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Der ungarische Adel, der sowohl den Landtag wie auch die Komitate vollständig beherrschte, zeigte das ganze 18. Jahrhundert hindurch keinerlei Bereitschaft zu Reformen. Diese mussten von den aufgeklärten Herrschern in Wien, also von der Zentralgewalt, durchgesetzt werden. Schwache Ansätze der Reformbereitschaft einzelner Persönlichkeiten scheiterten mit der "Jakobinerverschwörung". Erst in der "Reformperiode" nach 1825 konnten einzelne Persönlichkeiten aus dem Hochadel wie Szechényi, Wesselenyi und Vertreter des besitzenden mittleren Adels unter dem Druck ihrer wirtschaftlichen Situation und gegen den Widerstand der meisten Magnaten und des besitzlosen Kleinadels erste Reformen anregen. Diese blieben durchaus im Rahmen des bestehenden feudalen Systems. Zugleich wurden nationale Forderungen erhoben, vor allem von Vertretern des mittleren Adels und von der meist ebenfalls aus dem Adel stammenden Intelligenz. Diese Kreise bildeten gegen die regierungsfreundliche Mehrheit eine liberale, vereinzelt auch "radikale" Opposition. Aber selbst die Gruppe um Lajos Kossuth ging nicht über eine Beteiligung des wohlhabenden Bürgertums hinaus und war keineswegs für die Abschaffung der politischen und wirtschaftlichen Sonderstellung des Adels. Das Streben nach staatlicher Eigenständigkeit Ungarns erhielt jedenfalls in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer mehr einen magyarisch-nationalen Charakter. Das zeigte sich vor allem im Kampf um die magyarische Unterrichts- und Verwaltungssprache. Ähnliche nationale Bestrebungen der nichtmagyarischen Völker Ungarns wurden nicht zur Kenntnis genommen. Die Rumänen, Kroaten und Serben konnten sich dabei aber auf ihre Kirchen stützen und hatten zumindest ansatzweise eine eigene "nationale" Oberschicht. Das traf auf die Slowaken, die konfessionell zudem gespalten waren, nicht zu.

Die Zusammenarbeit zwischen König und ungarischen Ständen, durch französische Revolution und napoleonische Kriege erzwungen, endete 1812/13. Der ungarische Adel versuchte, die schwierige Situation der Monarchie zu nützen, um Zugeständnisse in Handels- und Finanzangelegenheiten sowie in der offiziellen Verwendung der ungarischen Sprache zu erpressen. Die Geldentwertung und die Erhöhung der Ausfuhrzölle vermehrte die Spannungen. Die Regierung hingegen verschärfte die Zensur. Der Reichstag verweigerte die Anerkennung der Geldentwertung und wurde zwischen 1811/12 und 1825 nicht einerufen.  Die Steuern wurden ohne Genehmigung der Stände eingehoben. Das Land wurde mittels Verordnungen regiert. Wie immer in solchen Fällen leisteten die Komitate Widerstand. Nach der Niederlage Napoleons wurde auch gegen die renitenten Komitate vorgegangen und 1814 die häufige Überprüfung der Komitatskassen angeordnet. Der Statthaltereirat griff in die Steuerhoheit der Komitate ein.  Die Selbstverwaltung der Komitate sollte ausgeschaltet werden. Die vom Obergespan ernannten Tafelrichter mussten nun die königlichen Verordnungen ohne die Zustimmung der Generalversammlung der Komitate unverzüglich durchsetzen. Das traf jene Adelskreise, die die Komitatsversammlungen dominierten. Ihre Macht sollte auch durch eine Änderung des Wahlvorganges in die Komitatsversammlung eingeschränkt werden. Dem zum Teil besitzlosen Kleinadel wurde nun auch ein prinzipiell gleiches Stimmrecht eingeräumt. Diese Maßnahme trug tatsächlich zur Destabilisierung der Adelskomitate bei, da nun bei den Ämterwahlen oft heftige Streitereien ausbrachen.

Erhöhung der Steuern und Rekrutenstellungen verstärkten die Unzufriedenheit, die Komitate protestierten und leisteten Widerstand. In einigen Komitaten musste Militär eingesetzt werden.  Königliche Kommissare versuchten, Besteuerung und Rekrutenstellung durchzusetzen Ja selbst die katholische Kirche, in deren Maßnahmen der Hof massiv eingriff, war keine verlässliche Stütze des Absolutismus mehr. So entstand allmählich eine adelige Opposition, die umfangreiche Veränderungen anstrebte.

Da die Konflikte immer heftiger wurden und ein Aufruhr drohte wurde schließlich 1825 wieder ein Reichstag einberufen. Dieser Reichstag von 1825/27 leitete jene Epoche ein, die man in der ungarischen Geschichtsschreibung das "Reformzeitalter" nennt. Die Verfassungsgarantie von 1790 wurde erneut zum Gesetz erhoben. Ein Teil der Steuern wurde erlassen. Der König gab die Genehmigung, einen Ausschuss zur Überprüfung von  Reformmaßnahmen einzusetzen. Damit begannen die Reichstagsstände, sich der Reform des Staates anzunehmen. Einzelpersönlichkeiten hatten dazu schon zuvor erhebliche Beiträge geleistet, etwa Kazinczy durch die Spracherneuerung oder Martin Schwartner, der vorübergehend auch am Ödenburger Lyzeum unterrichtete, durch seine statistischen Untersuchungen. Die relative Rückständigkeit Ungarns wurde weiten Kreisen im Adel und in der Intelligenz immer mehr bewusst. Die vom Reichstag verordnete Steuererhebung machte die schlimme soziale Situation, die ungeheure Armut weiter Bevölkerungskreise bekannt. Ungarische Nationalökonomen wiesen vermehrt auf die Probleme hin, die das feudale Gesellschaftssystem einer modernen Wirtschaftsentwicklung wie in Westeuropa entgegen setzte. 1830 erschien der Bericht des Reichstagsausschusses, der wie ein Schock wirkte und eine lange Liste von wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Problemen in Ungarn aufzeigte.

Positiv war, dass die Reichstagsstände auf Antrag István Széchenyis die Gelder für die Gründung einer Akademie der Wissenschaften aufbrachten.

In diesem Reichstag bildeten sich die beiden großen "Parteien", die man in Anlehnung an westeuropäische Verhältnisse die "Konservativen" und die "Liberalen" nennt. Die Begriffe sind aber irreführend, da etwa die "Liberalen" kaum mit den westeuropäischen bürgerlichen Liberalen vergleichbar sind. Besser wären wohl die damals im Lande selbst üblichen Begriffe "Hofpartei" und "Oppositionspartei". Die erste Gruppe stand dem Herrscherhaus näher, die zweite vertrat die "nationalen", das heißt im Ungarn der damaligen Zeit die ständischen "Freiheiten", wobei Freiheiten Privilegien meint. Die "liberale" Opposition verteidigte also die adeligen Vorrechte, während die Hofpartei nicht selten für "Reformen" eintrat, die von der Zentralregierung ausgingen.

