Die Pest: Epidemie von 1600 als Beispiel
(nach H. Prickler, Die Pestepidemie von 1600. In: Bgld.HBl.3/1971)
Auch im Gebiet des heutigen Burgenland kam es immer wieder zu schweren Seuchen, die einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung hinwegrafften. Besonders in Erinnerung geblieben ist die "Große Pest" von 1713, von der noch heute viele Pestsäulen und Bildstöcke künden. Auch 1644 war so ein Pestjahr. Vom mittelalterlichen "großen Sterben" in den Jahren 1348-50 haben wir wenig Nachrichten.
Ein in Westungarn besonders schweres Pestjahr war 1600, offenbar ein regionales Auftreten der Beulenpest, das im Frühjahr begann, im Sommer noch immer nicht ganz abgeklungen war. H. Prickler hat auf Grund der Steuerkonskriptionen des Jahres 1600 und 1601 für die meisten Gemeinden des Komitates Ödenburg die Opfer ermittelt. Das Bild, das sich dabei ergibt, ist erschütternd: Allein in den konskribierten Orten gab es 9-10 000 Tote, etwa 20-25 % der Bevölkerung starben in wenigen Monaten. Im Jahre 1600 kamen auf 2902 bewohnte Häuser 1370 öde und 44 abgebrannte Häuser. Prickler schätzt , dass etwa 1000 Häuser durch die Pest verödet waren. Im nächsten Jahr war die Situation noch schlimmer, nur mehr 1895 Häuser waren bewohnt. Gelegentlich wird auch die Einquartierung von wallonischen Söldnern als Grund für die Verödung angegeben. In den benachbarten Orten, die von der Konskription nicht erfasst wurden, wird die Situation nicht viel anders gewesen sein.
Das Zentrum des Pestausbruches war offenbar im Bereich des mittleren Burgenlandes. Am stärksten betroffen war Oberloisdorf, wo nur 7 Häuser bewohnt, 33 aber öde waren. 300 Menschen waren innerhalb kürzester Zeit gestorben, etwa 95 % der Bevölkerung! Viele Tote gab es auch in Ritzing und Piringsdorf, Steinberg, Strebersdorf, Unterfrauenhaid, Weingraben... In Deutschkreutz waren 47 Häuser bewohnt, 35 öde; in Dörfl 20 bewohnt, 15 öde; in Horitschon 29 bewohnt, 20 durch die Pest verödet. Nicht viel anders war die Situation in Mannersdorf, Nebersdorf und Neckenmarkt.
Diese riesigen Verheerungen eines ganzen Landstriches müssen vor dem Hintergrund weiterer Zeitereignisse gesehen werden: Nur wenige Jahre später, 1605, brachte die Bocskairebellion weitere, schwere Verwüstungen und Plünderungen, besonders viele Menschen wurden verschleppt. Es ist angesichts dieser Verluste erstaunlich, wie rasch sich die Dörfer durch natürlichen Bevölkerungszuwachs und durch Zuwanderung immer wieder erholten. Zugleich zeigt sich auch, dass Seuchen und Kriegsverluste nicht für langfristige Bevölkerungszu- oder Abnahmen verantwortlich zu machen sind. Wenn die wirtschaftlichen Bedingungen günstig waren, wurden die Lücken rasch wieder gefüllt. In der Herrschaft Schlaining waren 1540 als Folge der Belagerung von Güns noch 32 % der Bauerngüter öde, 1576 aber nur mehr 2 %. Auch in der Herrschaft Güssing sank der Grad der Verödung bis zum Ende des 16.Jahrhunderts. Wenn hingegen keine Aussicht auf ein besseres Leben bestand, wenn die grundherrschaftlichen Lasten zu hoch waren, blieben auch die Menschen aus. So gesehen ist für die Stagnation der Bevölkerung im Südburgenland in erster Linie die wirtschaftliche Situation und nicht die Kriegsverluste verantwortlich zu machen.