart. Er erlebte die Vertreibung der Deutschen Ödenburgs und den Untergang des alten Ödenburg nicht mehr.
Die meisten der Kampfgenossen Hubers, die zum Teil ebenfalls der "Heiligen Stephanskrone" die Treue geschworen hatten, sprangen rechtzeitig ins österreichische Lager ab: Gangl, Thomas, Thullner, Schreiner, Horwath, Koch, der Eiferer Sabel und Dr. Ratz, der aber schon zuvor seine Bereitschaft, den österreichischen Weg zu gehen, bekannt hatte. Er hatte daher auch im Burgenland ein beträchtliches Ansehen in der Bevölkerung. Die anderen Christlichsozialen galten auch in der Folgezeit noch als "Magyaronen", was die Christlichsoziale Partei im Burgenland erheblich belastete, auch wenn sie dank des Einflusses der katholischen Kirche zur führenden Kraft im Lande wurden. Die Tatsache aber, dass im bäuerlichen Milieu des Burgenlandes aber die Christlichsozialen nie die überragende Rolle spielten, die sie etwa in Niederösterreich oder in Tirol hatten, dass Deutschnationale und Sozialdemokraten vom Anfang an kräftig mitmischten und großes Ansehen genossen, hat auch mit dieser Belastung der Christlichsozialen aus der Anschlusszeit zu tun.
Der Aufbau einer christlichsozialen Partei von Wien aus
Die "Burgenländische Christlichsoziale Partei" wurde in Wien gegründet und eine vorläufige provisorische Landesparteileitung eingesetzt. Von Wien her wurde schließlich die christlichsoziale Partei im Burgenland aufgebaut, obwohl die Bundespartei in Bezug auf das Burgenland ebenfalls eine zwiespältige Haltung einnahm. So traten die Reichspost - immerhin das Zentralorgan der Christlichsozialen - und ihr Herausgeber Friedrich Funder für den Verbleib des Burgenlandes bei Ungarn ein. Es waren vor allem die monarchistischen Kreise in der Partei, die keinen "Zankapfel Burgenland" zwischen Österreich und Ungarn wollten. Nur langsam setzte sich die pro-österreichische Haltung durch.
In Wien gab es neben großdeutschen und sozialdemokratischen Vereinen der Westungarn bzw. Burgenländer auch christlich oder christlichsozial orientierte Vereine. Der "Verein der christlichen Burgenländer in Wien wurde vom aus Rechnitz stammenden Polizeibeamten Franz Binder als Obmann geführt. Vorsitzender des Vereins war der Religionslehrer Katechet Wachter aus Deutsch-Schützen. Diesem Verein gehörten auch der aus Ödenburg stammende Hauptmann Reisner und der Kroate Franz Vukovits an. Im Verein "Ostmark" gab es eine Ortsgruppe "Burgenland", der der Frauenkirchener Gregor Meidlinger als Obmann vor stand. Schließlich existierte auch noch ein "Verein der christlichen burgenländischen Heimkehrer, Kriegswitwen und Waisen".
Die bedeutendsten Persönlichkeiten unter den westungarischen Christlichsozialen in Wien waren der Gregor Meidlinger, Wachter, Hauptmann Reisner und Franz Binder.
Die christlichsozialen Vereine arbeiteten auch im "Burgenländischen Heimatdienst" mit. Gregor Meidlinger führte zusammen mit dem Sozialdemokraten Ignaz Till den Vorsitz, im zwölfköpfigen Ausschuss waren Poltz, Albert Severt, Johann Umlauf und Dr.Franz Knoll vertreten.Im Aktionskommitee des Heimatdienstes war aber der Großdeutsche Dr. Alfred Walheim maßgebend.
Im April 1921 entstand aus Vertretern der christlichen Vereine in Wien eine Art provisorischer Landesparteileitung der Christlichsozialen, wobei die beiden Abgeordneten zum Nationalrat Gruber (Niederösterreich) und Luttenberger (Steiermark) entscheidende Hilfe leisteten. Sie suchten Bundeskanzler Mair auf und baten den christlichsozialen Klubobmann Leopold Kunschak um Unterstützung. In der Maiversammlung 1921 der "Christlichen Burgenländer" wurde die Eingliederung in die Christlichsoziale Reichspartei bekannt gegeben. Erster Obmann wurde der Niederösterreicher Rudolf Gruber, uweiter und geschäftsführender Obmann der provisorischen Landesleitung der aus Mattersburg stammende Hofrat Josef Rauhofer. Rauhofer trat im Juni 1921 vor dem christlichsozialen Reichsparteitag auf und sprach dort als Vertreter des Burgenlandes. Diese Wiener Christlichsozialen lehnten eine Zusammenarbeit mit den Ödenburger Christlichsozialen unter Huber und Scholz entschieden ab. Sie gewannen mit Gangl, Koch, Thullner und Horwath aber Sympathisanten im Huber-Kreis.
Die Auseinandersetzung zwischen der Wiener und der Ödenburger Gruppe wurde natürlich auch um die zukünftigen führenden Positionen ausgetragen. Im Hinblick auf den Stellenwert ihrer Partei im Burgenland hatten sie ähnliche Vorstellungen. Sie sahen es als selbstverständlich an, dass sie die führende Kraft sein würden. So erklärte etwa der Katechet Wachter im Juli 1921, dass im Burgenland nur christlichsoziale Politik eine Berechtigung habe.
Je näher der Anschluss rückte, um so mehr verlagerten die Christlichsozialen ihr Agitationszentrum nach Wr. Neustadt. Dort richteten sie einen ständigen Ausschuss unter Rauhofers Leitung ein. Die Bundespartei wies Agitationsgebiete zu: Meidlinger sollte im Norden, Gruber in der Mitte und Franz Binder im Süden die christlichsoziale Partei organisieren. In der "Verwaltungsstelle für das Burgenland" waren die Christlichsozialen paritätisch (so wie die Großdeutschen und die Sozialdemokraten) mit drei Personen vertreten - was sie nur widerwillig akzeptierten.
Als Protest gegen die verhinderte "Landnahme" durch die Österreichische Gendarmerie fand am 2. Oktober 1921 vor dem Wiener Rathaus eine große Kundgebung unter dem Mott "Befreit uns vom magyarischen Joch" statt. Hauptredner war der Großdeutsche Dr. Schuster, aber auch Christlichsoziale ( Rauhofer, Meidlinger, Binder, Vukovits, Jurasevic) ergriffen das Wort.
Schon Mitte Oktober 1921 kam es zu einem schweren Konflikt in den Reihen der Cjristlichsozialen des Burgenlandes. Hofrat Rauhofer legte seine Funktion als geschäftsführender Obmann zurück und trat sogar aus der Partei aus. Die Gründe dafür sind bis heute nicht ganz durchschaubar. Es könnten Differenzen zur Bundespartei gewesen sein, die noch immer gute Kontakte zu den ungarischen Christlichsozialen in Budapest unterhielt. Rauhofer war anscheinend kein Freund der in der Reichsparteileitung der Christlichsozialen noch immer sehr starken Legitimisten und der betont klerikalen Politik. Er war auch später als Landeshauptmann bei Seipel nicht gut angeschrieben. (Unger, S.23). Es könnte aber auch der schärfer werdenden Gegensatz zu Michael Koch gewesen sein, der Rauhofer zum Rücktritt bewog. Die beiden Mattersburger, der eher intellektuelle Beamte Rauhofer, und der hemdsärmelige Baumeister konnten einander offenbar nicht ausstehen. Rauhofer und Alexander Kugler gründeten am 2. Feber 1922 in Wien eine neue Partei, die "Burgenländische Volkspartei". Aber schon 1923 schlossen sie sich wieder der Christlichsozialen Partei an.
Eine weitere Abspaltung von der Christlichsozialen Partei war die "Christliche Kroatische Bauernpartei" (Gradijansko hrvatska stranka). Im Frühjahr 1922 entstand sie in Unterpullendorf. Sie verlangte den Schutz der kroatischen Sprache und Kultur im neuen österreichischen Bundesland. Die große kroatische Gemeinde schloss sich an und erweiterte die Unterpullendorfer Beschlüsse: Die Kroatenpartei sollte nicht nur die Bauern, sondern alle "Stände" vertreten. Es gab interne Abmachungen mit den Chritstlichsozialen. Ein kroatischer Abgeordneter sollte auf ihrer Liste in den Landtag einziehen und dort die Christlichsozialen unterstützen.
Rauhofer war einer der Mitbegründer des "Ödenburger Heimatdienstes". Zusammen mit dem Großdeutschen Dr. Alfred Walheim und dem Sozialdemokraten Ludwig Leser saß er in dessen Vorstand. Hans Ambroschitz von den Großdeutschen war allerdings der Meinung, die Chriostlichsozialen hätten herzlich wenig dazu beigetragen, die Volksabstimmung für Österreich zu entscheiden. Auch in der Abstimmungskommission war Rauhofer zusammen mit den Christlichsozialen Reisner, Vukovits und Luttenberger vertreten.
Nach dem Einmarsch des Bundesheeres ins Burgenland und dem Verlust Ödenburgs begann die organisatorische Aufbauarbeit der Christlichsozialen im Burgenland. Aus dem Land selbst waren daran neben Gangl, Meidlinger und Binder der St. Margarethener Bauer und Kaufmann Michael Unger stark beteiligt. Ein großes Problem im Wettlauf mit den Großdeutschen und den Sozialdemokraten war für die Christlichsozialen der Vorwurf des Magyaronentums, der immer wieder erhoben wurde. Über die bekannte Tatsache, dass die Geistlichkeit ganz überwiegend und sehr vehement pro - ungarisch war, kam man nicht leicht hinweg. Ladislaus Stehlik zeigte im "Freien Burgenländer" vom 16. April 1922 nochmals auf, dass nur vier Geistliche in ganz Deutschwestungarn wegen ihrer pro - österreichischen Haltung vor den Freischärlern flüchten mussten: Johann Thullner und Kaplan Stehlik aus Neusiedl am See, Josef Bauer aus Horitschon und ein Pater Cukovic. Der Pfarrer von Pernau, Franz Pataki, wurde von den Freischärlern erschlagen. Vertreter der Bundespartei hielten gleich nach dem Anschluss in vielen burgenländischen Dörfern Reden, Rudolf Gruber etwa, der Bundesrat und Direktor des niederösterreichischen Bauernbundes Sturm, der frühere Minister Dr. Heinrich Mataja, Nationalrat Schmitz und besonders der Vorarlberger Bundesrat und Prälat Dr. Karl Drexel, der zusammen mit Pfarrer Gangl wochenlang im Land unterwegs war und in Versammlungen christlichsozialer Vertrauensleute diese über das politische System Österreichs informierte. Drexel sollte für seine Partei auch klären, ob man aus dem neuen Gebiet ein eigenes Bundesland machen sollte. Dies war in christlich-sozialen Kreisen keine Selbstverständlichkeit. Die Steirer unter Anton Rintelen hätten das Südburgenland gerne angeschlossen. Ebenso sollte geklärt werden, ob man im Burgenland das Kroatische als zweite Landessprache zulassen sollte. Zu diesem Problem wurde auch eine Delegiertenversammlung nach Wien einberufen. Die Kroatenvertreter forderten auf allen Ebenen bis hin zu den Verhandlungen im Landtag die Gleichberechtigung ihrer Sprache und Vertreter in den Schulbehörden. Diese Forderungen konnten aber nicht durchgesetzt werden, da die Bundespartei darin eine zu große Belastung sah.
