Türken und Kuruzzen : Westungarn-Burgenland als "Bollwerk" gegen die Türken
Das Thema "Türken und Kuruzzen" ist in einer Darstellung der burgenländischen Geschichte unvermeidbar und wichtig, aber wohl sehr schwierig zu behandeln, will man nicht an der Oberfläche bleiben, sich mit den Klischees einer Schwarz-Weiß-Malerei zufrieden geben. Es ist natürlich keineswegs zulässig, die Türkenkriege und ihre Auswirkungen zu verharmlosen. Sie haben ohne Zweifel auch die wirtschaftlich-soziale und die geistige Entwicklung auf Jahrhunderte mitbestimmt. Aber die neuere Forschung hat auch das ältere, immer wieder ideologisch missbrauchte ("Gefahr aus dem Osten", "Bollwerk der Christenheit"...) einfache Bild stark relativiert. "Purbacher Türke" (eine Wandersage, die mit den weit verbreiteten "Saufsagen" im Zusammenhang steht) und "Forchtensteiner Türkenbrunnen" (ohne historische Grundlage) sind für die Kenntnis der Zeit zu wenig. In verschiedener Hinsicht muss unser Bild um einiges relativiert werden: Die Türken waren nicht die absoluten "Barbaren", die Verwüstungen, die angerichtet wurden, waren groß, aber bei weitem nicht so katastrophal, wie es manchmal auch heute noch dargestellt wird, die Türken und die "Kuruzzen" (zu denen man in der Steiermark mit einigem Recht auch die Westungarn zählte!) waren nicht die einzigen, die zerstörten - kaiserliche Söldner hausten oft noch schlimmer.
Einer noch weit verbreiteten Ansicht muss man allerdings entschieden entgegentreten: Dass die Türkenkriege dafür verantwortlich waren, dass Westungarn- Burgenland ein "armes", ein "zurückgebliebenes" Land wurde, die Bevölkerung ausgerottet wurde, von Kroaten ersetzt wurde und schließlich meist nach Amerika auswanderte... Der Niedergang Westungarns im 18.Jh., im Zeitalter Maria Theresias, hat natürlich andere Ursachen. Die westungarischen Barockmagnaten trugen dazu wohl mehr bei als die Türken.
Ein schwieriges, nicht zu verschweigendes Problem ist das der moralischen Kategorien im Zusammenhang mit den Türkenkriegen. In der älteren, vor allem populärhistorischen Literatur wimmelt es nur so vor Türkenhelden. Gelegentlich werden auch noch die "Verräter" erwähnt, das ganze aber wird auf einen außerordentlich primitiven Nenner reduziert. So einfach war die Sache natürlich nicht. Moralisierende Wertungen haben eigentlich keinen Platz. Man muss erwähnen, dass "Treue" oder "Untreue", "Tapferkeit" oder "Feigheit" ideologische Interpretationen - im nachhinein vorgenommen und entsprechend vom Sieger zugerichtet - sind. Die vielen Städte und Herrschaften, die 1683 den Türken rasch huldigten, waren keine Verräter, sie schützten ihre Untertanen vor fürchterlichen Plünderungen.
Esterhazy war nicht "tapfer", weil er zum Kaiser hielt - er hatte den weiteren Blick und vermutlich die besseren Informationen und setzte so auf die richtige Karte. Seine Untertanen hatten es auszubaden... Die tatsächlichen Verhaltensweisen richteten sich nicht nach diesem vereinfachten Schema von gut und böse, sie resultierten aus sehr komplexen Tatsachen.
Es ist heute in den meisten Geschichtsbüchern schon üblich, die alten Feindbilder aufzulockern und auch den Türken entsprechend gerecht zu werden, ohne die für die Bevölkerung oft fürchterlichen Auswirkungen zu verharmlosen. Ein noch heikleres Thema ist das der ungarischen Rebellion und der Kuruzzen. Meist geht man in burgenländischer Sicht auf die schlimmen Auswirkungen, nicht aber auf die Ursachen und Motive der Kuruzzenaufstände und des Zusammengehens mit den Türken ein. Das mag berechtigt sein, denn zur burgenländischen Geschichte im eigentlichen Sinn gehören sie ja nicht. Andererseits ist ein großer Teil der Verständnislosigkeit, mit der man in Österreich dem Kuruzzentum immer wieder begegnete, auf dieses Nichtwissen zurückzuführen. Man versteht die ungarische, vor allem die spätere nationalmagyarische Selbstinterpretation und das daraus resultierende Handeln nicht , wenn man in den Aufständischen nur die undankbaren, ewigen Rebellen und nicht auch - zumindest am Rande, so schwer es auch fällt - die "Freiheitskämpfer" sieht.
Unsere Vorfahren haben unter den Kuruzzenüberfällen schwer gelitten. Unter den Zeitgenossen fanden sie wenig Anerkennung, sie waren im deutschen Teil Westungarns überwiegend verhasst. Tatsächlich haben wir Burgenländer aber diesen ständigen Aufständen auch einiges zu verdanken: die relativ weitgehende und lang dauernde, von ihnen immer wieder erkämpfte religiöse Freiheit für alle Nichtkatholiken und damit die konfessionelle Vielfalt, die uns vom übrigen Österreich unterscheidet.
Bei aller kritischer Betrachtung der Motive der politisch Handelnden muss aber gerade bei der Behandlung der Türken- und Kuruzzenkriege das Leid der Menschen, die "unter die Räder der Geschichte" kamen, ausreichend berücksichtigt werden.