Auf dem Reichstag von 1830, auf dem der Thronfolger Ferdinand (V.) zum König von Ungarn gekrönt wurde,  sollte die Reformkommission ihre Vorschläge unterbreiten. Dann brach aber die Pariser Julirevolution aus und unter dem Eindruck dieser Ereignisse wurde die Reformdiskussion verschoben. Lediglich in der Frage der ungarischen Amtssprache gab es einige Veränderungen. In manchen Bereichen der Verwaltung wurde das Ungarische zugelassen.

In den Jahren 1832 bis 1836 entstand im ungarischen Reichstag eine liberale, reformfreudige Gruppierung um den Baron Nikolaus Wesselenyi, den Dichter Franz Kölcsey, Franz Deák und Ladislaus Lovassy, dem Führer der "Landesjugend". Der Anwalt Ludwig Kossuth veröffentlichte in "Privatbriefen", um der Zensur zu entgehen, Berichte über die Landtagssitzungen. 1836 wurde Lovassy verhaftet, Wesselenyi und Kossuth landeten ebenfalls im Gefängnis.Erst der Reichstag von 1839/40 beschloss einige Reformgesetze, die zum Beispiel die Ablöse der Untertanenlasten ermöglichten. Ein Kredir- und Wechselgesetz wurde erlassen und die Juden erhielten die Erlaubnis, sich frei in den Städten anzusiedeln und Handel und Gewerbe zu treiben.

Ein Teil der Opposition unter der Führung Wesselényis trat vehement für Reformen ein. Baron Miklos Wesselenyi war Großgrundbesitzer in Siebenbürgen und im Komitat Sathmar und wurde rasch einer der wichtigsten Politiker im Reichstag.  Die Choleraepidemie und die darauf folgenden Bauernaufstände im Nordosten Ungarns förderten die Reformbereitschaft im Adel. Die Vorstellungen der Reichstagsausschüsse wurden nun auch in den Komitatsversammlungen diskutiert. Ein wenn auch kleiner Teil des Kleinadels begann, die liberalen Reformideen zu akzeptieren. Das Ziel war die Schaffung eines neuen, modernen, "bürgerlichen" Ungarn. Der Weg dorthin war aber heftig umstritten. Während Szechenyi in enger Abstimmung mit Wien vorsichtige Reformen wollte und jede Radikalisierung fürchtete, war Wesselényi bereit, aus der Opposition heraus den Druck auf die Regierung zu erhöhen. Als "Verteidiger der ungarischen Verfassung" wurde er bald sehr populär. Die bürgerliche Gleichberechtigung verlangte er allerdings nur für jene, die der ungarischen Sprache mächtig waren. Die "bürgerliche Verfassungsmäßigkeit" wollte er aus den traditionellen ständischen Institutionen Ungarns heraus entwickeln, er wollte also eine "Modernsierung", ohne die traditionellen Adelsrechte vollständig preiszugeben.

In den 1830er Jahren wurde das politische Leben immer aktiver. Zahlreiche Kasinos und Klubs entstanden, auch in den Komitaten, um liberale Aristokraten und angesehene Kleinadelige. Dort wurde heftig diskutiert. Daraus entwickelten sich "Parteien", Gruppierungen, die sich um die Entsendung Gleichgesinnter  als Delegierte in den Reichstag bemühten. Aber selbst die Wünsche der Opposition der Reformer waren eher bescheiden. Sie waren ja nahezu ausschließlich ebenfalls Vertreter des Großgrundbesitzes. In der Frage der Ablöse der feudalen Rechte gingen sie kaum über die Möglichkeit einer freiwilligen Ablöse gegen entsprechende Entschädigung hinaus. Regierung und konservative Aristikratie freilich waren zunächst nicht bereit, sich auf Reformen einzulassen. Nur gelegentlich gelang es den Reformern unter Wesselenyi unter den schwankenden Reichstagsmitgliedern eine Mehrheit zu finden, etwa in der Frage der Einschränkung der grundherrlichen Gerichtsbarkeit. Die Magnatentafel wies den Beschluss zurück und auch der König lehnte ihn ab. Die Opposition hatte also kaum Erfolge, ihre Vorstellungen wurden aber im Lande immer mehr bekannt. Die in der Form privater Briefe verbreiteten "Reichstagsberichte" trugen dazu bei. Redakteur dieser Briefe war der junge Abgeordnete des Komitates Zemplén, Lajos Kossuth.

Einen ersten Durchbruch zu Reformen brachte der Reichstag von 1832 mit dem Urbarialoperat. Der Reichstag verlangte die Aufhebung des "Kleinen Zehents" (Kalb, Lämmer, Ziegen, Bienen und jährliche Naturalabgaben wie Hühner, Eier usw. Vergl. dazu: Grundherrschaft zwischen Maria Theresia und der Grundentlastung ), die Verminderung der Robot und freies Eigentum der Bauern an den Urbarialgründen. Auch im Gerichtswesen wurden wesentliche Veränderungen beantragt: Der Herrenstuhl sollte nur mehr in Zivilprozessen zwischen den Untertanen richten, die Urbarialprozesse sollten künftig aber an die Komitatsgerichte übertragen werden (Vgl. dazu: Verwaltung ). Die Bestimmungen, die die Urbarialregulierung betrafen wurden von der Regierung bestätigt. Die beschlossenen Gesetzesartikel brachten erhebliche Verbesserungen für die bäuerliche Bevölkerung. Ihre Abgaben und Dienstleistungen wurden vermindert und neu geregelt.

Auf dem Reichstag von 1832 wurde auch die Abschaffung des Zehents an die Kirche zur Debatte gestellt, dann aber vertagt.

1836 wurde die Gemeindeverwaltung in Ungarn erstmals gesetzlich geregelt. Das Aufsichtsrecht der Komitate wurde gestärkt. Die jährliche Wahl des Gemeindevorstandes sollte nun in Anwesenheit des Stuhlrichters und eines Vertreters der Grundherrschaft abgehalten werden. Es begann also die Loslösung der bäuerlichen Gemeinden aus der Grundherrschaft und die allmähliche Eingliederung in die staatliche Verwaltung.

Im Reichstag von 1939/40 kam es zu einer leichten Entspannung der Konflikte. Unter der Führung von Ferenc Deak gelang es im Unterhaus, die traditionelle Adelsopposition und die Reformer zu gemeinsam Vorgehen zu bewegen. Selbst im Oberhaus bildete sich nun unter Lajos Batthyány eine Oppositionsgruppe.

1840 wurde das weitere Vordringen der magyarischen Sprache gesetzlich abgesichert. Es wurde beschlossen, dass alle amtlichen Schriftstücke auch in magyarischer Sprache verfasst werden konnten. In allen Pfarreien, in denen in magyarischer Sprache gepredigt wurde, mussten nun auch die Matriken in dieser Sprache geführt werden.