Der erste Landesparteitag der Christlichsozialen am 14.3.1922 in Mattersdorf
Der erste Landesparteitag fand erst am 14. März 1922 statt. Der Pfarrer Gangl und der Mattersburger Baumeister Michael Koch konnten sich als führende Persönlichkeiten durchsetzen. 130 Vertrauensleute aus dem ganzen Land waren ins Hotel Steiger gekommen. Auch Vertreterinnen der katholischen Frauenorganisation und der Mattersdorfer Pfarrer Köppl nahmen teil.
Die Wahlen in das Parteipräsidium waren entscheidend für die Machtverteilung in der Partei. Präsident wurde Michael Koch, hinter dem als wichtigster Mentor Pfarrer Gangl aus Neudörfl stand, Stellvertreter Dechant Schwarz aus Mogersdorf, Leiner aus Neusiedl und Wimmer aus Eisenstadt. Damit war der Machtkampf in der Partei zwischen drei Gruppen, die die Führung anstrebten, entschieden. Gregor Meidlinger und die kleine Frauenkirchener Gruppe gingen leer aus. Meidlinger zog sich enttäuscht zurück. Die Neusiedler Gruppe unter Thullner und Horwath übernahm zwar nicht die Führung, konnte aber eingebunden werden. Landesparteiobmann wurde Pfarrer Michael Gangl.
Ein wichtiges Thema des Parteitages war die Abspaltung der Burgenländischen Volkspartei unter Rauhofer, die man möglichst rasch rückgängig zu machen hoffte. Diskutiert wurde auch, wie weit man Kroaten, Magyaren und bis zum Anschluss promagyarische Kreise in die Partei aufnehmen könnte.
Als Parteiexekutive wurde ein Fünferausschuss gewählt, der mit der Aufgabe betraut wurde, in Sauerbrunn ein christlichsoziales Parteisekretariat einzurichten. Diesem Ausschuss gehörten Michael Koch, Michael Leitgeb (Schulleiter in Rohrbach), Johann Thullner (Pfarrer von Neusiedl), Leopold Döller (Bauer aus Pöttsching) und Anton Horwath (Sattlermeister aus Neusiedl) an.
Die ersten Wahlen
Die Kandidatenlisten für die ersten Landtags- und Nationalratswahlen im Burgenland am 18. Juni 1922 wurden auf einem weiteren Landesparteitag am 18. und 19. Mai 1922, diesmal in Wien, erstellt. Für die Nationalratswahl wurden Gruber, Bundeskanzler Schober, Franz Binder, Major Wilhem Stipetic, Johann Thullner und der Lehrer Hermann Schwarz nominiert. Schober lehnte dankend ab, Gruber wurde ohnedies auf der niederösterreichischen Liste gewählt. Major Stipetic war ein in Agram geborener Kroate, dessen Kandidatur von einer Gruppe von burgenländischen Kroaten gefordert wurde. Er musste schließlich verzichten, angeblich weil er im Dienste Horthys stand und weil man Probleme mit dem südslawischen Staat befürchtete. Die endgültige Liste umfasste schließlich neben Gruber und Binder auch Dr. Alevander Krützner, Thullner, Franz Bauer (ein Kroate aus Zagersdorf), Johann Tintera, Hermann Schwarz und Josef Janisch. Krützner war der Schwiegersohn des Hirmer Zuckerfabrikanten Rothermann, der einen beträchtlichen Teil der Wahlkampfkosten übernahm. Alle drei Spitzenkandidaten, die Ausssicht hatten, tatsächlich gewählt zu werden, waren also keine Burgenländer, denn auch Binder lebte schon lange Zeit in Wien. Das dürfte sich auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben, zumal die Christlichsozialen ja immer behauptet haben, die einzige "bodenständige" Partei des Burgenlandes zu sein. Gewählt wurden Franz Binder, Dr. Alexander Krützner und Johann Thullner-
Auf der Liste für die Landtagswahl fanden sich im Wahlkreis Eisenstadt/Neusiedl u.a. Michael Unger, Alfred Ratz und Anton Horwath, im Wahlkreis Mattersdorf/Oberpullendorf Koch und Burgmann, im Oberwarter Wahlkreis Stesgal und Eugen von Bogdany, im Güssing/jennersorfer Wahlkreis der Stinazer Pfarrer Peter Jandisevits und Johann Wachter. (vollständige Liste bei Unger, Die Christlichsozialen, S. 40).
Im Wahlkampf wurde vor allem Burgmann heftig angegriffen, den die Großdeutschen vorwarfen, er wäre als Mitglied der magyarischen MOVE (eine Art Heimwehr) gegen den Anschluss an Österreich gewesen. Auch Dr. Ratz wurde als "Magyarone" bezeichnet. Als untadelig im Sinne einer proösterreichischen Haltung wurde von den Großdeutschen lediglich Michael Unger anerkannt.
Ein Problem war, dass die Christlichsozialen über keine Zeitung verfügten. Man bediente sich einer Zeitung, die der Christliche Burgenländische Bauernbund vom April 1922 bis August 1923 heraus gab und die sich "Der Burgenländer" nannte.
Ein Problem für die Christlichsozialen war die Abspaltung von Rauhofers Burgenländischer Volkspartei. Eine Einigung war nicht möglich. Rauhofer schloss sich mit seiner Partei der Deutschösterreichischen Bauernpartei an, die vom Steirer DDr. Schönbauer geführt wurde. Rauhofer behielt sich jedoch für das Burgenland die Übernahme des christlichsozialen Programms vor, was ihm zugestanden wurde.
Das Ergebnis der ersten Landtagswahl war für die Christlichsozialen sehr enttäuschend, da sie mit zwei Drittel der Stimmen gerechnet hatten (siehe Landespolitik 1922-1927).Die Sozialdemokraten erhielten mit Abstand die meisten Stimmen. Die Schuld gab man der "Spaltung" des "bürgerlichen Lagers". Vor allem in Wien verkannte man völlig, dass die Bauernpartei keineswegs christlichsozial gesinnt war und dass Rauhofer in ihr nur eine eher bescheidene Rolle spielte.
In den Landtag zogen folgende christlichsoziale Mandatare ein: Johann Kögl, Dr. Alfred Rat, Franz Bauer, Michael Koch. Anton Huber, Rudolf Burgmann, Franz Stesgal, Johann Hayszanyi, Josef Putz und Michael Gangl.
Konstituierung des ersten Landtages, Regierung und Landeshauptmannwahl
Am 15. Juli 1922 konstituierte sich in einer feierlichen Sitzung der erste burgenländische Landtag, in Anwesenheit des Bundeskanzlers Seipel, des Vizekanzlers Dr. Frank und des Bundespräsidenten Dr. Hainisch. Zum Landtagspräsidenten wurden der Sozialdemokrat Josef Wimmer, zum Zweiten Landtagspräsidenten der Christlichsoziale Rudolf Burgmann und zum Dritten Landtagspräsidenten der Sozialdemokrat Dr. Josef Wagast gewählt.
Am 19.Juli 1922 wurde Dr. Alfred Rausnitz, der bisherige Landesverwalter, mit den Stimmen aller vier Parteien zum Landeshauptmann gewählt. Landeshauptmannstellvertreter wurden Ludwig Leser und Franz Stesgal. Landesräte wurden Dr. Hoffenreich (Sozialdemokrat), Dr. Ratz (Christlichsozialer), Prof. Dr. Walheim (Großdeutscher) und Gustav Walter (Bauernbund). In den Bundesrat wurden die Sozialdemokraten Sassik und Hart und der Christlichsoziale Burgmann gewählt. Burgmann sollte eines seiner Mandate an den kroatischen Christlichsozialen Leonhard Rosenich abtreten, was er jedoch nicht tat. Dieses Verhalten war für die Christlichsozialen schwer wiegend, denn es war Anlass für die Gründung einer Kroatenpartei, die unter Lorenz Karall bis 1927 bestand.
Von schwer wiegenden Folgen war für die Christlichsozialen auch das Bündnis, das der Taktiker Leser mit den Großdeutschen einging. Den Großdeutschen hätte auf Grund des Wahlergebnisses kein Landesratsmandat zugestanden. Leser verzichtete auf einen sozialdemokratischen Regierungssitz und ermöglichte es so Prof. Dr. Alfred Walheim, in die Landesregierung ein zu ziehen.
Stesgal, Ratz und Burgmann waren also die wichtigsten Repräsentanten der Christlichsozialen in der Öffentlichkeit. Die Fäden im Hintergrund allerdings zogen Gangl und sein Gefolgsmann Koch. Gangl legte den politischen Kurs fest. Sein Hauptanliegen war der Kampf um die Erhaltung der katholischen Schulen.
Von den 388 Volksschulen waren 318 konfessionell und sollten es auch bleiben. Die Christlichsozialen mussten trafen dabei auf den heftigen Widerstand aller anderen Parteien. Vor allem die Großdeutschen und die Sozialdemokraten forderten entschieden die Einführung des österreichischen Systems staatlicher Schulen. Schon in der dritten Landtagssitzung am 1. August 1922 forderten die Bauernbündler (später Landbund) die Abschaffung der Schulstühle, die nach ihrer Ansicht unter der Kontrolle der oft noch promagyarisch eingestellten Pfarrer standen und die Einführung von Ortsschulräten nach österreichischem Vorbild. Der Antrag wurde gegen die Stimmen der Christlichsozialen angenommen und Walheim arbeitete ein Schulaufsichtsgesetz aus. Damit begann der heftige Schul- und Kulturkampf, der von beiden Seiten mit großer Leidenschaft geführt wurde. Auf Drängen der Christlichsozialen wurde schließlich doch ein Kompromiss geschlossen. Die Leitung der Schulen sollte den Pfarrern entzogen und den Lehrern unterstellt werden. Die Pfarrer konnten, wenn die Bevölkerung dies wünschte, in den Ortschulrat gewählt werden. Die Rede Burgmanns im Landtag zeigte aber schon damals, dass man in der Christlichsozialen Partei nicht bereit war, sich mit diesem Kompromiss abzufinden. Man hoffte auf eine Änderung der Schulpolitik in Gesamtösterreich und damit auf ein Zurückgehen hinter das liberale Reichsvolksschulgesetz von 1869. Die Kampfansage war hart und deutlich. Das "Burgenländische Volksblatt" vom 19. November 1922 schrieb: "Die Schuldigen werden noch sehen, was es heißt, eine christliche Bevölkerung in ihren heiligsten Gefühlen zu verletzen. Wer Wind sät, wird Sturm ernten". Ein weiterer Streitpunkt, in dem die Christlichsozialen einen allen anderen Parteien entgegen gesetzten Stand punkt vertraten, war ihr Wunsch nach Abschaffung der im Burgenland damals nach ungarischem Gesetz bereits üblichen Zivilehe. Ein weiterer Brennpunkt der Auseinandersetzungen war die "Beamtenfrage". Viele der im Burgenland eingesetzten Beamten stammten aus den ehemaligen Kronländern und waren überwiegend großdeutsch gesinnt. Sie traten nicht selten jenen Beamten, die noch aus ungarischer Zeit stammten, ihrer Meinung nach nicht sehr "zuverlässig" waren und allzu selbstherrlich agierten. entgegen. Von christlichsozialer Seite warf man ihnen mangelnde Sensibilität für burgenländische Verhältnisse vor.
Die Christlichsozialen starteten eine Kampagne mit zahlreichen Veranstaltungen in den Dörfern. Ob sie dabei tatsächlich den von ihnen verkündeten Erfolg hatten, ist eher zu bezweifeln. Sie verlangten schließlich eine Auflösung des Landtages, da dieser mit seiner "Zufallsmehrheit" ihrer Meinung nach nicht den tatsächlichen politischen Kräfteverhältnissen im Land entsprach.
Gegen das vom Landtag beschlossene Schulaufsichtsgesetz wurde schließlich - angeblich als Folge zahlreicher Proteste aus den Gemeinden - vom christlichsozialen Unterrichtsminister aus formalrechtlichen Gründen Einspruch erhoben. Dabei wurde das Protestantenpatent und dessen angebliche Missachtung vorgeschoben. Der Einspruch wurde vom Landtag mit den Stimmen der Sozialdemokraten und der Großdeutschen zurück gewiesen. Die Bauernbündler (Landbündler) enthielten sich der Stimme. Im Gemeinderatswahlkampf (Wahl am 15. März 1923) eskalierte vor allem die Schulfrage. Die Christlichsozialen stellten das Schulaufsichtsgesetz als "Kampf gegen die Religion" dar und hatten damit in einigen Gemeinden Erfolg. Insgesamt ging der sozialdemokratische Stimmenanteil leicht zurück. Von Mai bis Juni 1923 griff auch die katholische Kirche verstärkt in die politische Auseinandersetzung ein. Eine größere Zahl von "Katholikentagen" wurde abgehalten. Diese wurden von den christlichsozialen Politikern als Plattform benützt. Zu heftigen Auseinandersetzungen kam es am 10. Juni beim Katholikentag in Eisenstadt. Leser organisierte eine sozialdemokratische Gegendemonstration und es kam zu Handgreiflichkeiten mit den aus Wien angereisten Couleurstudenten.
Im Sommer 1923 wurde der Erste Landtag im Einvernehmen aller Parteien aufgelöst. Rausnitz trat zurück. Walheim wurde zum Landeshauptmann gewählt.
Am 21. Oktober 1923 fanden die Nationalrats- und Landtagswahlen statt. Der Landtagswahlkampf wurde von den Christlichsozialen vor allem mit dem Slogan, dass man die christlichen Schulen des Burgenlandes vor den Sozialdemokraten schützen müsse, geführt. Positiv wirkte sich für die Christlichsozialen die Zusammenlegung ihrer beiden Zeitungen "Burgenländisches Volksblatt" und "Der Burgenländer" aus. Der Aufwand im Wahlkampf war enorm, die Bundespartei unterstützte die Christlichsozialen stark, finanziell und personell, Dr.Seipel trat persönlich bei Wahlkundgebungen in Rechnitz, Pinkafeld, Neusiedl, Frauenkirchen und Mattersburg auf. Tenor seiner Reden war die Bildung einer bürgerlichen "Einheitsfront" gegen die Sozialdemokraten. In der Kandidatenliste gab es bedeutende Veränderungen. Krülzner wurde nicht mehr kandidiert, Thullner sollte in den Bundesrat wechseln und die Funktion des Landesparteiobmannes übernehmen, die Landtagsliste führte Gangl an. Er gab seine Obmannstelle ab, blieb aber bis 1932 Landesparteisekretär und übte weiterhin entscheidenden Einfluss auf die Partei aus.
Anders als auf Bundesebene war eine Einheitsliste von Christlichsozialen und Landbündlern im Burgenland nicht möglich. Auch eine Einigung mit den Großdeutschen scheiterte in Verhandlungen. Vor allem Hans Ambroschitz sträubte sich heftig gegen ein Zusammengehen mit den Großdeutschen, bei denen er legitimistische Tendenzen vermutete.
Die Wahl brachte folgendes Ergebnis: Stimmenstärkste Partei wurde erneut die Sozialdemokratie. Den Christlicsozialen fehlten auch die 2554 Stimmen, die die Kroatenpartei Dr. Karalls bekam. Auf Grund der Wahlarithmetik entsandten aber die Christlichsozialen 13, die Sozialdemokraten nur 12 Abgeordnete in den Landtag. In den Nationalrat zogen drei Christlichsoziale aus dem Burgenland ein: Gangl, Binder und Krobath. Landtagsabgeordnete waren Dr. Alfred Ratz, Anton Horwath, Martin Millesits, Johann Kögl, Burgmann, Stesgal, Johann Hayszaniyi, Nikolaus Freiberger, Friedrich Reiß, Peter Jandrisevits, Michael Koch, Johann Sabel und Josof Rauhofer. Thullner wurde Bundesrat. Insgesamt saßen im Landtag vier Priester. Umstritten war Friedrich Reiß. Er war jüdischer Abstammung und evangelisch getauft, aus Böhmen, und Eigentümer der Oberwarter Sonntagszeitung. Reiß galt vielen Christlichsozialen als Opportunist. Er hatte seinerzeit seine Zeitung der Räteregierung zur Verfügung gestellt und war auch auf der Seite der Freischärler. Rauhofer wurde wieder christlichsozialer Abgeordneter, obwohl Koch und Gangl dies verhindern wollten. Zum ersten Landtagspräsidenten wurde der Sozialdemokrat Morawitz gewählt, zweiter Landtagspräsident wurde Dr. Ratz und dritter der Landbündler Franz Pomper.
Christlichsoziale Bemühungen um eine Koalition mit den Landbündlern auf Landesebene scheiterten an der Schul- und an der Ehefrage. So zog sich die Bildung einer neuen Regierung lange hin. Das Ergebnis war schließlich eine rot - schwarze Koalition ohne den Landbund. Landeshauptmann wurde Rauhofer, Stellvertreter Leser und Stesgal. Landesräte waren Koch, Burgmann, Hoffenreich, Till und der Landbündler Viktor Voit, letzterer ohne Macht und Kompetenz. Ratz war, da er nicht mehr in der Landesregierung war, schwer gekränkt und starb noch 1924, erst 43jährig. Rauhofer blieb von Jänner 1924 bis Mai 1925 Landeshauptmann. Die Situation in der Landesregierung war eigenartig. Rauhofer musste die Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten gegen die radikalen in der eigenen Partei erzwingen. 1925 wurde die Landesregierung verkleinert. Stesgal und Hoffenreich schieden als Landesräte aus. Die "Schulfrage", in der die Gegensätze am heftigsten waren, wurde zunächst "rihig gestellt". Im Mai und Juni 1924 wurden die Schulstühle in den Gemeinden gewählt. Pfarrer und Schulleiter gehörten ihnen an. Drängend wurde hingegen die Hauptstadtfrage, da Walheim und die Landbündler auf einer Lösung bestanden. Rauhofer gelang es, zusätzliche Bundesmittel für den Ausbau der neuen Hauptstadt zu bekommen. Interessant ist die Begründung, mit der Rauhofer die Mittel einforderte: Die Republik Österreich habe vom Verlust Ödenburgs profitiert, weil dadurch der Konflikt mit Ungarn ausgeräumt wurde!
Der Konflikt zwischen Rauhofer und Gangl/Koch aber schwelte weiter. Gangl baute seine Hausmacht aus und gründete zahlreiche katholische Burschenvereine. Bei der Fahnenweihe am 1. Juni 1924 war auch Seipel anwesend. Nach der Rückfahrt wurde auf ihn am Südbahnhof ein Attentat verübt. Der Gegensatz zeigte sich in der "Affäre Krenn". Der Mattersburger Kaplan trat aus der Kirche aus, heiratete und wurde Sozialdemokrat.