Wesselenyi, der nach einer aggressiven Rede in seinem Wahlkomitat vorübergehend eingekerkert war, erblindete und verlor seine führende Rolle. Diese ging immer mehr auf Lajos Kossuth über. Dieser hatte als Redakteur des Pesti Hirlap große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gefunden und nützte - ganz gegen die Gewohnheiten - die Zeit zwischen den Reichstagen zur weiteren Politisierung schon im Hinblick auf den nächsten Reichstag. Seine Leitartikel wurden zu Anklagen gegen die Missstände in der Verwaltung und in der Rechtsprechung. Kossuth setzte auf den niederen Adel, zunehmend aber auch schon auf das liberale Bürgertum.Der Adel sollte auf seine urbarialen Rechte gegen Bargeldentschädigung verzichten, ja selbst den Bauern wurden von der Reformpartei Verbesserungen in Aussicht gestellt. Kossuth propagierte sogar die Abschaffung der adeligen Steuerfreiheit bei bestimmten, nichtstaatlichen Steuern, stieß dabei aber bei seinen Anhängern im Kleinadel auf Ablehnung. Es wurde klar, dass ein Reformprogramm nur durch Heranziehung bürgerlicher Kräfte, also durch eine Umgestaltung des ständischen Systems, möglich war. Es ging um eine Erweiterung der Komitatsversammlungen durch bürgerliche Elemente.

Kossuth war der Meinung, dass ein wirtschaftliches Erstarken Ungarns gegenüber der Konkurrenz der westlichen Kronländer nur durch eine "nationale" Wirtschaftspolitik möglich wäre. Daraus ergab sich die Forderung nach einer möglichst weitgehenden politischen und wirtschaftlichen Selbständigkeit, wobei aber noch keineswegs an eine Lösung aus dem Verband der Habsburgermonarchie gedacht war.

In der Reformdebatte um die Stärkung der ungarischen Autonomie spielte das Problem der Staatssprache eine wesentliche Rolle. Schon 1792 war Ungarisch zum Pflichtfach in den Schulen geworden, der Reichstag begann ab 1792 seine Adressen an den Hof zweisprachig, lateinisch und ungarisch, zu verfassen. Ab 1805 galt dies auch für die Gesetze und auch die Komitatsverwaltungen durften nunmehr die ungarische Sprache verwenden. Ab 1830 musste sich der Staathaltereirat in ungarischer Sprache an die Komitate wenden und Ungarisch wurde Gerichtssprache. Für ein Amt wurde die Beherrschung der ungarischen Sprache Voraussetzung, ebenso für die Advokatenprüfung. 1844 schließlich wurde Ungarisch zur Staatssprache erklärt. Nicht alle Vertreter des Reformprogramms waren allerdings für eine rigide Zwangsmagyarisierung, manche wollten die Teilhabe an der bürgerlichen Emanzipation von der Beherrschung der ungarischen Sprache abhängig machen. Wesselenyi etwa wollte die Grundablöse davon abhängig machen.Die Frage war, ob es möglich wäre, unabhängig von der Sprachzugehörigkeit eine einheitliche politische bürgerliche "Nation" zu schaffen. Im Nationsverständnis der magyarischen Elite, die "Nation" als historisch-politische Gemeinschaft verstand oder  sich am französischen Begriff der Bürgernation orientierte, lag aber schon das ganze Dilemma der Zukunft. Ungarn war eben von vielen Völkern bewohnt, es wurden viele Sprachen gesprochen. Die Magyaren stellten nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung. Das war aber eine Tatsache, die die politische Elite nicht zur Kenntnis nahm. In Ungarn wollte sie nur eine Nation, die "Staatsnation", akzeptieren, die aber in der Praxis etwa der Verwaltung mit der magyarischsprachigen Oberschicht gleichgesetzt wurde. Den ethnischen Gruppen gestand man keine eigene Identität und schon gar keine politische Handlungsberechtigung zu, bestenfalls wurde ein individuelles Recht auf Gebrauch der Muttersprache im privaten Bereich eingeräumt. Diese Haltung kritisierte Szechenyi scharf, der klar erkannte, dass dir übrigen Völker Ungarns diese Konzeption nicht hinnehmen würden und die Magyaren letzten Endes die Zeche zahlen würden. Szechenyi geriet aber auch in anderen Fragen in Konflikt mit Kossuth. Er lehnte den aggressiven. leidenschaftlichen, an die "nationalen" Gefühle appellierenden Stil des Pesti Hirlap ab.

Szechény war in dieser Frage nicht der einzige. Eine gemäßigte Gruppe unter Aurél und Emil Dessewffy um die Zeitung Világ (Welt), später Budapesti Hiradó (Budapester Nachrichtenblatt), in der Geschichtsschreibung als "Neokonservative" bezeichnet,  wandte sich ebenfalls gegen die radikale Opposition und sah die Interessen Ungarns innerhalb der Habsburgermonarchie und im Einklang mit der Regierung und dem Hof besser gewährleistet. Sie unterstützte die von der Regierung betriebene Schaffung einer Zollunion - im Gegensatz zu den Forderungen Kossuths nach Schutzzöllen für Ungarn. Sie sahen eine der Ursachen für die Rückständigkeit Ungarns in der Autonomie der Komitate und in der Rolle des Kleinadels, der alle Verwaltungsreformen verhinderte. Dementsprechend strebten sie eine Entmachtung der Komitate und eine Zentralisierung der Verwaltung an. Die Neokonservativen wurden nach dem Scheitern des Reichstages von 1843/44 mit der Regierung betraut. Mit der Umgestaltung der Komitate sollte auch der Opposition der Boden entzogen werden. An die Stelle der Obergespane wurden Administratoren gestellt, gut bezahlte Verwaltungsbeamte, die der Regierung gegenüber loyal waren. Sie versuchten freilich auch die Wahlen der Delegierten zum nächsten Reichstag zu beeinflussen. Es gelang auch, die Opposition zu spalten. 1844 musste Kossuth seine Position im Pesti Hirlap aufgeben. An seine Stelle trat Lásló Szalay, ein Vertreter der kleinen, aber einflussreichen Gruppe der "Zentralisten", die die bisherige ständische, auf den Komitatsversammlungen beruhende Oppositionspolitik ablehnten und eine moderne Verfassung nach französischem Vorbild anstrebten. Es gelang schließlich aber wieder, diese Gruppe mit der übrigen Opposition zu vereinen.