Die Hauptstadtfrage wurde schließlich zum größten Problem. Als ernst zu nehmende Kandidaten blieben nur Eisenstadt und Mattersburg / Sauerbrunn. Die Fronten verliefen quer durch die politischen Parteien. Sie führte zum Rücktritt der beiden Landtagspräsidenten Morawitz und Freiberger. Am 9, Mai 1925 trat auch Rauhofer zurück . Am 15.Mai wurde der Rücktritt zur Kenntnis genommen und Leser mit der Weiterführung der Aufgaben des Landeshauptmanns betraut. Koch und Burgmann erklärten die Koalition für beendet und verließen die Regierungssitzung. Hatten die radikalen Christlichsozialen um Gangl und Koch den Sturz Rauhofers bewusst herbeigeführt? Günther Unger kommt zu dem Schluss, dass sie den Sturz zwar nicht angestrebt, die günstige Situation aber nützen wollten, um die Koalition mit den Sozialdemokraten zu beenden und Rauhofer los zu werden. Die Sozialdemokraten hatten nunmehr wenig Interesse daran, die Regierungskrise zu lösen. Leser hingegen nützte seine Position, um die Umwandlung von 21 konfessionellen Schulen in Gemeindeschulen zu genehmigen. Erst nach Verhandlungen der Christlichsozialen mit dem Landbund zeichnete sich ein Ausweg ab. Am 9. Juni 1925 wurde Rauhofer mit den Stimmen der Christlichsozialen und der Landbündler erneut zum Landeshauptmann gewählt. Die Verhandlungen mit den Landbündlern zogen sich allerdings nach der Wahl hin. Sie verlangten eine Änderung des Bauernkammergesetzes und der Landarbeiterordnung. An der Wahl zur Bauernkammer durfte jeder, der ein Joch Grund besaß, wählen. Die Landbündler wollten, dass nur die hauptberuflichen Bauern oder die, die etwa drei bis vier Joch besaßen, wählen durften. Auch der alte Konflikt in der Schulfrage lebte wieder auf. Am 24. Juni, in der ersten Regierungssitzung, wurden die Referate aufgeteilt. Die Christlichsozialen bekamen das Schul-, das Gemeinde-, das Straßen- und das Gewerbeförderungsreferat, die Landbündler das Landeskultur- und das Finanzreferat, Leser und Till von den Sozialdemokraten Sozialreferate. Leser und Till verließen darauf hin die Sitzung und machten diese beschlussunfähig. Darauf hin änderten Christlichsoziale und Landbündler die Geschäftsordnung: die Regierung sollte bei Anwesenheit von 4 (bisher 5) Landesräten beschlussfähig sein. Sie teilten nunmehr alle Referate unter sich auf. Die Sozialdemokraten wandten sich an den Verwaltungsgerichtshof und erhoben scharfen Einspruch beim Landeshauptmann. Im Landtag konnten sich die beiden Regierungsparteien nicht durchsetzen. Der erste Landtagspräsident, der Sozialdemokrat Oskar Brugnak, verweigerte die Bildung von Ausschüssen, die Sozialdemokraten verhinderten durch Dauerreden weitere Beschlüsse. Eine von den Sozialdemokraten einberufene Landtagssitzung wurde von den Regierungsparteien boykottiert, eine weitere Sitzung am 1. Dezember 1925 endete in einem Tumult. Nun erst begannen die Christlicsozialen auf Anregung der Landbündler wieder mit den Sozialdemokraten zu verhandeln. Die Sozialdemokraten forderten die Beibehaltung des Landwirtschaftskammergesetzes, der Landarbeiterordnung und eine ihrer Stärke angemessene Regierungsbeteiligung. Das Ergebnis war die formale Aufhebung der Koalition und die Einsetzung einer Konzentrationsregierung. Leser und Till wurden mit umfangreichen Referaten ausgestattet.
Am 27. April 1926 hielten die Christlichsozialen in Eisenstadt ihren zweiten Landesparteitag ab. Vor allem das Organisationsproblem sollte gelöst werden. Es gab noch immer keine christlichsoziale Parteiorganisation, keine Mitgliedschaft und keinen Mitgliedsbeitrag. Finanziert wurde die Partei ausschließlich aus den Beiträgen der Mandatare. Es gab zwar einige Parteisekretäre, aber diese spielten keine wesentliche Rolle. Anders die Sozialdemokraten: diese waren zumindest in den größeren Orten gut organisiert. Am Parteitag nahm auch Seipel teil. Vorsitzender des Landeparteitages war Thullner., Stellvertreter Burgmann und der Erzpriester Schwarz. Koch sprach über die Landtagsarbeit und bedauerte, dass es nicht gelungen sei, die gesamte bäuerliche Bevölkerung für die Christlichsozialen zu gewinnen. Der Abgeordnete Anton Horvath referierte über die neuen Parteisatzungen, Rauhofer über die wichtigsten Zukunftsaufgaben, wobei er vor allem die Verteidigung des Glaubens und der christlichen Schulen hervor strich. Zum Landesparteiobmann wurde wieder der Pfarrer Johann Thullner gewählt, Stellvertreter wurde der Obmann des Christlichen Burgenländischen Bauernbundes Kroboth und der Pinkafelder Bürgermeister Lehner. Landesparteisekretär wurde wieder Pfarrer Gangl.
Auf christlichsozialer Seite sah man im Landbund einen Konkurrenten. Man war der Meinung, nur die Christlichsozialen wären die legitimen Vertreter der Bauern. Der Landbund wurde als "Professorenpartei" geschmäht. Er würde eine eine christlichsoziale Mehrheit im Lande verhindern. "Darum gehört diese Partei aus dem Lande gefegt" (Burgenländische Heimat vom 13. Juni 1926). So versuchte man, die Landbündler ihrer Führung zu berauben. In der Landtagssitzung vom 9. April 1926 wurde ein Schreiben der Bezirkshauptmannschaft verlesen, in dem mitgeteilt wurde, dass dem Landtagsabgeordneten Landesrat Viktor Voit und dem Abgeordneten Prof. Dr. Alfred Walheim das passive Wahlrecht abgesprochen wurde, da sie keinen ordentlichen Wohnsitz im Burgenland hätten. Da die Landeshauptstadtfrage noch nicht geklärt war, hatten die beiden ihre endgültige Übersiedlung noch hinaus geschoben, waren aber in Sauerbrunn gemeldet. Der Sauerbrunner Bürgermeister, ein Christlichszialer, strich sie aber aus den Wählerlisten. Eine Berufung bei der Bezirkswahlbehörde (christlichsoziale Mehrheit, Bezirkshauptmann Dr. Falludi) entschied gegen die beiden Landbündler. Im Landtag wurde nun in geheimer Abstimmung beschlossen, den beiden Landbündlern ihr Mandat ab zu erkennen. Der Verwaltungsgerichtshof musste entscheiden. Koch und Reiß gingen sogar noch weiter: sie wollten die Stelle Voits sofort neu vergeben- Dies wurde allerdings von der Landtagsmehrheit abgelehnt. Die Landbündler protestierten scharf und erklärten ihren Austritt aus der Konzentrationsregierung. Koch und Leser verwalteten Voits Referat. Die ganze Affäre erwies sich aber bald - zumindest im Fall Walheim - als Fehlschlag. Walheim konnte nachweisen, dass ihm die Entscheidung der Mattersburger Wahlkommission verspätet zugestellt worden war. Walheim wurde, gegen den Willen der Christlichsozialen, die die Sitzung verließen, wieder in die Wählerliste aufgenommen. Der Landtag zog den Antrag, Walheim sein Mandat ab zu erkennen, zurück. Die Christlichsozialen aber gaben sich, nachdem Walheim in einer Pressekampagne Koch, Reiß, den Sauerbrunner Bürgermeister und auch Seipel heftig angegriffen hatte, unversöhnlich. Sie beschlossen, Walheim zu boykottieren. Der Verwaltungsgerichtshof hob schließlich auch die Mandatsaberkennung Voits auf, da es bei der Abstimmung Stimmenthaltungen gegeben hatte, diese aber nach der Landesverfassung nicht zulässig waren. Die Landbündler forderten nun den Rücktritt Rauhofers.
Intern hatten die Christlichsozialen Probleme mit dem ehrgeizigen Burgmann, der Ende 1926 als Landesrat zurück trat. Als Gründe wurde die Hauptstadtfrage und die Schulgesetze angegeben. Tatsächlich war es der unüberbrückbare persönliche Konflikt zuwischen Koch und Burgmann. Burgmanns Nachfolger als Landesrat wurde der damals erst 29jährige Dipl. Agraringenieur Hans Sylvester.
Der 23.Dezember 1926 war ein wichtiger Tag für das Burgenland. Im Nationalrat stellte Dr. Schönbauer vom Landbund den Antrag. das Reichsvolksschulgesetz auch auf das Burgenland auszudehnen. Es kam zu einer Kampfabstimmung und der Antrag wurde mit 83 gegen 80 Stimmen angenommen. Sozialdemokraten, Großdeutsche und Landbündler waren für den Antrag. Die Regierung dachte allerdings nicht daran, dieser Aufforderung nach zu kommen. Jedenfalls rückte die Schulfrage dadurch wieder in den Mittelpunkt und wurde heftig diskutiert.
Das Jahr 1927
Am 16.Jänner 1927 fanden die ersten Wahlen in die Bauernkammer statt. Wieder versuchten die Christlichsozialen vergeblich, mit dem Landbund gemeinsam anzutreten. Das Wahlergebnis war für den christlichsozialen Bauernbund enttäuschendSie erhielten nur 14 Mandate, der Landbund 10 und die sozialdemokratischen Kleinbauern 8 Mandate. Vor allem im Süden des Landes überflügelte der Landbund die Christlichsozialen. Die Schuld am schlechten Ergebnis gab man den Evangelischen. Erster Präsident der Bauernkammer wurde der St. Margarethener Alexander Kugler. Am 20. März fanden Gemeinderatswahlen statt. Sie brachten Zugewinne für die Großparteien. Am 24. April folgten die Landtags- und Nationalratswahlen. Der Wahlkampf wurde von Seiten der Christlichsozialen mit großem Aufwand betrieben, sie wurden von der Bundespartei auch finanziell stark unterstützt. Nach den Ereignissen von Schattendorf hielt man sich aber zurück und allzu starke Emotionen blieben aus. Thullner und Leser schlossen ein Wahlkampfübereinkommen, das gewalttätige Übergriffe ausschließen sollte. Während die Christlichsozialen eine Einheitsliste mit den Großdeutschen (denen sie ein Mandat zusicherten) und der Kroatenpartei zustande brachten, gelang eine Einigung mit dem Landbund nicht. Der Kroatenpartei wurden zwei sichere Mandate für den Landtag versprochen (Lorenz Karall und der Zillingdorfer Bauer Johann Kruez). Karall wurde gegen den Willen Kochs kandidiert. Die Einheitsliste bekam 42,38 % der Stimmen, 3 Nationalrats- und 14 Landtagsmandate, die Sozialdemokraten 40,8 % der Stimmen und 3 Nationalrats- und 13 Landtagsmandate, der Landbund 1 Nationalrats- und 5 Landtagsmandate. Das Großdeutsche Mandat der Einheitsliste fiel an Karl Wollinger. Dieser weigerte sich allerdings, dem christlichsozialen Klub beizutreten. Die Kroatenpartei wurde von den Christlichsozialen vollständig aufgesogen. Rauhofer stellte für seine Wahl zum Landeshauptmann Bedingungen an seine eigene Bundespartei ( Bundeskredit für den Straßenbau, Subventionen für die burgenländischen Spitäler) und an die Sozialdemokraten. Die Regierungsverhandlungen gestalteten sich diesmal einfacher und schon nach vier Wochen bildete man eine Konzentrationsregierung aller drei Parteien. Am 20. Mai 1927 trat der neue Landtag zusammen. Der Posten des ersten Präsidenten ging an den Sozialdemokraten Dr. Hoffenreich, zweiter Präsident wurde Nikolaus Freiberger und dritter der Landbündler Prof. Gesell. Rauhofer wurde mit den Stimmen aller zum Landeshauptmann gewählt, Leser wurde Landeshauptmannstellvertreter. Landesräte wurden Koch und Thullner, wobei Thullner das Schulreferat übernahm. Weitere Landesräte waren der Sozialdemokrat Till und der Landbündler Joseph Pomper, der aber bald von Gottfried Grabenhofer abgelöst wurde. Schon in der ersten Landtagssitzung griff Leser Dr.Karall heftig an und warf ihm vor, als Horthy-Offizier gedient zu haben. Koch verteidigte ihn.
Die Auswirkungen der Ereignisse von Schattendorf auf die Christlichsozialen
Die Ereignisse vom 30. Jänner 1927 beeinflussten die burgenländische Politik stark, wobei die Betroffenheit überwog. Am 2. Feber wurden die Opfer begraben, ein 15 Minuten dauernder Generalstreik wurde in ganz Österreich abgehalten. Am 3.Feber kam es zu einer tumultarischen Nationalratssitzung. Eine wegen der Schattendorfer Ereignisse einberufene Landtagssitzung nahm hingegen einen ruhigen Verlauf. Alle Parteien wiesen die Behauptungen Wiener Zeitungen, wo nach es im Burgenland eine ungarische Irridenta gäbe, scharf zurück. Der Freispruch durch ein Geschworenengericht vom Tatbestand der öffentlichen Gewalttätigkeit und der Notwehrüberschreitung am 14. Juli 1927 und der darauf folgende Aufruhr mit dem Brand des Justizpalastes (80 Tote und über 1000 Verletzte) fanden im Burgenland keinen Widerhall. Der Landtag hielt eine Trauersitzung ab, in der alle drei Parteien Gewaltanwendung verurteilten.
Rücktritt Rauhofers, Schreiner wird Landeshauptmann
Am 4. Jänner 1928 gab Landeshauptmann Rauhofer dem Landtagspräsidenten Hoffenreich seinen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen bekannt. Dahinter standen die Probleme, die Rauhofer mit der Bundesregierung und der eigenen Landesparteileitung hatte. Auch sein Nationalratsmandat legte er zurück. Der Donnerskirchner Rudolf Kroboth rückte nach. Am 10. Jänner 1928 wurde der Landtagsabgeordnete Anton Schreiner, ein Zigeleibesitzer aus Walbersdorf, mit 28 von 29 Stimmen zum Landeshauptmann gewählt. Er wurde auch von den Sozialdemokraten akzeptiert und versprach, den Kurs Rauhofers fort zu setzen. Vor allem mit der Wirtschaftskompetenz Schreiners waren Erwartungen verknüpft: Erwartet wurde eine entsprechende Förderung der Landwirtschaft und des Gewerbes, der Ausbau der Infrastruktur, der weitere Ausbau der Landeshauptstadt Eisenstadt und die Errichtung der Landeshypothekenbank. Diese wurde am 29. Feber 1928 beschlossen. Dadurch wurden Kredite für das Land Burgenland nunmehr erheblich billiger. Rauhofer wurde Kurator der Bank. Er trat diese Position aber schon nach wenigen Monaten an Karall ab, da das Gerücht im Umlauf war, er habe sich eine fette Pfründe gesichert.
Landesparteitag in Pinkafeld
Zu Pfingsten 1928 wurde in Pinkafeld ein Landesparteitag abgehalten. Den Vorsitz führte Thullner. Seipel war anwesend. Schreiner ließ in seinem Referat bereits deutliche ständestaatliche Ideen erkennen ("Volkspolitik statt Klassenpolitik"). Interessant ist, dass er für eine Bodenreform eintrat und eine Enteignung des Großgrundbesitzes gegen Entschädigung verlangte. Als weitere Vorhaben gab er bekannt: Entwässerungsarbeiten im Seewinkel, Ausbau des Straßennetzes und Schaffung eines Landesgerichtes in Mattersburg. Koch berichtete über die Landtagsarbeit, Thullner beschäftigte sich mit der Parteizeitung "Burgenländische Heimat, die eine seiner Meinung nach bescheidene Auflage von 5000 Stück hatte. Daran änderte auch die Anstellung des Pamhagener Pfarrers Josef Lang nichts, der äußerst aggressiv gegen die Sozialdemokraten anschrieb (später auch gegen die Nationalsozialisten, er musste 1938 nach Ödenburg fliehen). Die alte Landesparteileitung wurde bestätigt. neu aufgenommen wurden Rudolf Kroboth als Obmann des Christlichsozialen Bauernbundes und Dr. Lorenz Karall.
Anfänge der Heimwehren
Im Gefolge der Schattendorfer Ereignisse begann man auch im Burgenland mit der Aufstellung von Heimwehren. Binder sollte diese aufbauen. Auch Angehörige des Landbundes sollten in diese antimarxistische Wehrformation eingegliedert werden, einer der wichtigsten Heimwehrführer, Michael Vass, war Landbündler. Leser war sogar der Meinung, dass die Landbündler zunächst das treibende Element in der Heimwehr waren. Von den christlichsozialen Politikern wurden die Heimwehren mit Wohlwollen gesehen. Beim berühmten Aufmarsch der Heimwehren in Wr. Neustadt am 7. Oktober 1928 waren erstmals auch burgenländische Heimwehren beteiligt. Im Oktober 1928 kam es erstmals auch zu einem Konflikt im Lande selbst. Beim Straßenbau Lockenhaus - Liebing sollten vier christlichsoziale Gewerkschafter nach dem Willen des sozialdemokratischen Gewerkschaftsführers und Landtagsabgeordneten Hans Suchard nicht beschäftigt werden. Die Heimwehren marschierten auf und erzwangen deren Einstellung. Angeführt wurden die Heimwehren im Mittleren Burgenland, wo sie besonders aktiv waren, unter anderen vom Obmann des katholischen Lehrervereins, dem Oberlehrer Adalbert Riedl. Der Landesleitung der Heinwehren gehörten Binder und Vas an, militärische Führer waren Oberst Gustav Berger und Major a.D. Wilhelm Stipetic. Am 9. Juni 1929 fand der erste "Rapport" der burgenländischen Heimwehrführer in Anwesenheit des österreichischen Heimwehrführers Genral Hülgerth statt. Die burgenländische Heimwehr dürfte zu dieser Zeit (nach Unger) zwischen 10 000 und 20 000 Mitglieder gehabt haben, die wenigsten aber ausgebildet und uniformiert. Der Republikanische Schutzbund zählte zu dieser Zeit etwa 2000 bis 3000 Mann. Trotz eines Aufmarschverbotes des Landeshauptmannes fand am 8. September 1929 eine große Heimwehrversammlung in Lockenhaus statt. Binder erhob dabei die Forderung nach einer "gründlichen Verfassungsänderung". Am 27. Oktober 1929 fand erneut ein großer Heimwehraufmarsch in Schützen a. Geb. statt. Die Gerüchte, die Heimwehren würden Unterstützung und Waffen aus Ungarn erhalten, nahmen zu. Finanzielle Unterstützung kam anscheinend von den ungarischen Großgrundbesitzern (Erdödy, später auch Bathyány).
Katholische Burschenschaften und andere Vorfeldorganisationen
Eine besonders wichtige Vorfeldorganisation der Christlichsozialen waren die katholischen Burschenvereine, deren Gründung von Gangl besonders gefördert wurde. Es gab schließlich über 100 Ortsvereine. Besonders engagiert und verankert in den Burschenschaften waren Dr. Jagsich, der Klingenbacher Pfarrer, Adalbert Riedl und Ulrich Sattler. Riedl war auch - zusammen mit dem Oberloisdorfer Alois Schedl - an der Gründung einer christlichsozialen Bauarbeitergewerkschaft beteiligt, die allerdings nur im mittleren Burgenland tätig wurde. 1928 wurde in Wr. Neustadt ein Landeskartell christlichsozialer Gewerkschafter gegründet. Sie entwickelten sich nur langsam, konnten aber immerhin einige Vertreter in die Arbeiterkammer entsenden. Obmänner waren Dr. Anton Krogner, ab 1930 Franz Handler und Ing. Andreas Schatz. Regierungsrat Rottensteiner gründete die Sektion der christlichen Angestellten im öffentlichen Dient. Ab 1931 leitete diese Dr. Karl Posch. 1932 gründete Johann Habeler aus Wiesen eine christliche Arbeitergewerkschaft, die aber keine besondere Bedeutung erlangte. Eine weitere Vorfeldorganisation war die Austro-Peisonia, die am 10. Juli 1925 in Frauenkirchen gegründet wurde. An katholischen Mittelschülerverbindungen entstanden die Asciburgia in Oberschützen und die Verbindung Forchtenstein. Vor allem in der Zeit des Ständestaates bekamen diese Verbindungen großen Einfluss.
Die Schulfrage
1928 kam die stagnierende Schulfrage wieder in Bewegung. Die Landbündler verlangten zwar im Parlament zusammen mit Großdeutschen und Sozialdemokraten weiterhin die Ausdehnung des Reichsvolksschulgesetzes auf das Burgenland. Aber sie stellten Zusatzanträge, etwa für ein modernes Dienstrecht der burgenländischen Lehrer und ein Gesetz zu den konfessionellen Schulen - ein Kompromiss, dem sich wohl oder übel auch die burgenländischen Landbündler anschließen mussten. Walheim änderte nun ebenfalls seine Meinung und war nun der Ansicht, dass ein Großteil der Bevölkerung die konfessionelle Schule wünsche. Die Schulaufsicht wollte er allerdings in der Hand des Staates sehen. Die Christlichsozialen triumphierten, die Landbündler verloren an Glaubwürdigkeit. Auf Bundesebene wurde ein Abkommen zwischen Christlichsozialen und Landbündlern ausgehandelt: Für die 275 sollte der bestehende Zustand beibehalten werden, für die 90 Bundes-,Landes- und Gemeindeschulen sollte das Reichsvolksschulgesetz in Anwendung gebracht werden. Aber auch zu diesem minnimalen Zugeständnis kam es nicht, da die christlichsoziale Regierung die Ansicht vertrat, dass eine Ausdehnung des Reichsvolksschulgesetzes im Verordnungsweg nicht möglich sei. Im Jänner 1929 untersagte der Verwaltungsgerichtshof außerdem die weitere Umwandlung von konfessionellen Schulen in Gemeindeschulen.