Ab 1846 verdichtete sich die Zusammenarbeit der einzelnen Gruppen zu "Parteien", schon im Hinblick auf die nächsten Wahlen zum Reichstag. Die konservative "Partei" propagierte Änderungen im Einklang mit der Regierung, auf verfassungsmäßigem Weg, mit Betonung der Einheit von Nation und Reich. Die Opposition konnte durch Kossuths Bemühungen ebenfalls zu gemeinsamen Zielsetzungen gelangen, allen voran die Forderung nach Schutzzöllen. Kossuth bediente sich dabei auch des Schutzvereines, dessen Obmann er war. Die Mitglieder mussten sich auf sechs Jahre verpflichten, nur ungarische Waren zu kaufen. Führer der Opposition waren neben Kossuth Lajos Batthyány und Ferenc Deák. Sie einigten sich auf ein gemeinsames Programm. Am 5. Juni 1847 veröffentlichten sie die von Deák formulierte "Oppositionserklärung", die Weisungen für die Reichstagsabgeordneten der Opposition enthielt. Verlangt wurden eine dem Parlament verantwortliche Regierung, das Recht auf Vereins- und Versammlungsfreiheit und die Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn, allgemeine Steuerpflicht, Gleichheit vor dem Gesetz, Aufhebung der Urbarialverhältnisse und Entschädigung für die Grundherrn. Im Reichstag 1847 stießen die beiden Gruppen aufeinander. Kossuth, nun erstmals Abgeordneter, spielte bereits die führende Rolle. Die Opposition kam aber erneut in Bedrängnis, als sich die Abspaltung einer großen Gruppe von grundbesitzenden Adeligen abzeichnete. Unter dem Einfluss der 1848 in Europa ausbrechenden Revolutionen formierte sich die Opposition bald neu. Bürgerliche Intellektuelle scharten sich um Kossuth, die auf den grundbesitzenden Adel nunmehr weniger Rücksicht nahmen und auch vor revolutionären Schritten nicht zurückschreckten.

Die Forderungen, die im Hinblick auf den Reichstag von 1847/48 erhoben wurden, sollten den endgültigen Durchbruch zu einem "modernen" Ungarn bringen. So wurden ein unabhängiges und verantwortliches Ministeriumm, ein Reichstag als Volksvertretung, die Gleichheit vor dem Gesetz, Steuerpflicht für alle, Aufhebung der Avitizität und Aufhebung des Urbarialsystems verlangt.  (siehe Revolution von 1848)

Die Bevölkerung

Die Bevölkerung Gesamtungarns stieg zwischen 1787 und 1851 von 9,5 auf 13,2 Millionen Menschen an. Dies war nahezu ausschließlich eine Folge des großen Geburtenüberschusses. Zuwanderung gab es kaum mehr, mit Ausnahme der Zuwanderung der Juden vor allem aus Galizien. Ihre Zahl stieg von 85 000 auf 270 000. Die Kindersterblichkeit war noch immer sehr hoch, lediglich in den wohlhabenderen Kreisen begann sie allmählich zurück zu gehen. In den 1840er Jahren lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei 38 bis 39 Jahren. Mit 43 Einwohner pro Quadratkilometer gehörte Ungarn Mitte des 19. Jahrhunderts noch immer zu den am dünnsten besiedelten Gebieten der Monarchie. Relativ dicht besiedelt waren West- und Nordwestungarn.

Der Verstädterungsgrad war noch niedrig, In den 126 "privilegierten Städten" (davon 44 königliche Freistädte) lebten etwa 10 % der Bevölkerung, unter Einbeziehung der etwa 600 Marktflecken (Oppida, ungarisch Mezövaros),   etwa 25 % der Bevölkerung. Auch in den größeren Städten lebte noch immer ein beträchtlicher Teil der Einwohnerschaft von der Landwirtschaft. Rasch wuchs nur die Bevölkerung von Pest, Ofen, Debrecen und Segedin. Typisch für die Große Tiefebene (Alföld) waren Riesendörfer mit 6 000 bis 10 000 Einwohner. Ab dem 18. Jahrhundert, mit dem Ende der Bedrohung durch die Türken, entstanden auch in der Tiefenene Einzelgehöfte (Tanyas).

1787 lebten in Ungarn 6,44 Millionen, 1850 9,29 Millionen Menschen. Erst zwischen 1841 und 1850 stieg der Geburtenüberschuss auf 1,24 % pro Jahr an. Die Bevölkerungsentwicklung wurde noch immer durch Epidemien stark beeinflusst. Die Pest von 1709/13 kostete in Ungarn und Siebenbürgen etwa 410 000 Menschen das Leben, In der großen Choleraepidemie von 1831/32  starben etwa 270 000 Menschen. Die von russischen Soldaten eingeschleppte Cholera traf auf eine Bevölkerung, die durch zwei Missernten stark geschwächt war. Im Nordosten des Landes kam es zu Aufständen gegen die hilflosen Behörden der Adelskomitate.  Auch der Flecktyphus (morbus hungaricus) forderte immer wieder zahlreiche Opfer. Hungersnöte traten immer wieder auf, 1770/72, 1788/90. 1794/95 oder  etwa 1816/17, nachdem Überschwemmungen und im folgenden Jahr Trockenheit zu Missernten geführt hatten. Diese landesweite Hungersnot dürfte zehntausenden Menschen das Leben gekostet haben. Hungersnöte waren auch mit verstärktem Aufflackern von Epidemien (Pocken, Typhus, Scharlach ...) verbunden.Zu einer neuerlichen, landesweiten Hungersnot kam es 1846/47.  Die ärztliche Versorgung war in weiten Landesteilen unterentwickelt. 1840 kam auf 18 000 bis 20 000 Menschen ein Arzt (in den westlichen Teilen der Monarchie 5 000).

 Bevölkerungsgruppe Anteil [%]
 Magyaren 38,0%
Rumänen 17,0%
Slowaken   9,8%
Deutsche   9,7%
Serben   7,0%
Ruthenen   3,5%
Juden   2,0%

 

 

 Konfession Anteil [%]
 Katholiken 47,5%
griechisch katholisch 10,0%
griechisch orthodox 18,0%
Reformierte 14,0%
Evangelische   8,0%
Unitarier (Antitrinitarier)   0,4%
israelitische Konfession   2,0%


Die Gesellschaft

An der Spitze der ungarischen Gesellschaft standen noch immer die "Magnaten", etwa 500 Familien. 1840 waren darunter vier Fürstenfamilien (Esterházy, Batthyány, Pálffy und Grassalkovich), 79 Grafenfamilien, 84 Barone. Dazu kamen 38 fremde, aber auch in Ungarn "nostrifizierte" Adelsfamilien. Die meisten dieser Familien gehörten keineswegs dem alten Adel an, sie hatten zumeist in den Türkenkriegen und in der Gegenreformation ihre riesigen Besitzungen erhalten. Viele der Hocharistokraten lebten in ihren Palais in Wien. Sie hatten einen aufwändigen und verschwenderischen Lebensstil mit einer großen Dienerschaft, waren hoch verschuldet und mussten, da sie bankrott waren, unter Zwangsverwaltung gestellt werden. Gegen Teilung und Verkauf waren sie meist durch Majorat und  geschützt. Weniger begüterte Familien lebten auf ihren Schlössern am Land und in Stadthäusern in der Nähe. Viele Angehörige der Hocharistokratie konnten kein Ungarisch. Erst in den 1830er Jahren begannen sie, ungarisch zu lernen. Selbst die nationalmagyarische Opposition im Reichstag, die Gruppe um Franz Batthyany, beherrschte die ungarische Sprache nur mangelhaft. Die Hocharistokratie besetzte die meisten kirchlichen und weltlichen Führungspositionen. Daneben kam nur eine Betätigung im diplomatischen Dienst oder in der Armee (nur bei den Husaren) in Frage. Für die Bewirtschaftung ihrer Güter zeigten sie nur wenig Interesse. Zum hochadelgen Lebensstil gehörten Jagd und Reiterei, Kunst- und Kulturförderung (Malerei, Sammlung von Antiquitäten, Theater und Musik).