Die Bodenreformfrage
Seit dem Anschluss des Burgenlandes an Österreich war die Bodenreform eine Frage, die als besonders dringend empfunden wurde. Sie wurde aber erst ab 1927/28 intensiver diskutiert, wobei sich alle Parteien grundsätzlich zur Bodenreform bekannten. Allerdings war das Problem im Lande selbst nicht zu lösen. Die Republik Österreich hätte zuerst ein entsprechendes Rahmengesetz schaffen müssen. Ein Gesetzesentwurf der Sozialdemokraten sah eine Zwangsenteignung mit Entschädigung vor. Dieses Vorgehen wurde aber von den Christlichsozialen und auf Bundesebene auch von den anderen bürgerlichen Parteien vehement abgelehnt. Am 1. März 1928 wurde im burgenländischen Landtag ein Sonderausschuss zur Vorbereitung der Bodenreform eingesetzt. Es ging um 23,5 % der Landesfläche, die 50 Großgrundbesitzern gehörte, überwiegend magyarischen Magnatenfamilien, also Ausländern (88 %). Diese hatten sich zudem sehr aktiv gegen den Anschluss des Burgenlandes an Österreich gestellt. Allein Dr. Paul Esterhazy besaß 84. 765 Katastraljoch, ein Drittel davon landwirtschaftlich genutzt. Die Bathyány besaßen zusammen 9 432 Joch, etwa zur Hälfte Ackerland, die Draskovich 7 532 Joch, die Erdödy 7 814 Joch, Erzherzog Friedrich 14 389 Joch, zu zwei Drittel landwirtschaftlich genutzt. Dazu kamen noch die Besitzungen der Széchenyi, Zichy, Lonyay, Harrach, Thyssem, Taxis, des Raaber Domkapitels und der Stadt Ödenburg. Etwa 5000 Joch waren im Besitz ungarischer Juden. Von den 396 719 ha Fläche entfielen insgesamt 101 907 auf den Großgrundbesitz, wobei letzterer überproportional viel Wald und unproduktive Flächen (Schilfgürtel) besaß. Von den 254 228 ha produktiver Fläche entfielen 40 520 ha auf den Großgrundbesitz. Die Landreformfrage hatte auch eine nationale Dimension. Auf den Meierhöfen der Großgrundbesitzer waren überwiegend Ausländer, meist Magyaren, beschäftigt.
Die Sozialdemokraten betonten ausdrücklich, dass sie nicht wie in den anderen Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie, wo die "Ausländer", also vor allem Deutschösterreicher, entschädigungslos enteignet wurden, vorgehen wollten. Die Grunderwerber sollten den Grund selbst bezahlen, bestehende Buernhöfe dollten dafür 15, neue sollten 40 Jahre Zeit für die Bezahlung haben. Jeder Großgrundbesitzer sollte 170 Joch behalten dürfen. Es sollten neue Arbeiterheimstätten geschaffen werden. Ein Teil des enteigneten Grundes sollte einem burgenländischen Bodenfonds zugeführt werden und in der Form öffentlich Die noch immer bestehenden Patronatsrechte (und Pflichten) der Großgrundbesitzer sollten endgültig wegfallen. Allein Dr. Paul Esterhazy hatte das Patronat über 73 burgenländische Pfarren. Er hatte das Recht, die Pfarrer einzusetzen. Die Wiener Erzdiözese hatte lediglich das Recht, die Bewerbungsschreiben zu überprüfen. Die Christlichsozialen lehnten diese Bodenreformpläne der Sozialdemokraten strikt ab. Nach Dipl.Ing. Sylvester sollte unter "Bodenreform" lediglich Arrondierung und Kommassierung, Entwässerung, Flussregulierung und Kultivierung unproduktiven Landes verstanden werden. 4 500 "Keuschlerbetriebe" sollten so in Bauernwirtschaften umgewandelt werden. Landarbeiter sollten eine Behausung und 1 bis 1,5 Joch Grund bekommen - von den Großgrundbesitzern oder von den Gemeinden. Für die Finanzierung schlug er eine eigene Bodenbank vor. Er lehnte eine Aufteilung des Großgrundbesitzes mit dem Argument ab, dass die Wälder von den Großgrundbesitzern rationeller zu bewirtschaften wären. Außerdem hätte eine Aufteilung von 40 000 ha produktiver Fläche der Großgrundbesitzer auf 71 000 "Keuschler" (er meinte damit wohl alle Kleinbauern) wenig Sinn. Sylvester vertrat die Meinung, dass eine Enteignung wegen des großen internationalen Einflusses der magyarischen Großgrundbesitzer zu diplomatischen Verwicklungen führen würde.
Die Erfolge der "Landreform" im Sinne der Christlichsozialen waren nur bescheiden. Es kam zu geringfügigen Ankäufen von esterhazy'schen Besitzungen im Oberpullendorfer und im Mattersburger Bezirk. Schon 1931 wurden die Käufe überhaupt eingestellt, da es nicht mehr möglich war, das erforderliche Kapital aufzutreiben.
Schreiners Rücktritt; Thullner wird Landeshauptmann
Am 24. Juli 1929 trat Landeshauptmann Schreiner zurück. Ausschlag gebend waren "gesundheitliche Gründe", tatsächlich aber Vorwürfe, er der Ziegeleibesitzer, würde zusammen mit dem Baumeister Koch von öffentlichen Aufträgen besonders profitieren. Die Sozialdemokraten wünschten erneut Rauhofer als Landeshauptmann. Die Christlichsozialen machten vier Vorschläge: Binder, Gangl, Thullner und Burgmann. Burgmann wurde von den Landbündlern abgelehnt. Im christlichsozialen Klub bekamen Binder und Gangl gleich viele Stimmen, Thullner am wenigsten. Binder wurde als Landesführer der Heimwehren abgelehnt, aber auch Koch wollte ihn nicht. Auch gegen Gangl hatten die Sozialdemokraten massive Vorbehalte. So wurde Thullner gewählt. Die Sozialdemokraten sahen in ihm das "kleinste Übel". Sein Mandat als Landesrat erhielt Karall.
Die Heimwehren
Ab 1930 drängten die Heimwehren verstärkt in den Vordergrund. Bei Gemeinderatswahlen in Güssing trat eine Liste "Ständevertretung" unter der Regie des Heimwehrführers Johann Wagner an und erreichte die Mehrheit. Im Mittelburgenland gab es wiederholt Konflikte, zumeist um den sehr rabiaten Landtagsabgeordneten und Heimwehrführer Stefan Hollenthonner. Dieser hatte mit Gewalt das Auto des Händlers Paul Blagusz aufhalten lassen, um es nach Waffen für den Schutzbund zu durchsuchen. Die ganze Aktion war eine Revanche für einen Vorfall in Lockenhaus, wo es angeblich zu Waffenlieferungen für die Heimwehren aus Ungarn gekommen war. Hollenthonner wurde angeklagt wegen öffentlicher Gewalttätigkeit und Einschränkung der persönlichen Freiheit, der Landtag lehnte aber die Auslieferung ab. Im April und Mai 1930 veranstaltete die Heimwehr große Kundgebungen in den sozialdemokratischen Gemeinden Siegendorf und Kittsee, am 18. Mai folgte ein großer Heimwehraufmarsch in St. Martin mit über 1000 Teilnehmern - am selben Tag, an dem die Heimwehren den Korneuburger Eid ablegten. Dabei wäre es beinahe zu einem tätlichen Übergriff auf den sozialdemokratischen Landtagspräsidenten Hoffenreich gekommen. Nur ein massiver Gendarmerieeinsatz konnte dies verhindern. Am 15 Juni 1930 legte Franz Binder in Oberwart in Anwesenheit von Steidle und Pfriemer seine Funktion als Landesführer zurück. Er hatte sich geweigert, den Korneuburger Eid zu leisten und hatte im Nationalrat für das Entwaffnungsgesetz gestimmt. Sein Nachfolger wurde zunächst der Landbündler Michael Vas, aber schon im September folgte Stefan Hollenthonner. Binder wurde in das Kuratorium der Landeshypothekenbank entsandt - an Stelle Freybergers, der wegen des Zusammenbruchs der Pinkafelder Kreditkassa auch als zweiter Landtagspräsident zurücktreten musste. Zweiter Landtagspräsident wurde Josef Reil.
Die Wahlen vom 9. Nov. 1930
Am 4. Oktober 1930 beschloss der Landtag einstimmig seine Auflösung. Die Wahlen erfolgten gemeinsam mit den Nationalratswahlen am 9. November. Mit Oktober 1928 übernahm der Oberst Alexander Marton-Hübner die Chefredaktion der "Burgenländischen Heimat". Ab nun wurde die Parteizeitung stark vom Heimwehrgeist geprägt. Bei den Wahlen kandidierte auch im Burgenland eine selbständige Heimwehrliste ("Heimatblock") unter Major Gerstner und Oberamtmann Peter Lang, allerdings nur in den Bezirken Neusiedl und Eisenstadt.
Umstritten war die Frage, woher die Heimwehren das Geld hatten. Die Sozialdemokraten und auch der großdeutsche "Freie Burgenländer" vermuteten Geldflüsse von ungarischen Magnaten.
In den meisten Bezirken einigten sich die Christlichsozialen mit den Heimwehren unter Vas und Hollenthonner auf eine gemeinsame Liste.Der Heimwehrführer Martin Drescher kandidierte allerdings auf der Liste des Schoberblocks (Nationaler Wirtschaftsblock und Landbund). Der Wahlkampf der Heimwehren wurde sehr radikal geführt: " Auf in den Wahlkampf! Das sei unsere Parole: Heimwehr und christlichsoziale Parte unter Führung des Tatmenschen Vaugoin treten Schulter an Schulter in den Wahlkampf. Wir werden das rote, landfremde volksaussaugende Bonzengesindel mit der Hundepeitsche des Stimmzettels außer Land jagen!" (Bgld. Heimat, zitiert nach Unger, S.152)
Neben Vas kandidierten auch andere frühere Landbündler als Heimwehrleute auf der christlichsozialen Liste: Johann Bauer aus Ritzing, Leopold Fleischhacker aus Pamhagen und Johann Paul aus Kemeten. Dies war umso erstaunlicher, als zu dieser Zeit auf Bundesebene die Zusammenarbeit zwischen Christlichsozialen und Landbund aufgekündigt wurde und der Landbund beabsichtigte, eine eigene "Bauernwehr" aufzustellen.
Der Wahlkampf verlief in einigen Orten äußerst turbulent. In Halbturn wurde Leser durch die Heimwehr daran gehindert, eine Wahlrede zu halten. Der Schutzbund marschierte auf und es kam zu einer Schlägerei.
Die Wahl brachte den Christlichsozialen 14, den Sozialdemokraten 13 und der Schoberblock 5 Mandate. In den Nationalrat entsandten Christlichsoziale und Sozialdemokraten je drei, der Schoberblock einen Abgeordneten. Vas übernahm das Mandat des Großdeutschen Wollinger. Die Christlichsozialen waren enttäuscht, sie hatten sich 17 bis 18 Mandate erwartet. Der Heimatblock der Heimwehren bekam 5000 Stimmen. Die erstmals kandidierenden Nationalsozialisten erreichten über 1000 Stimmen. Die Spaltung der Heimwehrbewegung, die Abspaltung der national-bundestreuen Formation (Starhemberg-Heimwehr) hatte den Christlichsozialen ein Nationalratsmandat gekostet.
In den Landtag entsandten die Christlichsozialen als Abgeordnete: Thullner, Reil, Anton Horvath, Johann Kruesz, Johann Probst, Anton Schreiner, Dr. Karall, Hollenthonner, Koch, Bauer, Dr. Karl Fuith, Franz Wallner, Michael Vas und Rudolf Büchler. Es war beabsichtigt, eine "Einheitsfront gegen den Marxismus" zu bilden. Der Landtag wurde für den 5. Dezember einberufen. Es konnte wegen des Widerstandes der Sozialdemokraten aber weder die Konstituierung noch die Landeshauptmannwahl vorgenommen werden, So kam erneut eine Konzentrationsregierung zu Stande. Den ersten Landtagspräsidenten mussten die Sozialdemokraten an die Christlichsozialen abtreten. Sehr schwierig gestaltete sich die Wahl des Landeshauptmannes.Im Gespräch waren Thullner, Koch, Schreiner und Binder, später auch Wagner und Fuith. Schreiner wurde schließlich gewählt, die Kreise um Koch setzten sich gegen Neusiedl/Eisenstadt und gegen die Heimwehren durch. Schreiner wurde mit den Stimmen aller Parteien gewählt. Thullner wurde erster Landtagspräsident. Koch, der keinen Landesratsposten mehr bekam, wurde übergangen. In der regierung wurde Koch von Johann Wagner, der auch in der Heimwehr verankert war, verdrängt. Weitere Landesräte waren Karall, Leser, Till und Walheim. In den Nationalrat wurden Schreiner, Sylvester, Wagner und Gangl gewählt, letzterer auf einem Reststimmenmandat, das dann aber die Steirer beanspruchten. Schreiner verzichtete zugunsten Gangls. 1931 zog dann auch wieder Binder in den Nationalrat ein.
In der Regierungserklärung führte Schreiner die Bodenreform als besonderes Verdienst Thullners an. Leser reagierte scharf und polemisch und wies außerdem auf einen Umstand hin, der Sozialdemokraten und Landbund schon lange beunruhigte: In den Landesdienst wurden ausschließlich CVer aufgenommen. Walheim verlangte in seiner Rede die endgültige kirchliche Trennung von Ungarn.
Die Spaltung der Heimwehr
Schon 1930 zeichnete sich diese Spaltung ab, die sich in den folgenden Jahren immer mehr vertiefte. Es gab die "Burgenländischen Landesschützen" und den "Österreichischen Heimatschutz im Burgenland", der zur Starhemberg-Heimwehr zählte. Über die Stärke des Burgenländischen Heimatschutzes gibt es höchst unterschiedliche Angaben. Nach Unger (S.161) soll Strobl die Stärke mit 10 000 Mann angegeben haben, ausgerüstet mit 6 Maschinengewehren und 300 Infanteriegewehren. Dem widerspricht Bögl, der vor allem die Bewaffnung als weit stärker beurteilt. Wagner shcätzte die Zahl der Heimwehrleute auf 4000 bis 5000 Mann, ähnlich wie Riedl (3000 bis 4000). Die Starhemberg-Heimwehr hatte nach Strobl und Riedl etwa 2000 bis 4000 Mann.
Zum Bruch kam es erstmals im Jänner 1931 bei einer Bundesleitungssitzung, aus einem Konflikt zwischen Steidle und Starhemberg. Die Tiroler Heimatwehren unter Steidle, der Heimatschutz des Burgenlandes unter Vas, die Vorarlberger und die Wiener unter Fey gründeten eine eigene Arbeitsgemeinschaft. Im Burgenland wehrte man sich gegen die "nicht bodenständigen" Führer in der Starhemberg-Heimwehr, die ja streng zentralistisch war. Starhemberg versuchte persönlich durch Besuche der Heimwehrgruppen, die Burgenländer wieder zu gewinnen, was ihm vorübergehend auch gelang. Bei einer Führertagung schloss man sich Starhemberg an und verlangte nun die entschlossene Durchsetzung des "Führerprinzips". Vas und Hollenthonner trugen den Kurs mit - unter der Voraussetzung, dass der Heimatblock nicht als politische Partei auftrete, Aber schon im Mai 1931 kam es erneut zum Bruch, diesmal mit Pfriemer, der Starhemberg als Bündnisführer abgelöst hatte. Pfriemer verlangte am 28. Juni 1931 auf einer Führertagung des burgenländischen Heimatschutzverbandes in Aspang einen absoluten Gehorsamseid. Als sich Dipl. Ing. Franz Strobl kritisch zeigte ernannte sich Pfriemer einfach selbst zum burgenländischen Landesführer. Vas und einige Bezirksführer,die betont christlichsozial waren, verließen darauf hin die Tagung. Die meisten Ortsgruppen folgten ihnen. Am 9. Juli 1931 schlossen sie sich mit den Frontkämpfern zusammen. Stabsleiter wurde nach dem Rücktritt des Obersten Gustav Berger Franz Strobl. Dieser entwickelte sich immer mehr zur Führerpersönlichkeit und drängte Vas und Hollenthonner in den Hintergrund. Während des Pfriemerputsches gaben die burgenländischen Heimwehren eine Solidaritätserklärung an die Regierung ab und besetzten sogar die steirische Grenze.
1932 kam Starhemberg wieder ins Burgenland und übernahm selbst die Führung der Landesgruppe. , später übernahm Walter Riebl (Hirmer Zuckerfabrik) die Führung.
Ein Kuriosum war der "Burgenländische Freiheitsbund", der 1931 in Wiesen von Johann Habeler, der sich gerne als christlichsozialer "Arbeiterführer" sah, mit Hilfe Kochs gegründet wurde. Diese Wehrformation gab es in Wien, von Leopold Kunschak gegründet, und darüber hinaus nur in Wiesen. Später ging sie in den den "Landesschützen" auf.
Der Rücktritt Schreiners und die Wahl Waldheims zum Landeshauptmann
Am 28. Oktober 1931 trat Landeshauptmann Schreiner zurück. Die Christlichsozialen präsentierten Thullner als Nachfolger, der jedoch von Sozialdemokraten und Landbund entschieden abgelehnt wurde. Leser nominierte darauf hin Walheim als Kandidaten. Die Christlichsozialen beschlossen, die Wahl zunächst zu verschieben. In der Landtagssitzung vom 3. November 1931 brachten Vas, Hollenthonner und Horvath eine dringliche Anfrage wegen einer angeblich missbräuchlichen Verwendung eines Dienstautos durch Leser ein. Die Sitzung musste nach turbulenten Szenen abgebrochen werden. Auch die Sitzung vom 9. November musste bereits nach wenigen Minuten abgebrochen werden. Der Streit eskalierte in einer offenen Erklärung Lesers, in der er Schreiner der Lüge bezichtigte und ihn als Schwächling bezeichnete. Da keine Einigung erzielt wurde, lud der damalige Bundeskanzler Buresch die drei Klubobleute nach Wien. Buresch und Dollfuß verhandelten schließlich persönlich mit Leser. Dieser blieb jedoch unnachgiebig. Erst als die Landbündler ihr Kulturressort an die Christlichsozialen abtraten waren diese mit der Wahl Walheims einverstanden. Am 25.11. 1931 konnte Walheim mit 18 Stimmen gegen 10 für Thullner gewählt werden. Neuer Landesrat wurde an Stelle Kochs - nach einer parteiinternen Auseinandersetzung - Sylvester. Was Leser allerdings bei seinem geschickten Vorgehen übersah: Bei Fehlen der nunmehr drei christlichsozialen Landesräte konnten keine Regierungsbeschlüsse gefasst werden. Um aus dieser Situation heraus zu kommen nahm Walheim über Sylvester Verbindung zu den Christlichsozialen auf.
Zu einem weiteren Skandal kam es in der Landtagssitzung vom 30. Jänner 1932. Es stand die Wahl Franz Strobls als christlichsozialer Bundesrat an. Strobl wurde darauf hin beschuldigt, während des Anschlusskampfes einer Freischärlerbande angehört zu haben. Das vorgelegte Foto erwies sich später als Irrtum. Die Sozialdemokraten und die Landbündler verließen die Landtagssitzung, die Beschlussfähigkeit war nicht gegeben, da Koch vier christlichsoziale Abgeordenete beurlaubt hatte.
Am 23. Mai 1932 wurde Anton Schreiner in seiner Ziegelei in Walbersdorf erschossen. Das Motiv war Rache für die Entlassung eines Arbeiters.
Landesparteitag am 27./29. Juni 1932 - Die "Jungtürken" übernehmen die Macht
Die neuen Leute waren Karall, Sylvester, Wagner, Riedl, Strobl, Bauer und Dr. Posch. Zum neuen Parteiobmann wurde der Rechtsanwalt Dr.Karl Fuith gewählt. Stellvertreter wurden Pfarrer Joseph Lang und Dr. Lorenz Karall, Landesparteisekretär wurde der St. Martiner Oberlehrer Adalbert Riedl, der an Stelle Gangls auch in den Bundesrat einzog. Fuith wurde als Kompromisskandidat gesehen. ohne in der Partei tatsächliche Macht zu haben. Vor allem die Heimwehrleute waren mit Fuith nicht zufrieden. Beschlossen wurden ferner ein Landesparteibeirat auf "berufsständischer Basis" und ein Parteigericht.