Insgesamt nahmen etwa 550 000 Personen in Ungarn in Anspruch, "adelig" zu sein, ca 5 % der Bevölkerung. Nirgendwo in Europa - von Polen abgesehen - war der Adelsanteil so hoch. Sie alle nahmen das Prinzip der Rechtsgleichheit und das adelige Privileg der Steuerfreiheit in Anspruch. Tatsächlich aber war die sozialökonomische Situation dieser "Adeligen" höchst unterschiedlich. Neben dem mittleren Besitzadel mit einigen tausend Joch Grundbesitz gab es bäuerlich lebende Adelige, Handwerker, besitzlose Intellektuelle, ja sogar Dienstboten. Nur etwa ein Fünftel  des Adels besaß großen Grundbesitz. Dieser "mittlere" Adel hatte aber in der Staatsverwaltung und in den Komitatsbehörden sowie im Gerichtswesen enormen Einfluss. Er nahm die Funktionen auf Komitatsebene wie selbstverständlich für sich in Anspruch und vertrat auch die Komitate im Unterhaus des Reichstages. Kennzeichen dieser Schicht war der Titel eines "Tafelrichters" (ursprünglich Richter des Komitatsgerichtes), der aber zu einem Ehrentitel geworden war. Dieser "mittlere" Adel wohnte in kleineren Schlössern oder Kastellen oder auch in Herrenhäusern in den Dörfern.

Zum besitzlosen Adel oder gar zum Bürgertum gab es strikte, unübersteigbare Grenzen. Nur sehr langsam begann die völlig abgeschlossene Welt des Besitzadels aufzubrechen, vorangetrieben durch "Reformer" aus Adelskreisen, die diese Standeswelt für überholt hielten, vor allem gemessen an den Verhältnissen in Westeuropa. Eine kleine Gruppe von Besitzadeligen und adeligen Intellektuellen begann mit der Werteordnung und der Lebensform des selbstbewussten, überheblichen und dabei rückständigen Adel zu brechen. István Bezerédy etwa schloss auf seinem Gut im Komitat Tolna einen der ersten Ablöseverträge mit seinen Leibeigenen, zahlte freiwillig Steuern und errichtete den ersten Dorfkindergarten, für den seine Frau eine Fibel verfasste.

Auch die Entwicklung der Städte und des Bürgertums beschleunigten sich im Reformzeitalter. Besonders traf dies auf Pest zu. 1848 hatte die Stadt bereits 100 000 Einwohner. Die städtebauliche Entwicklung wurde durch den berühmten Architekten Michael Pollack gelenkt. Die Stadtmauern wurden schon vor 1800 abgetragen, die Vorstädte verschmolzen mit der Innenstadt. Etwa die Hälfte der Straßen war um die Jahrhundertmitte bereits gepflastert und mit Öllaternen beleuchtet. Eine Wasserleitung fehlte noch, die Kanalisation war völlig unzulänglich. Ab 1832 wurden Pferdeomnibusse eingesetzt. Auch in den kleineren Städten fielen die Stadtmauern, in Raab etwa ab 1820.Zahlreiche repräsentative öffentliche und kirchliche Bauwerke wurden errichtet. Nicht alle Städte konnten im Wachstum und in der Modernisierung mithalten. Einige königliche Freistädte fielen in die Bedeutungslosigkeit zurück. Das Selbstbewusstsein der Bürger nahm mit dem wirtschaftlichen Erfolg zu und es begann auch in Ungarn die bürgerlichen Tugenden wir Fleiß und Sparsamkeit zu verinnerlichen. Eine wichtige Rolle im bürgerlichen Prestigedenken spielte die öffentliche Wohltätigkeit. In einer Hinsicht freilich unterschied sich das ungarische Bürgertum freilich von dem Mittel- und Westeuropas. Der Adel genoss noch immer uneingeschränkte Wertschätzung und die Autorität der Obrigkeit blieb unangefochten. Auch viele reich gewordene Bürgerliche strebten nach einem Adelstitel und einem Landgut.

Die Bauern

Kultur

Die Einstellung zur Bildung des Volkes, früher zumeist als völlig überflüssig betrachtet, begann sich zumindest in Reformerkreisen zu ändern. Das Ziel war die bürgerliche Gesellschaft und die war nur durch entsprechende Bildungsbemühungen zu erreichen. 1806 bestimmte eine königliche Verordnung zum Erziehungswesen (die "zweite Ratio Educationis") die Schulpflicht vom 6. bis zum 12. Lebensjahr mit Unterricht in der Muttersprache. Die Lehrer sollten aber auch die ungarische Sprache beherrschen. Die Elementarschulen wurden von den Kirchen unterhalten. Ihr Niveau war oft sehr bescheiden, die Schulgebäude waren in ärmeren Gemeinden in schlechtem Zustand, die Lehrer schlecht bezahlt. Auch die Schulpflicht wurde nur mangelhaft durchgeführt, vor allem im Sommer mussten viele Kinder arbeiten. In der griechisch - katholischen und in der griechisch - orthodoxen Bevölkerungsgruppe war der Schulbesuch eher die Ausnahme. Die Zahl der Gymnasien stieg rasch an. Die katholischen Gymnasien wurden von den Orden, besonders den Piaristen, betrieben, später auch von den 1802 wieder hergestellten Orden (Benediktiner, Franziskaner, Prämonstratenser ...). Unterrichtssprache war bis in die 1840er Jahre Latein. 1844 wurde durch königlichen Erlass Ungarisch die Unterrichtssprache. Nunmehr wurden auch die lutherischen Gymnasien magyarisiert. Die  Schulen der Reformierten waren schon lange Zentren einer nationalmagyarischen Erziehung. Die Gymnasien bzw. Lyzeen der Evangelischen hatten meist einen höheren Rang. Es entstanden erste Lehrerbildungsanstalten und 1846 eine "Indstrieschule". Der Abschluss der Lyzeen berechtigte zur Bekleidung vieler Ämter. Es gab fünf königliche Akademien (in Pressburg, Kaschau, Raab, Großwardein und Agram/Zagreb) für das Rechtsstudium, drei katholische Lyzeen (Erlau, Fünfkirchen, Temesvar) Die evangelischen Geistlichen wurden an sieben protestantischen Kollegien ausgebildet, die katholischen Priester in den Priesterseminarien der Diözesen. Das vor allem bei den evangelischen Theologen übliche Auslandsstudium wurde stark eingeschränkt, zeitweise sogar verboten. Eine höhere Fachausbildung boten nur die staatliche Bergbauakademie in Schemnitz (ab 1735 Bergbauschule, 1763 Bergbauakademie, ab 1808 auch ein Forstinstitut)  und zwei Privatinstitute  für die Landwirtschaft, das Georgicon der Festetics in Kestehely ab 1797 und die 1818 von Erzherzog Albrecht gegründete Landwirtschaftsakademie in Ungarisch Altenburg.1830 wurde in Pest eine private Handelsschule errichtet, 1847 die erste "Gewerbeschule".  Eine Universität gab es nur in Pest, sie hatte 1840 etwa 1500 Studenten. Die naturwissenschaftlichen Fächer waren eher unterrepräsentiert, vor allem die medizinische Fakultät aber entwickelte sich gut. 