Die Wahlen von Anfang 1932 in Wien, Niederösterreich und Salzburg brachten große Gewinne für die Nationalsozialisten. Auch im Burgenland gewann die NSDAP sichtbar an Bedeutung. Am 3. Juli 1932 kam es zu einem Zwischenfall in Eisenstadt, zu einer Schlägerei zwischen SA und Schutzbund. Während eines SA-Aufmarsches war am sozialdemokratischen Parteiheim ein Plakat angebracht, auf dem Hitler beschuldigt wurde, das Burgenland an Horthy ausliefern zu wollen. Ludwig Leser wurde bei den tätlichen Auseinandersetzungen verletzt. Die Sozialdemokraten veranstalteten darauf hin eine Woche später einen Schutzbundaufmarsch und eine Großdemonstration mit etwa 3000 Teilnehmern. Redner waren Otto Bauer, Julius Deutsch und Ignaz Till. Auch die Christlichsozialen begannen zahlreiche Versammlungen gegen die Nationalsozialisten abzuhalten. Als heftigster Gegner der Nationalsozialisten exponierte sich der Pamhagener Pfarrer Josef Lang.
1932 wurden auch im Burgenland die vom Justizminister Kurt Schuschnigg gegründeten Ostmärkischen Sturmscharen aufgestellt, um die "politische, katholische und vaterländische Front in Österreich zu stärken." (Unger, S.177) Landesführer wurde Ulrich Sattler, Landwehrführer Dr. Karl Posch. Der Neusiedler Schuldirektor Titz spielte ebenfalls eine wichtige Rolle. Die neue Wehrformation rekrutierte sich vor allem aus den katholischen Burschenschaften. Mit etwa 1000 Angehörigen wurden die Sturmscharen im Burgenland nie sehr bedeutend. Anfang 1933 nahm der größte Teil der Heimwehren die Bezeichnung "Christlicher Heimatschutz" an, die Starhemberg - Heimwehren gehörten aber nach wie vor nicht dazu. Der Christliche Heimatschutz war eng mit der Partei verbunden, ja er wurde immer mehr zu einer Art Parteigarde, mit Strobl und Riedl als Führer. Neue Uniformen der Hahnenschwanz auf der Kappe, neue Symbole (Bindenschild mit Doppelkreuz) wurden eingeführt. Die Vertreter der alten, von der Partei immer relativ unabhängigen Führer wie Vas und Hollenthonner wurden verdrängt. Laut Riedl war es auch das Ziel dieser Umorganisation, die "unzuverlässigen Elemente" auszuschalten (Unger, S, 179). Diese neue Heimwehr war vorsichtig - abwartend legitimistisch, später trat sie immer offener für eine Resitution der Habsburger ein. Von 1934 bis 1938 wurden Otto von Habsburg in 177 burgenländischen Gemeinden Ehrenbürgerschaften verliehen. Vor allem von Schuschnigg erwarteten die Legitimisten, zu denen auch Fuith und Koch zählten, die Restauration.
Nach der Ausschaltung des Parlaments und dem Beginn des autoritären Kurses durch Dollfuß riefen auch im Burgenland einige Christlichsoziale und die Angehörigen des Heimatschutzes zum Kampf gegen die politischen Gegner. Am 26. März 1933 gab es den Versuch, alle nichtmarxistischen Wehrformationen zusammen zu schließen: den Christlichen Heimatschutz, die Starhemberg - Heimwehr, die Frontkämpfer, die Ostmärkischen Sturmscharen und die Christlich - deutschen Turner. Die Versammlung der Führer dieser Organisationen befürwortete das autoritäre Vorgehen der Regierung und forderte "eine noch schärfere Unterdrückung aller staatsfeindlichen Umtriebe" (Unger, S.180). Die neuen Vorstellungen von einer "Vaterländischen Front" wurden schon im Mai 1933 auf einem christlichsozialen Bezirksparteitag in Mattersburg aufgenommen. Im Juni 1933 traten sämtliche "christlichen Wehrverbände" der Vaterländischen Front" bei. Am 22. und 23. Juni 1933 tagte nach vielen Monaten erstmals wieder der Landtag. Christlichsoziale und Landbund brachten eine Vertrauenserklärung für die Regierung Dollfuß ein. Das führte zu einer äußerst interessanten Debatte, in der Leser mit dem österreichischen und deutschen Faschismus scharf abrechnete, sich zugleich aber leidenschaftlich zur deutschen Nation bekannte und die Schaffung eines "österreichischen Menschen" ablehnte.
Am 2.Juli 1933 wurde vor dem Landhaus eine große "Vaterländische Kundgebung" veranstaltet. Redner war Bundekanzler Dollfuß. Die neue "ständische Gliederung" des Staates kam allerdings im Burgenland ebenso wenig voran wie auf Bundesebene, obwohl man auf bereits bestehende Organisationen aufbauen konnte - dem Christlichen Bauernbund, dem Gewerbebund, Arbeiterbund, Christlicher Heimatschutz ... Vorläufiger Landesleiter der Vaterländischen Front wurde Ing. Franz Strobl. Die führenden Persönlichkeiten in den Bezirken waren in Neusiedl der Rechtsanwalt Graf Marenzi, in Oberpullendorf der Oberamtmann Katzmanek, in Oberwart Franz Binder, in Güssing Johann Wagner.
Die Verhältnisse in der christlichsozialen Partei waren 1933 recht verworren, da das Verhältnis zur Vaterländischen Front ungeklärt blieb. Dazu kam der persönliche Gegensatz zwischen Strobl und Adalbert Riedl, der die Vaterländische Front zunächst wenig unterstützte. Riedl verlor aber wegen eines kompromittierenden Auftritts in Ödenburg, wo er in der Uniform des Heimatschutzes eine legitimistische Rede hielt, vorübergehend an Einfluss. Am 16. Oktober 1933 ernannte Dollfuß seinen persönlichen Freund Ing. Hans Sylvester zum Landesleiter der Vaterländischen Front, Strobl war weiterhin der Führer des Christlichen Heimatschutzes. Der Organisator der Vaterländischen Front wurde der Sekretär Sylvesters, der Jurist im Landesdienst Dr. Ludwig Mohr. Riedl wurde Landesgeschätsführer, 1936 allerdings von Sylvester seines Postens enthoben. Bezirksleiter der Vaterländischen Front wurden die Lehrer Scharnagel (Güssing), Zimmermann (Jennersdorf), Hans Gesellmann (Mattersburg), Vogl (Eisenstadt) und Mädl (Neusiedl).
Der Christliche Heimatschutz im Burgenland wurde Dollfuß direkt unterstellt, einige Ortswehren nahmen die Bezeichnung "Dollfußgarde" an. 1934 wurde der Christliche Heimatschutz in "Burgenländische Landesschützen" umbenannt, eine eigene "Akademische Legion"! aus burgenländischen Hochschülern geschaffen.
Die Auflösung der christlichsozialen Partei
Am 18. Juli 1933 beschloss die Landesregierung, alle nationalsozialistischen Gemeindemandate "ruhend" zu stellen. Die NSDAP war allerdings auch nach dem Verbot der Partei weiterhin sehr aktiv und wurde vor allem von Ödenburg aus mit Propagandamaterial versorgt. In der Landtagssitzung vom 11. Dezember 1933 legte Johann Thullner sein Amt als Landtagspräsident nieder - auf Beschluss der Bischofskonferenz mussten sich alle Geistlichen aus der aktiven Parteiarbeit zurückziehen. Allerdings war der Einfluss des Klerus auch weiterhin groß, besonders der des Provikars für das Burgenland, Prälat Dr. Josef Köller, der, in Zemendorf geboren, Dechant von Kleinfrauenhaid war und auch in der Austro-Peisonia fest verankert war. Neuer Landtagspräsident wurde Koch, Abgeordneter im Landtag der Frauenkirchener Martin Wetschka.
Anfang 1934 wurde der gewählte Arbeiterkammerrat aufgelöst und eine Verwaltungskommission ohne Sozialdemokraten eingesetzt. Am 7. Feber 1934 verlangten die "Vaterländischen Wehrformationen" von Walheim, dass "das ganze Land von Vaterlandsverrätern gesäubert werde", unter anderem vom Schulverein Südmark, und dass in "politisch und wirtschaftlich belasteten Gemeinden" Regierungskommissäre eingesetzt werden sollen. Die Landesregierung sollte durch einen Landesausschuss aus vier Vertretern der Vaterländischen Verbände abgelöst werden ...
Der Februaraufstand vom 12. Feber 1934 fand im Burgenland kaum Widerhall. Kleinere Zwischenfälle gab es nur in Pöttsching, Siegendorf, Neufeld und Neutal. In Mörbisch schlugen die Nationalsozialisten irrtümlich los und gingen gegen die Gendarmerie vor. Leser gelang die Flucht in die Tschechoslowakei, die anderen sozialdemokratischen Spitzenfunktionäre wurden verhaftet. Am 17. Feber erklärte der Bundeskanzler die Mandate der Sozialdemokraten für erloschen. Walheim legte die Führung der Geschäfte daraufhin nieder, Sylvester wurde mit der Amtsführung betraut.
Am 22. Feber wählte der verbliebene Rumpflandtag einstimmig Sylvester zum neuen Landeshauptmann. Karall, Wagner und Walheim blieben in der Regierung, Strobl und der Starhemberg-Mann Riebl kamen hinzu. Im April 1934 wurde der Antrag auf Abschaffung der Zivilehe eingebracht und am 1. Mai 1934 im Konkordat mit Rom diese tatsächlich abgeschafft. Am 31. Jänner 1935 wurden die Staatsvolksschulen aufgelassen und diese wieder den Religionsgemeinschaften und Gemeinden übergeben. Die burgenländische Bauernkammer wurde gleichgeschaltet.
Am 25. Juli 1934 trat der Landtag nach der Ermordung des Bundeskanzlers Dollfuß zu einer Trauersitzung zusammen, Am 16. Oktober 1934 fand die letzte Sitzung des Landtages statt. Der Rumpflandtag beschloss das neue Landesverfassungsgesetz. Dr. Fuith gab die Auflösung der Christlichsozialen Partei bekannt.
Im ständischen Landtag saßen 30 von Sylvester ernannte Mitglieder, aus den Reihen der früheren Christlichsozialen Koch, Gangl, Wallner, Krueß und Johann Bauer. In die staatlichen Organe (Staatsrat, Bundeskulturrat, Bundeswirtschaftsrat und Länderrat) wurden Karall, Prälat Dr. Köller, Adalbert Riedl, Alexander Kugler, Ing.Waveczka, Dr. Marenzi und Ulrich Sattler entsandt. Im NOvember 1934 schied Karall aus allen Funktionen aus. Ing. Walter Riebl wurde Landesstatthalter, Karl Posch Landesrat.