Unter den Naturwissenschaftlern der Zeit wäre Paul Kitaibl zu nennen, geboren in Mattersburg und erzogen am Benediktinergymnasium in Ödenburg. Er erfasste und analysierte die Mineralwässer Ungarns und  beschrieb nahezu vollständig die Pflanzenwelt des Landes. Eine erste auf Quellenbasis beruhende Geschichte Ungarns verfasste Mihaly Horváth, eine Literaturgeschichte Frenc Toldy (Schädel). Auf Anregung Istvan Szechenyis entstand die Akademie der Wissenschaften und nahm 1830 ihre Arbeit auf. Auch das Nationalmuseum war einem Szechenyi zu verdanken.  1802 stellte Ferenc Graf Szechenyi seine naturkundliche und archäologische Sammlung sowie seine Bibliothek zur Verfügung. Andere Adelige und hohe Geistliche folgten diesem Beispiel. 1848 wurde das neue klassizistische Palais des Nationalmuseums eröffnet.

Nationalitäten, "nationales Erwachen"

In der Reformära begann das magyarische Nationalbewusstsein verstärkt Eingang zu finden, im Adel, aber auch im Bürgertum, soweit es ungarischsprachig war. Literatur und Theater sollten der ungarischen Sprache einen gleichwertigen Platz unter den europäischen Kultursprachen sichern. Zuerst musste allerdings die ungarische Sprache dafür geeignet gemacht werden. Es gab noch keine festgelegten Sprachnormen, keine verbindliche Rechtschreibung und in vielen Bereichen fehlte ein entsprechender Wortschatz. Die "Sprecherneuerer" unter Kazinczy mussten erst viele ungarische Wörter "erfinden", oft unter Spott ihrer Gegner, setzte sich aber durch. Deutsche, lateinische und vom Dialekt geprägte Sprachelemente wurden gezielt verdrängt. In der entstehenden ungarischen Literatur gab es  - westeuropäischen und vor allem deutschen Vorbildern folgend - "klassische" und romantische Strömungen. Bedeutende Dichter der Zeit waren Sandor Kisfaludy und Daniel Berzsenyi, der das Ödenburger Lyzeum besuchte. Dichter und Schriftsteller wie Mihaly Vörösmarty oder Karoly Kisfaludy vertraten bürgerlich-liberale Ideen, aber auch magyarisch-nationalistische Ziele. Das Interesse an der "Volkskultur" wuchs, es wurden Sammlungen von Volksliedern und Märchen angelegt. Sandor Petöfy und Janos Arany machten das "Volk" zum Gegenstand ihrer Dichtungen. Während es in vielen Städten Ungarns schon lange deutsche Theater gab waren die Anfänge eines ungarischen Theaters äußerst mühsam und beschränkten sich zunächst auf Wanderschauspielertruppen. Erst 1837 eröffnete das Pester Ungarische Theater, ab 1840 wurde es als Nationaltheater bezeichnet. Ähnlich mühsam war die Geburt eines ungarischen Pressewesens neben den zahlreichen deutschsprachigen Zeitungen. 1792 gab es zwar bereits 18 Zeitungen, davon einige auch in ungarischer Sprache. 1805 bestand nur mehr eine ungarische Zeitung und die wurde in Wien herausgegeben. Nur langsam erholte sich in der Reformepoche das Zeitungswesen, wobei Pest immer mehr zum Zentrum des Verlagswesens wurde. Ein politisches "Massenblatt" entstand erst 1841 mit Kossuths Pesti Hirlap. 1847 erschienen schon 59 Zeitungen und Zeitschriften, darunter schon 33 in ungarischer Sprache.

Gleichzeitig mit der magyarischen Nationalbewegung erwachten auch die anderen Völker UNgarns. Die magyarischen Eliten nahmen dies freilich nicht zur Kenntnis. Sie sahen etwa in den Sprachbewegungen der slawischen Volksgruppen keineswegs als legitimes Anliegen. Sie vermuteten dahinter die Intrigen des Wiener Hofes gegen das "Magyarentum" oder gar die Expansion des russischen Großmachtstrebens unter der Flagge des Panslawismus. Auch die slowakische "Nationswerdung" begann als sprachliche Erneuerungsbewegung, ohne zunächst die Staatsautorität unter magyarischer Führung in Frage zu stellen. Es gab ja keinen slowakischen Adel, der sich an die Spitze hätte stellen können. Die Trägergruppe waren vor allem die evangelischen Pfarrer slowakischer Herkunft.Nach einigen Auseinandersetzungen zwischen den Sprachreformern setzten sich schließlich Ludovit Stúr und seine Anhänger, die Bewegung "Junge Slowakei", durch. 

Größer war zunächst das Problem in Kroatien. Der einheimische Adel sah in Kroatien einen selbständigen Landesteil Ungarns mit eigenem Landtag, Steuerbewilligungsrecht usw., also einen gleichberechtigten Partner des Königreiches Ungarn.  Schon Ende des 18. Jahrhunderts forderte der kroatische Adel die Ausweitung der Autonomie, der Selbstverwaltung adelig - ständischen Ursprungs. Das erwachende Nationalbewusstsein richtete sich zunächst gegen die Dominanz der deutschen und ungarischen Sprache. In einem Landesstatut aus dem Jahre 1805 wurde nur die lateinische Sprache als Verwaltungssprache anerkannt und sehr zum Ärger der Magyaren auch weiterhin in den gemeinsamen Institutionen verwendet. Auch gegen die Gleichberechtigung der Protestanten und gegen die Erlaubnis für Protestanten, sich in Kroatien niederzulassen wehrte sich der kroatische Landtag. In territorialen Fragen geriet man mit Ungarn in Konflikt. Die Kroaten forderten die Vereinigung von Dalmatien (das zur westlichen Reichshälfte gehörte), von  Fiume, des  Murgebietes und Niederslawoniens, das schon mit Kroatien gemeinsam verwaltet wurde, mit dem Königreich Kroatien. In Ungarn wurden diese Ansprüche heftig bestritten. Die Schaffung einer einheitlichen kroatischen Schriftsprache aus den drei Hauptdialekten scheiterte zunächst, da aus deren Verschmelzung eine "Kunstsprache" entstand. Mit dem Wirken von Ludevit Gaj setzte sich schließlich der Dialekt der Küstenregion durch.

Unter den Rumänen Siebenbürgens war es zunächst weniger die sprachlich-nationale  Identität, die verlangt wurde, als vielmehr religiöse Gleichberechtigung der griechisch - katholischen und der griechisch - orthodoxen Bevölkerung, vertreten durch ihre Bischöfe im Oberhaus.Die Entwicklung einer modernen rumänischen Sprache war ebenfalls mit vielen Problemen belastet. An die Stelle der altslawischen Kirchensprache und der kyrillischen Schrift musste zunächst die lateinische Schrift treten, die Sprache wurde "gereinigt" und "relatinisiert". Führende Persönlichkeit war dabei Joan Budai-Delecanu. Im 1825 erschienenen Lexikon Budense wurden viele Wörter der Volkssprache aufgenommen.   Das Verhältnis zu den Serben war insofern lange Zeit konfliktfrei, als der Großteil der Serben im Gebiet der Militärgrenze lebte und daher Wien unterstand. Auch die serbischen Anliegen wurden zunächst von den orthodoxen Bischöfen vertreten. 1842 beschloss aber der griechisch-orthodoxe Kirchenkongress unter Patriarch Rajasic und Jovan Hadzic, ein Gesuch an den König zu richten, das die Einberufung eines Nationalkongresses aller Serben in Ungarn erbat. Die Deutschen Ungarns zeigten kaum Anzeichen eines "Nationalen Erwachens", da sie territorial zesplittert siedelten. Sie waren gegenüber den Magyarisierungsbestrebungen äußerst offen. Lediglich die Siebenbürger Sachsen, eine der drei "Nationsuniversitäten" Siebenbürgens, wehrten sich entschieden gegen das Aufgehen im ungarischen Staat und in der magyarischen Nation. Maßgebend war dabei, dass Siebenbürgen ein selbständiges Kronland blieb.

Kroaten, Serben und Slowaken gründeten ihre eigenen Kulturvereine und national-kulturellen Institutionen, an den höheren Schulen entstanden Lehrstühle für die Nationalsprachen.

Die Juden hatten keinen Zutritt zu den königlichen Freistädten - 1746 wurden sie etwa aus Ofen vertrieben -  und durften auch kein Gewerbe ausüben. Sie mussten eine staatliche Steuer (ab 1749 taxa tolerantialis, ab 1785 taxa cameralis) zahlen. Erst durch die Verordnung Josefs II. (1790 gesetzlich abgesichert) wurde ihnen der Zugang zu den Freistädten (mit Ausnahme der Bergstädte), zur eingeschränkten Gewerbeausübung und zur höheren Bildung erlaubt. Völlige Gleichberechtigung erreichten sie erst 1867.Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts spielten sie aber im Kleinhandel, aber auch im Großhandel und in den Geldgeschäften bereits eine wichtige Rolle. Mit den 1840er Jahren begann ihr rasanter wirtschaftlicher Aufstieg im Bankwesen, in der Mühlenindustrie und im Eisenbahnbau.

Die wirtschaftliche Entwicklung von 1815 bis 1848

Der wichtigste Wirtschaftszweig war noch immer mit großem Abstand die Landwirtschaft. Während der napoleonischen Kriege hatte die ungarische Landwirtschaft einen ungeheuren Boom erlebt, die Preise stiegen und brachten große Bargeldeinnahmen. Davon profitierten allerdings weniger die Bauern als die adeligen und bürgerlichen Großgrundbesitzer mit ihren Meierhöfen, die auch in den Produktionsmethoden weit moderner waren. Das Zollsystem der Monarchie hielt ausländische Konkurrenz etwa für Weizen fern und lenkte die ungarische Produktion in die westlichen Kronländer, die ihrerseits in Ungarn einen günstigen Absatzmarkt für ihre Industrieprodukte fanden. Eine konkurrenzfähige Industrie konnte in Ungarn zunächst nicht entstehen. Es mangelte an Kapital und Unternehmerpersönlichkeiten und an Fachkräften. Nur wenige Adelige bauten Betriebe, vor allem in der Lebensmittelindustrie, auf, verloren aber nach Rückschlägen bald das Interesse. Lediglich die Zuckerrübenverarbeitung und die Mühlenindustrie gewann ab den 1830er Jahren an Bedeutung.

Das Ackerland, vor allem das für die Getreideproduktion, wurde im 19. Jahrhundert stark ausgeweitet - auf Kosten des Weidelandes und durch Urbarmachung der Überschwemmungsgebiete. Als Brotgetreide war aber damals der Roggen noch immer wichtig.  Eine Modernisierung der Agrartechnik, etwa durch bessere Pflüge, eiserne Eggen und Walzen und durch von Pferden getriebene Dreschmaschinen fand im wesentlichen auf einigen Großgütern statt. Die Dreifelderwirtschaft hatte sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts weitgehend durchgesetzt, vereinzelt wurde auch schon Fruchtwechselwirtschaft betrieben. Die zunehmende Stallhaltung war mit einer Ausweitung des Futteranbaues (Klee, Luzerne, Wicke) verbunden. Der Maisanbau breitete sich rasch aus, der Anbau von Tabak und Zuckerrüben wurde durch die Kontinentalsperre gefördert. Im Umkreis der Städte entstand eine intensive Milchviehhaltung, das ungarische Graurind wurde durch leistungsstärkere Rinderrassen abgelöst. Einen großen Aufschwung erlebte die Schafhaltung. Schon in den 1820er Jahren war die Schafwolle das wichtigste Exportprodukt. Die einheimischen Schafrassen (Zackelschaf, Zygaya) wurden durch Merinoschafe ersetzt.

Im 18. Jahrhundert waren nur wenige Manufakturen entstanden.Erst nach der Depression ab der Mitte der 1830er Jahre setzte einrascher Aufschwung ein. 1757 gab es in ganz Ungarn 66, 1815 175, 1835 251 und 1846 547 außerzünftische Unternehmen, hauptsächlich in der Textilindustrie. Die meisten Textilbetriebe überstanden allerdings die Depression nicht und unterlagen der ausländischen Konkurrenz. Die Unternehmer stammten nun nicht mehr aus dem grundbesitzenden Adel, es waren österreichische und ungarische Handelsunternehmer. Schon die Kriegskonjunktur zu Beginn des 19. Jahrhunderts führte zur Gründung von Eisenwerken, etwa der Eisenwerke Rima, meist Aktiengesellschaften in hochadeliger oder auch bürgerlicher Hand. Es entstanden auch Textilmanufakturen, die z. T. im Verlagssystem arbeiteten, Steingutfabriken (etwa in Kaschau und in Papa), Glasfabriken und Papiermühlen. Die Facharbeiter wurden meist aus dem "Ausland" geholt (Österreich, Böhmen...)

In den 1840er Jahren trat zunehmend die Nahrungsmittelindustrie in den Vordergrund, vor allem Zuckerfabriken, Spiritusbrennereien und Dampfmühlen. 1840 gab es bereits 25 Zuckerfabriken und zahlreiche Branntweinbrennereien. In den 1830er Jahren wurden verstärkt Dampfmaschinen aufgestellt. Da die Nachfrage in Landwirtschaft und Industrie groß war entstanden Maschinenfabriken, etwa die Eisengießerei von Abraham Ganz. In Oberungarn (harmanee, Slavosovce) und in Rijeka wurden Papierfabriken errichtet. In Ofen entstanden auf handwerklicher Basis jene Betriebe, die dann in der zweiten Jahrhunderthälfte zu erfolgreichen Maschinenfabriken wurden (Ganz, Schlick, Röck, Vidats). 1835 wurde in Altofen sogar eine Werft gegründet. Insgesamt aber war Ungarn im Vergleich mit den westlichen Kronländern noch immer wenig industrialisiert und ein einheimisches Unternehmertum nur äußerst schwach entwickelt. Wer Geld hatte strebte noch immer lieber einen Gutsbesitz an und imitierte den Lebensstil des Adels. Erst in den 1840er Jahren wurde durch Gesetze die Betriebsgründung erleichtert und es entstanden entsprechende Interessensorganisationen wie der Industrieverein und es wurden Ausstellungen veranstaltet. Es entstanden zahlreiche Betriebe in der Textilindustrie, Porzellan- und Steingutmanufakturen (Herend, Hollóháza, Varoslöd). Der Kohlebergbau kam in Schwung.

Wichtigste Ausfuhrprodukte waren ab 1815 die Schafwolle, Lebendvieh und Wein. Aus Slawonien wurden riesige Schweineherden nach Westen getrieben. Zwei Drittel des Warenumsatzes wurden mit Niederösterreich abgewickelt. Große Probleme bereiteten die Verkehrsverhältnisse, vor allem die schlechten Straßen. Lediglich im Westen, in Richtung Wien und Triest, wurden in der Reformperiode größere Verbesserungen vorgenommen. Die Donau als Verkehrsweg wurde ab 1830 mit dem Einsatz von Dampfschiffen wichtiger. 1846 wurde die erste Eisenbahn Pest - Weitzen, 1847 die von Wr. Neustadt nach Ödenburg und von Pest nach Szolnok gebaut. Ebenfalls ein großes Problem war die Kreditwirtschaft. Der Hochadel war stark verschuldet und selbst die Großgrundbesitzer konnten sich nur unter erhöhten Zinsen Kredite aus Wien besorgen. Für Bauern und Handwerker blieb nur der jüdische Geldverleiher. Die ersten Banken entstanden 1835 in Kronstadt, 1840 die Erste Pester Landessparkasse, 1841 die Pester Ungarische Handelsbank. Es folgten bald zahlreiche Sparkassengründungen durch das Besitzbürgertum der Städte.

Istvan Széchenyi

Graf Stefan Szécheny, der bedeutendste ungarische Reformpolitiker des 19.Jahrhunderts, hatte enge Beziehungen zum westungarisch- burgenländischen Raum. Sitz der Szechenyi war das Schloss in Großzinkendorf (Nagycenk) bei Ödenburg (heute Széchenyi-Museum). Er entstammte einer Familie, die sehr aufgeschlossen für die Anforderungen der modernen Zeit war. Sein Vater war Gründer des ungarischen Nationalmuseums, mütterlicherseits stammte er von den Grafen Festetics, den Gründern der Landwirtschaftsakademie, ab. Szechenyi blieb ein Konservativer mit liberalem Einschlag, ein Feind jedes revolutionären Radikalismus. Die Zukunft UNgarns sah er eingebettet in "Mittel-Europa", in einer konstitutionellen Monarchie, mit den Kaisern von Österreich als Könige von Ungarn. Nicht zuletzt deshalb geriet er in Gegensatz zu Lajos Kossuth, der ein eigenständiges Ungarn, losgetrennt vom "Wiener Absolutismus", wollte. Széchenyis Pächterreform war in erster Linie christlich, dann patriotisch, nicht aber nationalistisch motiviert. Er war um die Hebung der ungarischen Landwirtschaft bemüht, durch Viehausstellungen, Versteigerungen, Weinvermarktung, Förderung der Seidenraupenzucht, des Pferdesports und der Pferdezucht. "Er wollte sein ungarisches Vaterland gesund und wirtschaftlich lebensfähig machen". "Ich will, dass das Publikum einsehe und sich's eingestehe, dass Ungarn in allem zurück ist, denn  bis wir nicht zu diesem Selbstgeständnisse gelangen, bis dahin können wir nicht vorwärts schreiten ..." (Aus dem Vorwort zu:Licht oder aufhellende Bruchstücke und Berichtigung einiger Irrthümer und Vorurtheile" , Pest 1832)

Im Jahre 1833 veröffentlichte István Graf Széchenyi sein Werk "Stadium". In ihm zählte er alle Gesetze auf, die ihm für eine Modernisierung Ungarns besonders dringend erschienen: Einführung eines Wechselrechtes, Abschaffung der Avitizität, Besitzfähigkeit auch für Nichtadelige, Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, gleiche Besteuerung nach dem Vermögen, Abschaffung der Zünfte, Abschaffung von Regalien und Monopolen. Von besonderer Brisanz war dabei vor allem die Forderung nach gleicher Besteuerung für alle, auch für den Adel. Ungarisch sollte Verwaltungssprache sein. Die Zensur verbot das Buch. Es wurde aber im Ausland gedruckt und nach Ungarn geschmuggelt.

Das wichtigste Werk Széchenyis war "Hitel" (Kredit). Kredit hat für ihn zweierlei Bedeutung - Darlehen und moralische Glaubwürdigkeit "Ungarn ist nicht, sondern wird sein". Er greift das veraltete feudale System an, schreibt aber zugleich dem Adel die entscheidende Rolle bei der Umgestaltung zu. Der ungarische Adelige sollte zum adeligen Ungarn werden, der sich zur Nationalität bekennt, der allgemeinen Vernunft folgt, der aber auch Mut zum Unternehmen und zur Zivilcourage hat. In Hitel fordert er die Auflösung der Zünfte, der inneren Zölle, die Abschaffung des Frondienstes,die Trennung von grundherrlichem und bäuerlichem Besitz ...

1848 war Széchenyi nach der Märzrevolution an die Seite Kossuths getreten. Er war für kurze Zeit Verkehrsminister. Als im September 1848 die blutigen Auseinandersetzungen begannen brach Széchenyi zusammen. Er warf sich vor, den Krieg mit dem Hause Habsburg mitverschuldet zu haben. Man brachte ihn in ein Sanatorium für Geisteskranke in Wien. Im Jahre 1860 beging er Selbstmord.

Istvan Széchenyi scheiterte zwar, viele seiner Reformideen wurden aber von anderen, jüngeren Politikern aufgenommen und teilweise schon vor 1848, vor allem aber nach dem "Ausgleich" von 1867 verwirklicht.

 

 

 

 
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